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Süderholzer Blatt
Ausgabe 368/2021
Dit und Dat
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Silvester im Sommer

Nein, keine Angst, ich werde nicht schon wieder von Tieren erzählen. Ich habe weder einen Kater, der Silvester heißt, noch irgendein anderes Tier mit diesem Namen. Einen Hund habe ich, aber der hat nichts mit Sommer und auch nichts mit Silvester zu tun. Er heißt, äh, ach ja, ich wollte ja nicht von Tieren erzählen.

Aber von Silvester wollte ich erzählen. Viele von Ihnen kennen doch bestimmt diesen traditionell jedes Jahr an Silvester inzwischen auf etlichen Kanälen im Fernsehen gezeigten Sketch „Diner for One oder der 90. Geburtstag“?! Es ist jedes Jahr ein wahres Vergnügen. Das Stück lebt ausschließlich von der grandiosen schauspielerischen Leistung von Freddie Frinton als Butler James. Seine Gestik und Mimik sind einfach außergewöhnlich und die Art sich zu bewegen unnachahmlich. Zum Beispiel der fragende Blick mit zu Seite geneigtem Kopf und dann dieser ganz besondere Gang, leicht vornüber gebeugt etwas steif und ein wenig plattfüßig fast watschelnd mal langsam und dann plötzlich ganz schnell mit kleinen Trippelschritten manchmal kommt ein kleiner Sprung aus dem Stand (beim Sprung über den Tigerkopf) als Überraschung dazu und zu alldem bewegt sich der Kopf rhythmisch bei jedem Schritt leicht nach vorne. Dabei wirkt das Ganze trotz dieser Außergewöhnlichkeit völlig ungekünstelt und natürlich und ist bisher von Keinem in dieser Vollkommenheit erreicht worden.

Warum ich Ihnen das erzähle? Habe ich das noch nicht gesagt? Der Sommer erinnert mich seitdem ich auf dem Land wohne immer an Silvester. Sie verstehen? Silvester ist für mich einfach gleichbedeutend mit Dinner for One, mit Butler James und Miss Sophie. Weil es einfach seit meiner Jugend Tradition war, kurz vor dem Countdown am Jahresende, Diner for One anzuschauen.

Warum mich der Sommer an Dinner for One erinnert? Ach so, ja. Schauen Sie sich mal die Stare auf einer Wiese an. Das müssen Sie gesehen haben. Wie die sich bewegen. Dieser Gang. Leicht vornüber gebeugt, die Frackschöße sind dabei die angelegten Flügel, etwas steif, ein wenig plattfüßig, fast watschelnd mal langsam und dann plötzlich ganz schnell mit kleinen Trippelschritten, um gleich darauf wieder innezuhalten und manchmal kommt ein kleiner Sprung aus dem Stand als Überraschung dazu und zu alldem bewegt sich ihr Kopf rhythmisch bei jedem Schritt leicht nach vorne. Ab und zu neigen sie auch den Kopf ein wenig zur Seite oder schauen in die Luft wie James, als das Hähnchen vom Tablett flog. Das reinste Schauspiel auf der Wiese. Ich könnte stundenlang zuschauen und mich amüsieren. Fast könnte man meinen Freddie Frinton hätte das Alles bei den Staren abgeschaut. Wenn nicht hätte er aber bestimmt auch seine Freude an diesen munterem Kerlchen, den Staren gehabt. Schade, dass man ihn nicht mehr fragen kann. Er ist übrigens nur 59 Jahre alt geworden.

Was die muntere Starenschar angeht, so sind die Vögelchen immer sehr konzentriert bei der Sache und lassen sich durch nichts aus der Ruhe bringen, genau wie James auch. Wenn es also mit der Konzentration auf das Wesentliche und mit der Gelassenheit mal nicht so recht klappen will, einfach mal den Staren zuschauen und das Leben genießen. Schließlich ist es kurz genug.

Herrjeh, Jetzt habe ich doch wieder von Tieren erzählt, aber eigentlich auch wieder nicht oder?

Andreas Diecke