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Süderholzer Blatt
Ausgabe 366/2021
Reisen
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Verwunschen. Verwildert. Morbide... Ein vergessenes Paradies.

So erschien mir Blücherhof, ein Ortsteil der Mecklenburgischen Gemeinde Klocksin, als wir den Ort in diesem Juni besuchten. Er befindet sich an der Strecke Waren- Teterow; man muss einige Kilometer landeinwärts fahren, um ihn in hügliger Weite zu erreichen.

War nach siebenmonatiger Corona - Zwangspause in Restaurants und Hotels der Betrieb wieder aufgenommen worden, befand sich hier alles wie in einem Dornröschenschlaf.

Das „Dubenhus“ im weitläufigen Hof, ein Imbiss mit Café - Betrieb im ehemaligen Taubenturm der Gutsanlage, öffnet erst im Juli wieder, verhieß ein Schild an der Eingangstür.- Wie schade!

Gern hätten wir Platz genommen.

So konzentrierte sich der Blick nun auf die Hinweise am schmiedeeisernen Tor vor dem Schloss.

Durch Zaun und Mauer vom restlichen Gutsgelände abgegrenzt befindet sich hier ein „naturbelassener Park“, einer der bedeutendsten botanischen Parks in Deutschlands Nordosten, wie es bei WIKIPEDIA heißt. Das etwa acht Hektar große Gelände wurde zu Beginn des 20.Jahrhunderts von dem Dendrologen Prof. Alexander Koenig angelegt, der bis zu seinem Tod 1940 Eigentümer des Gutes war. Damals befanden sich etwa 200 dendrologische Seltenheiten im Park. Neben einer 600 Jahre alten Eiche fallen auch dem ungeschulten Besucher exotische Gehölze in den Blick: Koniferen, Nadelbäume, aber auch zahllose Laubbäume aus anderen Regionen der Welt.

Von den ursprünglichen Pflanzungen ist manches leider schon nicht mehr vorhanden; Trockenheit und Hitze mögen auch in diesem Park manchem alten Baum arg zugesetzt haben. Wer sich auf die Wanderung durch das Dickicht einlässt, fühlt sich wie in einem Dschungel. Baumriesen, ungewöhnlich in Umfang und Wuchshöhe, verwunschene Teiche, ein „Besucher-Hochsitz“ am Rande des Parks, versteckt in wucherndem Gras, dann plötzliche Farbtupfer aus Rhododendron-Büschen, Goldregen, rieselnd auf die freigeschnittenen Wege...der Eindruck ist ein zwiespältiger: zum einen ist man angetan von der unüberschaubaren Vielfalt und fühlt sich unter hohen, efeuumrankten Stämmen geborgen und geschützt vor grellem Sonnenlicht; zum anderen wirkt alles etwas vernachlässigt und wenig gepflegt: zerbrochene Bänke, nicht beräumter Holzbruch, abgestorbene Pflanzen...

1967, lesen wir, wurde der Park unter Schutz gestellt... Nun gut, was erwartet man von einem „naturbelassenen Park“? Der geringe Beitrag von 2 Euro für Eintritt, zu entrichten in einer „Kasse des Vertrauens“ dürfte allein den Aufwand für Erhalt und Pflege kaum decken.

Tritt man aus dem verwunschenen Park wieder in die Sonne, steht man vor dem kleinen Schloss. Nach dem Krieg sei Blücherhof als Kinderheim genutzt worden, heißt es im Internetlexikon.

Das imposante Gebäude am Park geht zurück auf eine Familie, die dem Ort vor 300 Jahren ihren Namen gab. In späteren Jahrhunderten finden sich Namen wie die von Arnim, von Plessen, von Maltzahn. Das Schloss wird als neobarocker Putzbau beschrieben und gekrönt durch eine kuppelartige Haube und ein reich verziertes Vordach in Jugendstilmanier.

In einigen Nebengebäuden des ehemaligen Wirtschaftshofes sind Ferienwohnungen untergebracht, wie im ehemaligen Gutsverwaltungshaus, das vor allem durch einen großen Festsaal und seine architektonisch besondere Gestaltung auffällt. Nicht weniger speziell wirkt der ehemalige Pferdestall aus Feldsteinen mit seinen barockisierenden Giebeln.

Zum Gutshof gehören noch ein imposanter Backstein-Speicher, die Stellmacherei und der Marstall. Und nicht zu vergessen: das zweigeschossige Taubenhaus mit einem Fachwerk-Obergeschoss.

Aktuell steht die Gutsanlage zum Verkauf. Dem finanziell potenten Käufer wünscht man nicht nur das entsprechend „nötige Kleingeld“; viel nötiger sind wohl Liebe, Fantasie sowie ein nicht erlahmendes Durchhaltevermögen, damit dieses einmalige Denkmal in der Mecklenburger Seenplatte aus seinem „Dornröschenschlaf“ wieder erweckt wird.

Dabei könnte auch Ihre Aufmerksamkeit hilfreich sein. Denn gerade in Zeiten wie diesen sollte ein (abgewandelter, aber wohlbekannter) Spruch lauten: Warum in ferne Fernen reisen? So viel Gutes liegt so nah...

Bärbel Hohmann