Wenn einer eine Reise tut, dann kann er ´was erzählen. Zumal in diesen Zeiten, in denen durch die Pandemie gar nichts sicher und normal ist, zumindest, was Termine angeht und die Frage, ob und wohin man verreisen kann.
Im Januar wagten wir es: eine Seereise mit Hurtigruten von Hamburg bis zum Nordkap.
Verrückt, wie? Aber wer weiß, wie lange uns das Virus noch derart beschäftigt ...
Gerade erst war die Kreuzfahrtsaison wieder eröffnet worden. -
Nach mancher Aufregung und Lauferei, nicht zuletzt den unvermeidlichen Corona - Tests geschuldet, starteten wir Anfang Januar mit der „Fridtjof Nansen“, einem modernen Hybrid-Schiff, in Richtung Nordsee. Uns begleitete das Nordlichtversprechen des Reiseveranstalters …
Ja, das wollten wohl die meisten der 233 Passagiere mit uns an Bord: einmal Polarlichter sehen!
Und so hielten wir danach Ausschau. Aber den ersten Seetag bei ruppigem Wellengang verbrachten die meisten doch lieber in der Horizontale, in ihren Kojen.
Zauberhaft ist Norwegens Küste, wenn sie so an einem vorüber gleitet, ob im Sommer bei mitternächtlicher Sonne oder im Dämmerlicht der Polarnacht mit einem faszinierenden Farbenspiel. Weiter nördlich wurde die Landschaft winterlich, leuchteten die Berge in rötlichem Schein der Sonne, die sich nur für wenige Momente zeigte.
Die Bergspitzen spiegelten sich in der ruhigen Wasseroberfläche. Aus dem Seenebel tauchten kleine Ortschaften am Ufer auf. Die erste Stadt, die wir anliefen, war Alesund.
Dort stand der Besuch des Norwegische Aquariums auf dem Programm, „einem der einzigartigsten und interaktivsten Aquarien in Europa“, wie unser Reiseführer nicht grundlos versprach. Die Lage direkt am Atlantik, eingebettet in die Küstenlandschaft, ist bemerkenswert. Neben dem Blick in die Unterwasserwelt bietet die Ausstellung im Außenbereich die Möglichkeit der Beobachtung von Robben, Ottern und Pinguinen.
Weiter ging es in Richtung Polarkreis nach Broennesund. In der Nähe des Ortes befindet sich, aus der See aufragend, ein runder Fels, der Torghatten. Seine Besonderheit: In ihm befindet sich in einiger Höhe ein großes Loch, wie hinein gehauen mit Teufelskraft und darum unverkennbare Attraktion für alle Vorbeireisenden. Leider erlangte dieser Fels traurige Berühmtheit, als an ihm ein Flugzeug zerschellte und alle 36 Insassen dabei ums Leben kamen. Das ist mittlerweile 33 Jahre her, aber in der alten Kirche von Broennesund wird noch heute daran erinnert. 36 Lichter brennen neben der alten Orgel in Erinnerung an die Opfer. Wir allerdings hörten hier ein kurzes Konzert mit norwegischer Musik, von einer begabten jungen Organistin gespielt.
Auf den Lofoten liegt Svolvaer. Das Fischerdorf mit seinen falunroten Holzhütten und modernen Hotels aus Beton und Glas zeigte sich malerisch im Mittagslicht. Steile Berge umgeben den Ort, der vor allem von der Fischereiindustrie lebt. Am Hafen sind die großen hölzernen Gestelle zum Trocknen der Fische zu sehen. Hier „entsteht“ der bekannte Stockfisch.
Alta ließ dem Namen nach die Hoffnung auf das Polarlicht wachsen, denn das war bislang unsichtbar geblieben. Zwar erscheint das Tageslicht in der Polarnacht nur kurz und die Nächte waren vom Mondenschein noch nicht allzu sehr erhellt, aber es waren oft immer Wolken davor. Hinzu kam, dass die eisigen Temperaturen den Aufenthalt draußen an Deck alles andere als angenehm machten und eine Beobachtung von der Explorerlounge kaum möglich war, weil in den Fenstern sich das Innenlicht spiegelte. So erfreute uns in der Nordlichtkathedrale von Alta, einem modernen Kirchenbau dieses Jahrhunderts, ein fantastischer Film mit atemberaubenden Bildern von den Polarlichtern. Einigen Mitreisenden gelangen hier herrliche (und die einzigen) Fotos von der Aurora borealis ...
Wir hätten das Nordlicht gerne „pur“ gesehen. Aber als wir in Honningsvag anlegten, ließ der grau bewölkte Himmel nichts Gutes ahnen. Ein Konvoi von Bussen machte sich auf, einem Schneepflug folgend, das Nordkap zu erreichen. Hier war alles weiß und die fehlende Sonne ließ die Landschaft in einer eigentümlichen Dämmerung erscheinen. Das war in der Mittagszeit. Als unsere Busse anderthalb Stunden später wieder zum Hafen zurückfuhren, dunkelte es bereits. Nordlichter?
Fehlanzeige! Auch im Dunkel ahnte man den bewölkten Himmel. Und der Kapitän hatte keine guten Nachrichten für uns Polarlicht-Hungrige. Draußen auf dem Atlantik braute sich ein Sturm zusammen. Dem wollte er entkommen, indem er das Schiff schnurstracks Richtung Süden steuerte.
Damit war unsere Nordlicht-Safari in Tromsö gestrichen! -
Zwei Seetage folgten. Wieder vorbei an weißen Bergen, kleinen Ortschaften in verschneiter Landschaft, durch Fjorde, an felsigen Inseln vorbei. Und man mochte sich nicht ausmalen, wie es wäre, wenn so ein großes Schiff wie das unsrige an so einen Fels stieße oder gar darauf auf liefe.
