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Süderholzer Blatt
Ausgabe 368/2021
Das Thema
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Erntekrone aus 6.160 Ähren

Jahrelange Erfahrungen im Binden von Erntekronen: Kerstin Notzke neben ihrer Mutter Anneliese Homann, Elke Angres, Rosemarie Schmidt und Ute Schonschadowski.

Kerstin Notzke sitzt inmitten ihrer Erntekronen der letzten 12 Jahren und bindet die für 2021. In der großen Halle parkt ein Mähdrescher. Der passende Rahmen für die Fleißarbeit, in der 82 Arbeitsstunden stecken. Es ist ein schönes Hobby von Kerstin Notzke mit einer langen Tradition. Dabei kann sie immer noch auf die Unterstützung ihrer 88-jährigen Mutter bauen. „Welche Bäuerin hat eigentlich Zeit, während der Ernte, eine Krone zu binden? Aber ich unterstütze gerne, denn es macht doch jedes Jahr wieder Spaß“, sagt Anneliese Homann. Sie sortiert die Wochen zuvor geschnittenen Getreidebündel. Daneben sitzt Rosemarie Schmidt aus Grimmen. Die Rentnerin ist seit 2016 dabei und freut sich über die Saisonbeschäftigung. „Damals kam ich zu Kerstin und wollte eigentlich eine alte Krone für die katholische Kirche reparieren lassen. Die wurde dann aber doch lieber neu gebunden. So bin ich dazu gekommen“, erzählt die Seniorin, die die Ähren zu kleinen Sträußchen bündelt. Das macht auch Elke Angres, die daneben sitzt. Sie ist aber auch die Frau für die Statistik. Die ehemalige Lehrerin hält in einem Buch alle Arbeitsstunden und Getreidearten akribisch fest.

In diesem Jahr besteht die Erntekrone aus 520 Getreidesträußchen. Die werden aus 3.250 Weizenähren, 2.750 Grannenweizen und 160 Gerstenähren gebildet. Von Anfang an nimmt Landfrau Notzke an der Erntekronenschau im Freilichtmuseum Klockenhagen teil. Vordere Plätze haben ihre Kunstwerke immer belegt. „Heute, am Freitag den 13., binden wir die 13. Erntekrone. Wenn das kein gutes Zeichen ist“, ist Elke Angres optimistisch und hofft auf den Sieg.

Es geht jedes Mal eine große Vorbereitung voraus. Das Grundgestell wird gebogen und geschweißt, welches Getreide wird es sein, welche Schleifenfarbe soll das Kunstwerk vervollkommnen, mit oder ohne Blumen? Diese Fragen stellt sich Kerstin Notzke jedes Mal. Und auch in diesem Jahr musste sie diese für sich wieder beantworten. Eine große Hilfe dabei ist ihr Ute Schonschadowski, die schon im letzten Jahr mithalf und ihre guten künstlerischen Ideen mit einbrachte. Eine Woche später am Telefon: „Nun ist die Krone fertig, es müssen nur noch die Schleifen ran.“

Der Transport zum Freilichtmuseum ist auch immer eine heikle Sache. Schließlich wiegt so eine Krone um die 50 Kilogramm. Am Sonntag den 22. August ist die Eröffnung der Erntekronenschau im Freilichtmuseum Klockenhagen. Bis zum 12. September können Besucher ihre Stimmen abgeben. Die Erntekronenausstellung des Bauernverbandes Nordvorpommern in Kooperation mit dem Freilichtmuseum Klockenhagen ist in Norddeutschland einmalig und tief im Selbstverständnis des Museums verankert. Eine langjährige Tradition ist ein wahrer Besuchermagnet. Für Kerstin Notzke aber noch nicht genug. Gemeinsam mit Damen des Grimmener Landfrauenvereins wird unter ihrer Anleitung Anfang September die Krone für das diesjährige Landeserntedankfest in Dobbertin gebunden. Es findet vom 1. bis 3. Oktober im Rahmen des 800-jährigen Jubiläums des Kloster Dobbertin, statt.

Das Binden der Erntekrone geht auf eine lange Tradition zurück. Die Erntekrone wurde nach Beendigung des Kornschnittes von den Schnittern dem Gutsherren mit der letzten Erntefuhre überbracht. Anfänglich war es nur eine größere Korngarbe, später auch ein Erntekranz. Eine kirchliche Segnung und ein Erntelied gehörten zur Übergabezeremonie, die in Tanz und Essen ihre Fortsetzung hatte. Schön, dass es immer noch Erntefeste gibt.

Roswitha Pendzinsky