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Süderholzer Blatt
Ausgabe 390/2023
Leserbriefe
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Kommentar zum Leserbrief U. Hagemann im Süderholzer Blatt Nr. 389 / 2023

Selektive Wahrnehmung vs. Faktencheck

Der Leserbrief des Herrn Hagemann im Süderholzer Blatt Nr. 389 / 2023 kann m.E. nicht unkommentiert bleiben.

Abgesehen von der Frage, was eine ungefragte private Meinungsäußerung zu vermeintlich bewußt desinformierenden Medien in einem amtlichen Mitteilungsblatt verloren hat, ist der erneute verschwörungstheoretische Erguss des Herrn Hagemann (s.auch Süderholzer Blatt Nr. 387 / 2023) wirklich schwer erträglich.

Mit gesundem Halbwissen und vermeintlicher Recherchekompetenz wird ein krudes Medienbild gezeichnet, das der Verfasser des Leserbriefs enttarnt haben will. In Wirklichkeit zählt er wild durcheinander Behauptungen und Unwahrheiten auf.

Dass er sich dabei, wie unschwer herauszufinden ist, auf bewußte Falschmeldungen, die z.B. von der AfD-Co-Vorsitzenden Alice-Weidel verbreitet wurden, bezieht verschweigt er lieber. Denn übersehen hat er es sicher nicht, weil er doch vorgibt, so ein versierter Kenner der Medienlandschaft zu sein:

https://dpa-factchecking.com/luxembourg/221111-99-481047/

https://www.tagesschau.de/faktenfinder/coronavirus-ansteckung-101.html

Es ist wissenschaftlich unbestritten, dass die in Europa und den USA zugelassenen SARS-Cov-2-Impfstoffe Millionen Menschen das Leben gerettet haben. Die Zulassung bzw. Empfehlung der Zulassung dieser Impfstoffe erfolgte federführend durch die beiden weltweit strengsten Arzneimittelbehörden (FDA u. EMA sowie nachfolgend nationale Behörden, z.B. BfArM in Deutschland), und zwar nicht, wie behauptet, ungetestet.

Vielmehr war die Testphase VOR der Zulassung eine der aufwändigsten, die je Arzneimittel durchlaufen haben. Alle zugelassenen Impfstoffe, sowohl die mRNA- wie auch die vektorbasierten Produkte, wurden JEWEILS an mehreren zehntausend Probanden klinisch getestet, und zwar nach den international geltenden Standards der „Good Clinical Practice“, formuliert in der Deklaration von Helsinki.

https://www.pei.de/SharedDocs/FAQs/DE/coronavirus/sicherheit-wirksamkeit-impfstoff/2-coronavirus-impfstoff-covid-19-an-wieviel-personen-impstoff-test.html

Wer nur ein ganz klein wenig von Arzneimittelzulassungen versteht, weiß, wie aufwändig und akribisch das Monitoring eines solchen Prozesses ist.

Außerdem wurden, und das war ein Novum und zusätzlicher Sicherheitsschritt, die Hersteller im Rahmen der seinerzeitigen sog. Notzulassung verpflichtet, den Arzneimittelbehörden fortlaufend neue Daten, auch aus laufenden Studien, zur Verfügung zu stellen. Diese Verpflichtung besteht bis heute fort.

So gehören die Daten zu den Corona-Impfstoffen zu den detailliertesten Arzneimitteldaten, die es je gegeben hat.

Es ist kein Geheimnis, sondern Allgemeinwissen, dass keine medizinische Intervention, dazu gehören auch Impfungen, ohne potentielle Risiken und eventuelle Nebenwirkungen ist.

Jede Ärztin und jeder Arzt ist verpflichtet, den zuständigen Behörden den VERDACHT einer Arzneimittelnebenwirkung zu melden. Dieser Pflicht kommen alle verantwortungsvollen Ärztinnen und Ärzte nach. Die Prüfung der Verdachtsfälle erfolgt durch Experten, die nur ihrer fachlichen Kompetenz und nicht irgendwelchen politischen Einflußnahmen oder Vorgaben verpflichtet sind.

Durch die millionenfache Verabreichung der Covid-Impfstoffe werden auch seltenste Nebenwirkungen demaskiert, geprüft und therapiert. Daher wissen wir inzwischen verläßlich, dass die Häufigkeit schwerer und schwerster Nebenwirkungen bei unter 1 / 10.000 Impfungen liegt. Für jeweils Betroffene ist das kein Trost, aber daraus zu konstruieren, dass hier gefährliche, ungetestete und unwirksame Substanzen verabreicht wurden, ist völlig abwegig und absurd.

So könnte man fortfahren, die Halb- und Unwahrheiten des Leserbriefs auf Basis wissenschaftlich erbrachter Belege nacheinander klarzustellen. Aber das würde den Rahmen eines Kommentars im Süderholzer Blatt sprengen.

Dr. Bernd Müllejans, Behnkenhagen