Der Museumsverein e.V Grimmen lädt regelmäßig ein zu Vortrag und Gespräch, z. B. in das Alte Gemeindehaus in der Mühlenstraße (gegenüber vom Museum). In der Ostsee- u. a.. Zeitungen wird auf diese Veranstaltungen hingewiesen. Heimatbezogene Themen stehen im Mittelpunkt von sachkundigen Referaten, auch sprichwörtliche „Gänge durch die Geschichte“, wie demnächst geplant, finden statt. Am letzten Februar-Abend dieses Jahres lautete das Thema: Die Grimmer Hexenprozesse am Ende des 17. Jahrhunderts. -
Das Thema schien von großem Interesse, bald mussten zusätzlich Stühle in den Gemeinderaum gebracht werden. Prof. Dr. Stefan Kroll, Historiker an der Universität Rostock, referierte anderthalb Stunden bzw. beantwortete Fragen des zahlreich erschienenen Publikums.
Die Hexenverfolgungen im Mittelalter sind ein zu komplexes Phänomen, als dass man sie nur in eine Richtung interpretieren könnte. Bei Google heißt es dazu: „... Verfolgung und Hinrichtung von Menschen, die nach Auffassung der Kirche zur Erlangung übernatürlicher Kräfte einen Bund mit dem Teufel geschlossen hätten. Der Hexenwahn grassierte vor allem zwischen 1430 und 1780.“ Die katholische Kirche hatte für Andersgläubige die Inquisition eingerichtet. Auf dem Scheiterhaufen verbrannten sogenannte Ketzer. Den Flammentod hatten sie gemein mit den drei in Grimmen auf dem Scheiterhaufen verbrannten Frauen, die in den letzten Jahren des 17.Jahrhunderts als Hexen „besagt“ worden bzw. verschrien waren.
Der Historiker Stefan Kroll stellte mithilfe digitaler Technik anschaulich dar, wie die Grimmener Hexenprozesse miteinander korrespondierten. Eine Erkenntnis des Abends: Anna Maria Kröger, geb. Hermann, deren Flammentod auf einem Relief in Rathausnähe dargestellt ist, war nicht die letzte Frau in Grimmen, die auf dem Scheiterhaufen ihr Leben ließ. -
Warum aber kam es zu solchen Prozessen?
In einer kleinen Stadt wie Grimmen, nach den kriegerischen Ereignissen des 17. Jh. in der Bevölkerungszahl dezimiert auf wenige Hundert Einwohner, wo jeder jeden kannte, gerieten außergewöhnliche Ereignisse rasch in den Verdacht, durch teuflische Mächte hervorgerufen zu sein.
Wie aber kam der Teufel in des Bürgermeisters Stall oder in die Stube der Nachbarin? - Es ging um „Schadenszauberei“: Warum war die beste Kuh gestorben? Warum ein Kind auf den Tod erkrankt?
Erklärungen mussten her, und wo das entsprechende Wissen fehlt, fängt der Aberglaube an ...: Da waren sogenannte „Zugezogene“, wie die Philip´sche, die Frau des Baders, schnell unter Verdacht. Die hatte ohnehin einen schlechten Leumund, ihr wurde hinterher geredet, ihr wurde angehängt, was der „gute Bürger“ verachtete, sie wurde für alles Rätselhafte verantwortlich gemacht - das Mobbing vergangener Zeiten. Nur gehört dieser Begriff ins Heute und beschreibt doch ein altes Phänomen: die Ausgrenzung von allem Nicht-Konformen. Als schuldig erklärt wurden jene, die „nicht ins Bild“ passten, schon immer irgendwie suspekt wirkten: Fremde, Andersdenkende ... Wer konnte verantwortlich sein für unerklärliche Phänomene wie schwere Krankheit und plötzlichen Tod? - Wen konnte man als Sündenbock aus der Stadt vertreiben? Schlimmstenfalls endete die Verächtlichmachung in Isolation und Vernichtung! Dass es damals keine sozialen Medien gab, macht die Sache nicht einfacher: Der Witwer der hingerichteten Badersfrau musste die Gerichtskosten selbst begleichen und geriet dadurch in den Ruin ...
Und wer saß zu Gericht über die Delinquenten?
Das waren Ratsherren und Bürgermeister, „honorige“ Leute also, aber selten Rechtsgelehrte. Nicht, dass es völlig willkürlich zuging bei solchen Verfahren! In der Constitutio Criminalis Carolina war festgelegt, wie zu verfahren war. Die Schuldschwere war abhängig von der Gesamteinstellung des Täters. In Grimmen wurden die juristischen Fakultäten benachbarter Universitäten, wie Greifswald und Frankfurt /Oder angerufen, um Auskunft zu erhalten, wie das Verfahren fortzusetzen war. Dennoch blieben die Rechte des Täters, in manchen Fällen waren das Männer, auch unmündige Kinder, sehr beschränkt. Manchem gelang, sich im Wortsinn aus der Schlinge zu ziehen; d.h. der Reheberg´schen gelang die Flucht aus dem Kerker durch Abseilen an zusammengeknoteten Bettlaken. Ihr Mann wurde daraufhin genötigt, die Stadt zu verlassen.
Die damalige Rechtsprechung hatte für die Angeklagten selten Recht parat.
Dafür blühten Denunziation und Missgunst. „In Grimmen soll es nicht stimmen.“ Das Wort kommt nicht von ungefähr!
Die Grimmer Hexenprozesse ausgangs des 17. Jh. befinden sich am Ende einer Welle von Hexenverfolgungen im Raum Mecklenburg und Pommern.
Mit der Aufklärung ändern sich die Verhältnisse, nicht aber grundlegende Fragen im menschlichen Miteinander.
Was Wunder, dass man sich angesichts der Ereignisse vor mehr als 300 Jahren noch heute erinnert fühlt, z. B. an die Verschwörungstheorien während der Pandemie-Zeit. Damals wurden einzelne Personen auf dem Scheiterhaufen „geopfert“, heute sind ganze Völker bedroht. -
Leider scheint die Suche nach einfachen Lösungen noch immer lukrativ zu sein. In einer komplexeren Welt aber kann das gefährlich werden.
Die Scheiterhaufen der Moderne stehen längst bereit ...