Herrenhaus Vanselow mit Blick zur Tollense
Mysteriöse Steinplatte in Nähe von Burg Osten: wer schaffte sie her und warum?
Die Stadt Demmin, wo drei Flüsse Vorpommerns, Trebel, Tollense und Peene zusammenfließen, bietet sich als Ausgangspunkt für kleine Entdeckungstouren durch eine gewässerreiche Landschaft an.
Wir starten allerdings von Siedenbrünzow aus, wenige Kilometer von der alten Hansestadt entfernt, wo es mitten im Ort einen Parkplatz gibt, auf dem das Auto für die Dauer der Tour kostenlos abgestellt werden kann. Die Strecke, zumeist flach und eben, mit nur wenigen Steigungen, ist auch mit einfachen Tourenrädern zu bewältigen. Diese Fahrradfahrt unternahmen wir bei herrlichem Sonnenschein, aber kaltem Ostwind.
Zunächst folgen wir der ehemaligen Bahnstrecke in Richtung Demmin (hier verläuft der Weg parallel zur B 110) und biegen an der Kreuzung von Radweg und Chaussee nach links ab in Richtung Tollense, die hier von einer Brücke überquert wird. Auf der anderen Uferseite liegt Sanzkow. An der kleinen Dorfkirche vorbei führt der Weg in einiger Entfernung zum Fluss an Wiesen und einem Höhenzug entlang. Nach wenigen Kilometern - je nach Tageszeit in Begleitung von Vogelgesang - erreicht man Roidin.
Das heißt: zunächst kommt man zu der ehemaligen Wassermühle, die – einst dem Verfall preisgegeben – nun schon seit mehreren Jahren auch mit Mitteln der Deutschen Stiftung Denkmalschutz wieder hergestellt wird. Dieser langwierigen Aufgabe hat sich Pfarrer Christian Bauer verschrieben. Immerhin konnten wir bei unserem diesmaligen Besuch schon einige Fortschritte erkennen; zwei Handwerker arbeiteten auf dem Mühlengelände an einem Nebengebäude. Schautafeln informieren über die Geschichte dieser ehemaligen Wassermühle sowie über andere Mühlen in der näheren Umgebung, z.B. in Zachariae, Leistenow, Broock, Hohenbüssow und an der Burg Osten. Die Roidiner Mühle arbeitete als Sägemühle und fand bereits in schwedischen Matrikelkarten Erwähnung.
Auch die Wassermühle der Burg Osten existierte wohl noch am Ende des 17. Jahrhunderts. Heute ist dort leider nichts dergleichen mehr zu erkennen. Wir hofften, die Grundmauern der Burgruine ausfindig machen zu können, welche im Wikipedia-Bilderarchiv zu besichtigen sind, allerdings auf Fotos, die vor fast 20 Jahren gemacht wurden. Aber wir waren enttäuscht: Das Wenige, was hätte zu sehen sein können, war von Gestrüpp überwuchert. Und niemand der uns dort begegnenden einheimischen Spaziergänger schien je von einer Burg gehört zu haben... Diese war im Rahmen der Ostsiedlung im 13.Jh. als Familiensitz derer von Osten erbaut und eine stattliche Wasserburg gewesen. Um 1330 war Ludolf von Maltzahn der Burgherr, und er baute sie aus zu einem der mächtigsten pommerschen Adelssitze. Im 30 jährigen Krieg wurde das mittelalterliche Bauwerk zerstört und verlor seine bisherige Bedeutung. Nur der Name der Brücke in Burgnähe erinnert noch heute an ihre Existenz.-
Gegenüber der Kapelle in Roidin befindet sich ein Weg in Richtung Wald. Leider gibt es kein Hinweisschild. Der Weg führt bergan. Wer ausschließlich per Muskelkraft unterwegs ist, wird an manchen Stellen im Wald sein Rad schieben müssen. Aber man wird entschädigt durch die wildromantische Umgebung: Wasser blinkt zwischen hoch aufragenden Laubbäumen hervor. Weniger romantisch wird es, wenn die Wege aufgewühlt sind durch Forstarbeiten! Nicht ohne Grund ist die Durchfahrt für Motorisierte untersagt.
Aber wenn man alle Hindernisse bewältigt (Tipp: An den Wegkreuzungen halte man sich rechts) und den Wald hinter sich gelassen hat, öffnet sich ein beeindruckender Blick in die Weite des Tollense- Tales!
