Schon lange bin ich am Überlegen, was eigentlich ein Dichter ist. Ist das jemand, der einfach an irgendetwas dichter dran ist als andere? Und wenn ja, woran ist er dann dichter dran? Und warum reicht nicht dicht an etwas dran sein, wovon andere weit entfernt sind? Warum muss es dichter sein?
Er hieße dann einfach „Dicht“ und einer, der gut im Dichten ist, hieße dann „Dichter“ und einer, der sehr gut ist würde dann „Dichtester“ heißen, oder? Na gut, die Frage ist einfach zu beantworten. Substantive, also Hauptwörter werden nicht gesteigert. Es bleibt also bei der Bezeichnung Dichter. Ob gut oder schlecht dafür müssen dann entsprechende Eigenschaftswörter herhalten. Die haben es allerdings oft nicht leicht mit den Dichtern.
Vielleicht bekommen wir ja über sein Tun mehr darüber heraus, was ein Dichter denn nun ist. Es hat auf jeden Fall etwas mit Schreiben zu tun. Schreiben allein macht allerdings noch keinen Dichter. Was also zeichnet einen Dichter aus?
Ein Dichter dichtet. Es kann durchaus sein, dass er nur ab und an dichtet. Etwas ganz anderes ist es, wenn er abdichtet. Das hat dann nichts mit Klempnerarbeit und Wasserrohren zu tun, sondern dann hat er schlicht irgendwo abgeschrieben. Das ist natürlich nicht gut. Beim Dichten nicht und schon gar nicht bei Doktorarbeiten. Andichten ist auch nicht die feine englische Art. Da wird nämlich jemand anderem irgendetwas in meist unguter Absicht zugeschrieben, was auf diesen gar nicht zutrifft oder dieser gar nicht gesagt oder getan hat.
War früher das Erdichten oder Hinzudichten im Wesentlichen Anglern, Jägern, Wahrsagern und Stammtischbrüdern oder -schwestern vorbehalten, hat es heute eine deutlich größere Verbreitung gefunden. Erdichten oft verbunden mit Andichten finden wir in sozialen Medien genauso, wie in der Politik oder in den klassischen Medien. Neuerdings sogar bei der Polizei (nicht etwa irgendwo, sondern in MV). Zitat aus der OZ vom 19.06.24, S. 16: „In den vergangenen Wochen haben sich Meldungen der Polizei [in der Presse] im Land gehäuft, die zunächst für Aufsehen gesorgt hatten, bei denen genauere Ermittlungen aber ein [ganz] anderes Bild ergaben.“ Diejenigen, die das tun sind damit noch lange keine Dichter. Ich würde sie als Undichter bezeichnen, weil sie Unsägliches sagen und damit oft schaden. Und, weil sie oft an sprachlicher Undichtigkeit leiden und sich zu Wort melden ohne vorher nachzudenken. Sollte dahinter allerdings eine Absicht stecken, wäre das äußerst übel und wäre es „ein sehr unglückliches Zusammenspiel von Politik und Medien“, wie von der innenpolitischen Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion in MV gemutmaßt (OZ vom 19.06.24, S. 1), wäre das nicht sehr unglücklich, sondern außerordentlich bedenklich.
Verdichten gibt es zum Beispiel im Straßenbau. Beim Dichter bedeutet Verdichten natürlich nicht, dass sich der Dichter vertan hat beim Dichten. Vielmehr bedeutet es eine Idee oder ein Gefühl mit ganz wenigen Worten so auszudrücken, dass jeder sie sofort versteht. Das sollten Politiker mal versuchen! Vielleicht würde das ja helfen. Sie sollten aber nicht beim Verdichten bleiben, sondern auch etwas tun und sich möglichst nicht vertun.
Wahre Dichterwerke dienen der Unterhaltung oder Aufklärung oder Beidem. Das Undichten dient genau dem Gegenteil davon. Bei den ganzen Überlegungen bleibt nur die Gewissheit ganz dicht dran zu sein an einer wie auch immer gearteten Erkenntnis über das Dichtersein oder über das, was ein Dichter tut. Die Erkenntnis selbst bleibt allerdings im Dunklen egal wie dicht wir dran sind.
Wichtig ist, dass jeder das, was er tut, gut tut, sonst ist er ein Tunichtgut. Und das tut gar nicht gut. Das gilt übrigens für alle, auch für Dichter und erst recht für Politiker. Dummerweise ist oft nicht erkennbar, ob es sich um einen Tunichtgut handelt oder nicht. Der eine oder andere weiß es nicht einmal selbst, dass er einer ist, was die Sache erheblich schwieriger macht. Eines steht allerdings fest, falls es nicht klappt mit dem gut tun, muss man nicht gleich aufgeben, denn jeder ist steigerungsfähig – wenn er wirklich will.