„Ostdeutschland kann er gerne haben, ohne die blöden Ossis gings uns besser. Er soll dann aber bitte Abstand zahlen für die sanierten Straßen und Häuser. Und bitte gleich alle AFDler zwangsverschicken nach Ostdeutschland. Und Andy Scheuer!“ schreibt Albert Einstein II in einem Forum über die (vermuteten) Absichten Wladimir Putins.
Albert Einstein, der richtige, würde sich im Grabe umdrehen über solchen Blödsinn, der in seinem Namen auf einem Internetforum Verbreitung findet. Aber das Genie wusste bekanntlich, dass Weltall und menschliche Dummheit unendlich sind. Bei letzterem jedenfalls war er sicher.-
Aus dem nicht ganz fehlerfreien Zitat geht hervor, dass sein Urheber jenseits von Elbe und Werra Zuhause sein mag, nämlich im Westen der Bundesrepublik. Und es offenbart wie durch ein Brennglas, was Dirk Oschmann, Professor für Neue deutsche Literatur an der Universität Leipzig in seinem Sachbuch unter dem Titel „Der Osten: eine westdeutsche Erfindung“ erläutert.
Das Buch stellt laut Vorwort „die erweiterte Fassung eines Artikels (in der FAZ vom 4.Februar 2022) zur innerdeutschen Gemengelage dar“. Im Blick auf die gegenwärtige Situation bedeutet es mit den Worten seines Verfassers, dass „es dabei um den krisenhaften Zustand der Demokratie selbst geht, ja um ihre Überlebenschancen in Deutschland.“ Die Dinge lägen so klar auf der Hand, „dass man sie nur einmal freimütig aussprechen“ müsse; im Grunde sei das nichts Neues.
Dennoch wird Oschmann in der Wochenzeitschrift DIE ZEIT vom 9.3.23 angegangen, das Buch sei „eine einzige Übertreibung“, denn (mit Oschmanns Worten) „der Westen“ sehe „im Osten das prinzipiell Rückständige, Unkultivierte, Barbarische... Hässlichkeit, Dummheit, Faulheit“ genauso wie „Rassismus, Chauvinismus, Rechtsextremismus und Armut“. Den entschiedenen Ton mag man „unterhaltsam oder unangemessen“ finden; schwerer hingegen wiege der „Denkfehler“ darin, weil „das größte Problem des Ostens ...nie der Westen gewesen“ sei. Meint DIE ZEIT. Denn: Ostdeutsche müssten selber sehen, „wie sie zu ihren Chancen“ kämen.
Was in der Konsequenz wohl bedeutet, dass der Osten gerne wieder hinter einer Mauer bzw. dem Eisernen Vorhang eines Kalten Krieges verschwinden und Teil von Putins Reich werden kann? -
Es war der Russe Michail Gorbatschow, einer der Architekten des „gemeinsamen Hauses Europa“, der mit seiner Politik Ende der Achtziger vorigen Jahrhunderts die deutsche Wiedervereinigung ermöglicht hatte und der später die Arroganz des Westens beklagte, mit welcher gegebene Zusagen ignoriert und östliche Sicherheitsbedürfnisse missachtet wurden.
Der Autor o.g. Titels ist kein Politikwissenschaftler, er ist Germanist.
Aber als solcher ist er ein akribischer Beobachter gesellschaftlicher Entwicklungen, die sich in der Sprache spiegeln. Im Kapitel 3 „Wer oder was bin ich?“ spürt er den Erfahrungen seiner DDR-Jugend in der Wendezeit und in den Jahren nach 1989 nach. So schreibt er:
„Statt sich gemeinsam eine neue Verfassung und eine neue Hymne zu geben, verfiel der Westen auf ein Programm, das er sinnigerweise >Aufbau Ost
Besonders eindrücklich ist dem (ostdeutschen) Leser, wie nach der Wende dem „Undercover - Ossi“ unter Verleugnung seiner Herkunft trotz westlicher Überrepräsentanz auf höheren Universitätsebenen des Ostens die wissenschaftliche Karriere gelang...
Oschmann, so aber DIE ZEIT, „unterstellt dem Westen, kenntnislos und boshaft über den Osten zu sprechen. Nur um dann ein Buch zu schreiben, in dem er kenntnislos und boshaft über den Westen schreibt“.
Das sei „so etwas wie ausgleichende Ungerechtigkeit“.
Ein etwas dürftiges Fazit, im Blick auf das eingangs Zitierte! -
Immerhin halte seine „Wutschrift“, so die ZEIT-Kritik „eine Debatte am Laufen“. Eine hoffentlich einmal klärende, ehrliche Debatte, geführt mit offenem Visier. Sie wäre überlebensnotwendig, weil es in ihr um nichts weniger geht als um die Zukunft dieses Landes in gewendeten Zeiten!