Durch das Straßendorf Buchholz radelt man nun mühelos gut einen Kilometer in selbiges hinab und sieht schon bald Schloss Broock mit seinem Lenne-Landschaftspark und dem Linden-Rondell. Die Ruine befindet sich im Wiederaufbau, wie ein sie überragender Kran verrät. Das Baugeschehen kann auch in einem Bautagebuch im Internet verfolgt werden. Die Notsicherung soll 2024 abgeschlossen werden. Prominente Unterstützung kommt von Bund, Land und schon erwähnter Stiftung. - Das Nutzungskonzept der Schloss Broock GmbH&Co KG sieht vor, das „mittlerweile größte Gutshaus-Projekt in M-V“ zu einem „nachhaltigen Zentrum für Tagungen, Kultur und Veranstaltungen“ auszubauen. Ein Flyer informiert, welche Wandlung im Einzelnen Gutshaus, Stallungen, Scheune usw. erfahren sollen. Neben Gastronomie, Veranstaltungsräumen, Beherbergung u.ä. sind auch ein Badehaus, Sauna, und Yoga-Räume vorgesehen. Kurz: Schlossgut Broock soll zum Zentrum des Tollense- Tourismus werden! Etwas bescheidener, aber gut angenommen ist ein kleines Cafe am Rande des Gutshofes. Hier konnten wir nach zweistündiger Fahrt schon einmal Broocker Spezialitäten kosten, das heißt: eine Kaffee-Pause einlegen. Die Einrichtung, die sich auch als Dorfladen, Biergarten und Touristeninformation versteht, ist „familienfreundlich, regional, nachhaltig und kommunikativ“, geöffnet: mittwochs bis samstags von 13.30 bis 19 Uhr sowie sonn- und feiertags von 11 bis 17 Uhr. (Infos laut aktuellem Flyer).
Gestärkt setzen wir unsere Fahrt fort, nun in Gegenrichtung bzw. am Nordufer der Tollense entlang. Hatten wir den Wind bis dahin im Gesicht, so wird er uns die letzten Kilometer schieben... Wie angenehm!
Bei Alt Tellin überquert man den Fluss beinahe unbemerkt, denn der schlängelt sich durch die Wiesen; wir konzentrieren uns auf das Kopfsteinpflaster, genießen aber auch das Landschaftspanorama mit grasenden Pferden, Holländer-Windmühle und barocker Kirchturmspitze und fahren auf asphaltierter Landstraße in Richtung Schmarsow weiter.
Hier erregt ein großes, schlossartiges Gebäude mit zwei Flügelanbauten die Aufmerksamkeit des Besuchers. Die Giebel der Anbauten sind mit Voluten verziert, was dem Herrenhaus in Schmarsow etwas Majestätisches verleiht. Das Gebäude wurde u.a. aus Steinen der schon erwähnten, zerstörten Ostenburg errichtet. Nach einer wechselvollen Geschichte ist das Areal im Jahr 2000 von der Gemeinde an Privat verkauft worden. Im sanierten Herrenhaus kann man Urlaub machen, Kochkurse buchen, Konzerte erleben und Gesellschaftsräume zu Veranstaltungszwecken mieten...Verspricht jedenfalls die entsprechende Website.-
Gleich nebenan befindet sich die kleine Dorfkirche mit einer vor kurzem sanierten Orgel aus dem 19.Jh., erbaut vom Demminer Orgelbauer Nikolaus Fischer. Eine besondere Entdeckung am Straßenrand ist ein kleiner Obelisk, in welchem eine Terrakotta - farbene Tafel eingelassen ist. Zu lesen: „Gustav Reichardt; Komponist, geb.18.11..1797 in Schmarsow, gest. 19.11.1884 in Berlin so wie Charles Voss, Komponist und Klaviervirtuose, geb. 20.9.1815 in Schmarsow – gest.29.6.1882 in Verona“. Und Staunen: wer hätte hier so etwas erwartet?
Auf dem Weg nach Vanselow, dem letzten Ort, bevor wir unseren Parkplatz wieder erreichen, fällt uns die Aufschrift an einem etwas abseits stehenden Gebäude auf: „Bhf. Schmarsow“; das erinnert an ein ehemals weitverzweigtes Schienennetz für Schmalspur- und Kleinbahnen. Zugverkehr gibt es hier jedoch schon lange nicht mehr ...
Wir passieren eine moderne Biogasanlage eingangs des Ortes Vanselow. Großzügig dehnen sich die restaurierten Wirtschaftsgebäude des ehemaligen Gutes entlang der Straße zum Herrenhaus, einem Putzbau von 1871, dessen Geschichte dem vorigen in Schmarsow ähnelt: Krieg, Enteignung, Flüchtlingsquartier, dann Konsum, LPG-Büro... Mortimer von Maltzahn kaufte 1990 das Gebäude zurück, restaurierte es und betrieb bis 2003 ein Hotel. Heute wird das Haus privat genutzt. Gegenüber befindet sich im parkartigen Areal eine neogotische Kapelle, errichtet auf den Mauern des Vorgängerbaus aus dem 15.Jh. Leider bleibt auch ihre Tür verschlossen wie zuvor die Türen der anderen Kirchenbauten.-
Die nach vier Stunden Fahrt auf dem Tacho schließlich angezeigten 33 Kilometer erschienen uns länger, wohl aufgrund der Fülle von Eindrücken. Landschaft, Kultur und Geschichte an diesem Flussabschnitt bieten ungeahnte Kurzweil und regen an, sich mit einzelnen Wegmarken im Nachgang näher zu beschäftigen. Mit Wind und Sonne im Einklang ist es zudem ein überwiegend angenehmes Radeln: auf meist festen Wegen (witterungsabhängig!) und asphaltierten verkehrsarmen Nebenstraßen.
Eine Fahrradrunde zum Erkunden der näheren Heimat, die schon darum empfehlenswert ist!