Der Himmel blieb bleigrau. Wenig Hoffnung auf Polarlichter ...
Da ertönte eines Nachts vom Expeditionsdeck plötzlich der Ruf: Schwaches Nordlicht gesichtet!
Im Nu war das halbe Deck gefüllt mit den Polarlicht- Begierigen. Sie starrten in den leicht bewölkten Himmel, den der halbe Mond schon kräftig erhellte. Aber ich sah nichts... Kein Funkeln, keine tanzenden Lichtvorhänge, keine Lichtspiralen, geschweige denn rötliches oder grünliches Leuchten! Enttäuscht verließ ich das Deck. Ich hatte nur vom Mondlicht beschienene Wolkenbänder gesehen.
Eine zufällige Frühstücksnachbarin erbrachte am nächsten Morgen den Fotobeweis. Sie hatte mit ihrem Handy tatsächlich eine grünliche Wolke festgehalten!
Schade...Wäre das Nordlichtversprechen nicht erfüllt worden, stünden uns nochmals sieben Tage Nordlichtreise zu, kostenlos! Aber zweifelsohne würde dieses „Ereignis“ nun Eingang ins Logbuch gefunden haben.-
Ein anderes tat es bestimmt!
Solange wir durch Felsinseln geschützt fuhren, blieb die See ruhig. Am kommenden Tag sollten wir den Sognefjord erreichen, wo diverse Ersatz-Ausflüge organisiert worden waren. Aber zuvor mussten wir noch am „Friedhof der Seefahrer“ vorbei … In der Nacht begann das Schiff wieder zu schaukeln und zu schlingern. Draußen wehte und stürmte es. Schneeflocken trieben. Blitze zuckten. Dann hörten wir ein knirschendes Geräusch, wie wenn Metall auf Stein stößt. Später dasselbe noch einmal, länger und schlimmer. Und plötzlich war es totenstill. -
Klar, dass irgendetwas Ungutes passiert sein musste! Aber alles blieb ruhig. Auch in den Kabinen.
Nach einigen bangen Minuten ertönte die Stimme des Kapitäns: Wir hatten Grundberührung, Wasser sei ins Schiff eingedrungen. Aber alles sei sicher! Niemand sei in Gefahr. -
Langsam wurde das Schiff in Richtung des nächsten Hafens bewegt; das war Moloy, wo wir den halben Tag lang warteten. Nachmittags - es regnete und stürmte noch immer - wurden die Passagiere ausgeschifft. Ein Dutzend Busse transportierte uns nach Alesund, das wir nach vierstündiger abenteuerlicher Fahrt (u.a. auf schaukelnden Fähren) erreichten und wo wir eine Nacht im Hotel verbrachten. Am nächsten Morgen wurden wir ausgeflogen, zurück nach Hamburg.
Logistisch hatten diese Ereignisse der Mannschaft sicher einiges abverlangt und darum gilt unsere Anerkennung, unser Dank der jungen, engagierten Crew dieses Expeditionsunternehmens!
Das Nordlichtversprechen hatte sich für uns zwar nicht erfüllt. Jedenfalls nicht in der erwarteten Weise.
Dafür titelten in den darauffolgenden Tagen diverse heimische Tageszeitungen: „Nordlicht gesichtet“. Und sie veröffentlichten „Beweisfotos“ dazu: Grünes Leuchten am Horizont über der Ostsee bei Binz. Farbige Bänder über dem Torgelow-See im Mecklenburger Land ...
Wahrlich: Das Nordlicht... das hätten wir billiger haben können! Aber nur halb so spannend. - Denn was wäre ohne diese abenteuerliche Reise zu erzählen gewesen?
Bärbel Hohmann
Durch Fjorde und Sunde
Typische Aussichten an der norwegischen Küste
In Svolvaer ankert unser Schiff, die „ Fridtjof Nansen“
Das beliebteste Fotomotiv am Nordkap
Einem Mitreisenden gelang diese Fotografie
Der Stein mit Loch: am Torghatten
Wenn ein Sturm das Schiff durchrüttelt,
tobt draußen der Klabautermann.
Tüchtig wird man durchgeschüttelt
selbst auf exklusivem Kahn.
Das Schiff ist neu und hochmodern.
Bequemer man kaum reist.
Nur das Geknarze, meine Herren!
geht tüchtig auf den Geist!
Es ächzt und knirscht geheimnisvoll.
Es scheint, in allen Ecken
der Schiffskabine spukt ein Troll
und lässt sich nicht entdecken!
Doch legt der Sturm sich, leg auch ich
mich schlummernd in die Koje...
Die Trolle wachen sicherlich,
rammt mich im Traum´ne Boje.
Da sitzen sie und schauen hinaus
auf die grau bewegte Wasserwüste.
Vorbei gleiten Schiffe, manch´ kleines Haus
an der zerklüfteten felsigen Küste
Sie blicken ziellos konzentriert
auf´ s Smartphone oder ins Buch.
Denn von vorüber ziehender See
hat irgendwann jedes Auge genug.
Der Steward kommt ab und an vorbei
Und er fragt: „Ist alles okay?“
Man nippt am Espresso, man ist so frei.
Und denkt: Ja, natürlich ... But by the way ...
Könnte es so nicht immer bleiben?
Das hielte man gern noch länger aus!
Man lässt so ohne Sorgen sich treiben
und könnt´ in einem fort Verse schreiben.
Doch leider geht´ s bald wieder nach Haus' ...
Bärbel Hohmann