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Süderholzer Blatt
Ausgabe 388/2023
Heimat
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Landpartie nach Quilow

Es gehört zu den wenigen noch erhaltenen Renaissance-Anlagen in M-V; das Wasserschloss Quilow im „Lande Gützkow“.

Lange schien es vergessen, dem Verfall preisgegeben. In der Wendezeit nach 1989 erwog man gar seinen Abriss bzw. die Sprengung!

Die Bemühungen um den Erhalt des Bauwerks sind zahlreich und waren nicht immer von Erfolg gekrönt. Bis man im Schatten der alten Bäume auf dem Schlossgelände an Gartentischen Platz nehmen und einen Kaffee genießen konnte, sollten seit der Übernahme 2007 durch die Stiftung „Kulturerbe im ländlichen Raum“ noch gut ein Dutzend Jahre vergehen. 2020 eröffnete das kleine Café im Erdgeschoss. Unter mächtigen Gewölben fühlt der Besucher sich wie ins Mittelalter zurück versetzt, nachdem er die Ausstellung im Obergeschoss des Hauses erkundet hat. Dabei sind ihm der restaurierte Treppenaufgang sowie das rohe Gemäuer mit Fachwerkwänden, alten Türrahmen und Gebälk sowie die stählernen Arme eines Stahlskeletts aufgefallen. Unter Glasplatten auf Tischen ausgebreitet finden sich einige Fundstücke aus der Geschichte des Hauses: alte Kacheln, Scherben, verbogene Löffel, eine vergilbte Ausgabe des „Neuen Deutschland“ von 1963...

Das Gemäuer ist gesichert, und doch kann man sich des Eindrucks nicht erwehren: Hier ist noch einiges zu tun. -

Der Stuhlkreis unter dem alten Dachgebälk soll Seminarteilnehmer aufnehmen. Ein Klavier verliert sich in diesem Raum. Auf einem Dutzend Tafeln wird Geschichte erzählt... zu viel, um sie vor einem Café - Besuch zu verdauen.

Das Schloss mag zwischen 1560 und 1570 entstanden sein. In einem Lehnsbrief des Pommernherzogs Bogislaw X. werden 1485 Hans und Claus Owstin genannt. Zuvor gehörte das Land dem Kloster Stolpe/ Peene.

Claus von Ploetz, ein Nachfahre der Adelsfamilie, hat die Geschichte des Schlosses Quilow festgehalten; aus dieser Arbeit wird auf den Tafeln zitiert. So ist zu erfahren, dass sich im Obergeschoss des Schlosses eine Schulstube befunden haben mag, unter den Dielen fand man Spielzeug.

Nach 1743 wurden Kamine eingebaut und ein Abort-Erker, der heute noch zu sehen ist. Das Schloss erhielt einen schwedisch - roten Anstrich. Carl Philipp Owstin, der 14 jährig in die preußische Armee eintrat und 57 Jahre lang diente, zuletzt als Generalleutnant, folgte dem Leitspruch: Die Liebe müsse vom Stock ausgehen.- Er habe seine Soldaten, heißt es, sehr geliebt...

Anfang des 19.Jahrhunderts erfolgte eine Modernisierung: der Speisesaal erhielt eine Ausmalung mit italienischen Landschaften und einem blauen Deckengewölbe mit goldenen Sternen. An der herrschaftlichen Tafel habe „höchste Einfachheit“ geherrscht; zum zweiten Frühstück stand als Getränk „Kümmel“ auf dem Tisch, mittags aber wurde ein kühles Glas mit dem „herrlichen Wasser vor dem Schloss“ gereicht.

Unter Friedrich von Owstin herrschte eine besondere Tierliebe: er hielt allerlei Hunde, welche bei Ankunft von Gästen aus ihren Behausungen sprangen und den Neuankömmling stürmisch begrüßten. Ein stolzer Pfau wachte über „Erdbeerdiebe“, und eine Hirschkuh, „der Hirsch“, machte es sich im Schloss behaglich und den Bewohnerinnen oft unmöglich, ihre Kammern zu verlassen, wenn das Tier vor deren Türen sein Lager aufschlug...

Das Gut Quilow war auch in landwirtschaftlicher Hinsicht als Zuchtbetrieb in den Schlagzeilen, als Ernst Peters, Sohn des renommierten Agrarökonomen Fritz Peters, die Wirtschaft übernahm. Unter ihm entstanden im Ort einige Neubauten, wie z.B. das Verwalterhaus und die neogotische Kirche. Damals hatte das Dorf über 200 Einwohner. Heute sieht man nur noch zwei... aus Metall geformt stehen sie zuverlässig am Dorfteich, Bauer und Bäuerin. Lebende Einwohner waren 2020 noch um die 80... Zu sehen ist von ihnen selten jemand, es sei denn, man fährt zum Schloss.-

Immer wieder in seiner Geschichte fanden sich Menschen, die das alte Gemäuer erneuern mussten. Anfang des 20. Jahrhunderts bezog Claus von Ploetz das alte Gebäude, das er wieder instand setzte. Mit einer historisierenden Modernisierung erfolgte die Elektrifizierung des Gutes. Eine Feldbahn führte bis an die Peene.. Dann kamen Krieg und Verwüstung, der gesellschaftliche Umbruch und später ein langjähriger Leerstand...

Investoren kamen und gingen. Ein Förderverein rang um Konzepte und zerstritt sich. Es brauchte einen langen Atem und viel Geld: Der Förderbescheid für 2007 war ausgestellt auf 3,5 Millionen Euro; 2020 beliefen sich die Kosten für die Arbeiten auf 4,9 Millionen Euro. -

Außer der enormen finanziellen Unterstützung bedurfte es kompetenter fachlicher Begleitung und unverzagten persönlichen Engagements. Auf einer der Tafeln wird verraten, wem besondere Ehre gebührt.

Mit dem regelmäßigen Betrieb des Schlosses als touristische Basisstation und dem Café kommt wieder Leben ins Dorf und aufs Land. Das alles wird im Wandel bleiben.

Solches bedenkend bei einer wohlschmeckenden Tasse Kaffee und einem selbst gebackenen Stück Kuchen gibt ein gutes Gefühl Hoffnung:

Diese Geschichte wird weitergehen.

Bärbel H.