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Süderholzer Blatt
Ausgabe 403/2024
Heimat
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Kennen Sie Penkun?

Schloss Penkun

im Turmzimmer

die Schlossküche

das "Schulzimmer"

Festhalle im unteren Bereich des Schlosses

Luftballons mit Wünschen gen Himmel gesandt von jungen Penkunern

Eindrücke am Rande Vorpommerns

Waren Sie schon einmal dort?

Bei Fahrten in Richtung polnischer Grenze bzw. Odertal/ Schwedt fällt der Ortsname gelegentlich in den Blick auf Straßenhinweisschildern, und man überlegt, was es in Penkun Bemerkenswertes zu sehen gäbe.

Woldegk, Strasburg und Friedland kennt man, Kleinstädte im östlichen Teil von M-V, an denen man gewöhnlich vorbei, durch die man selten hindurch fährt. Doch was führte einen je nach Penkun?... Im „Dehio“, dem Standard- Nachschlagewerk aus DDR-Zeit, existiert der Ort so wenig wie die einstige Kreisstadt Pasewalk! Inzwischen kann man dank Internet und Webpräsenz auch ohne direkten Augenschein sich umfassend über solche Orte informieren. Und so ist u.a. zu erfahren: Penkun liegt unweit der Autobahn 11, dreißig Kilometer entfernt von Stettin. Ein Stadtbrand in der Mitte des 19.Jahrhundert hatte große Teile der historischen Bausubstanz der Altstadt zerstört. Der letzte Jahrmarkt fand zu Beginn des 20.Jahrhunderts statt. Und dann schien die kleine Landstadt von der Geschichte vergessen. -

Aber es gibt ein Schloss, in welchem sich um touristische Gäste bemüht wird!Informationen und entsprechendes Material sind hier zu bekommen. Nur schöne, ebene Radwege wie entlang der Oder gibt es hier nicht. Die reizvollen Landstraßen, die sich hügelauf - und ab durch die weite, von der Eiszeit geformte Landschaft schlängeln, sind nicht jedermanns Sache. Und Radtouristen, die vorbei kommen, hätten es - so ist zu hören - immer recht eilig.-

Das zeigt sich am Schloss, wo wir die einzigen Besucher an diesem Vormittag sind.

Im Schloss von Penkun befindet sich ein Museum, das man zu besichtigen sich die Zeit nehmen sollte.

Die mittelalterliche mehrflügelige Gebäude-Anlage befindet sich am nordwestlichen Rand der Stadt, und ein Parkgelände mit reich gegliedertem Gewässer ist dicht dabei; die größte Wasserfläche gehört dem „Schlosssee“.

Wir nähern uns auf historischem, holprigem Pflaster unter schattigen, alten Allee-Bäumen dem Ort, der auf Grenzland gegründet wurde. Auch heute noch stoßen hier Ländergrenzen aufeinander, die von M-V und Brandenburg so wie die von Polen.

Am Torbogen über dem Eingangsgebäude sind Handwerker zugange. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz investiert hier, und es ist augenfällig: die Investition in die Dachhaut dürfte nur eine von vielen Baustellen auf dem weitläufigen Gelände sein.

Auf dem Schlosshof vernehmen wir Stimmen; auf einer Wiese sind Jugendliche versammelt und sie lassen weiße Ballons in den Himmel steigen. Das gibt schon ein imposantes Bild! Ungezählte Luftballons, die kleine bunte Päckchen in den Himmel tragen. Später erfahren wir, das sei so Tradition hier … am achten Mai. Ältere wissen: Das wurde früher mal der „Tag der Befreiung“ genannt.

Mancher Ort hier im Osten in Grenznähe zeigt noch nach Jahrzehnten Spuren der Befreiung, den Preis des Hitler - Krieges, wie z.B. Gartz an der Oder, wo das ehemalige Zentrum des Ortes noch immer ein weiter, freier Platz ist und die stereotypen Bauten der Nachkriegszeit eine gewisse Trostlosigkeit erzeugen.

Penkun hingegen wirkt auf den ersten Eindruck ländlich - gediegen: kleine Häuschen, ebenerdig, maximal einstöckig, säumen die huckelige Straße in Richtung Zentrum, wo sich der neogotische Bau der Kirche über die Häuser erhebt.

Ich denke an die Jugendlichen im Schlosshof: Was wohl auf den bunten Zetteln stand, welche sie mit ihren Ballons ins Himmelsblau sandten? - Leider kann ich sie das nicht fragen ...

Wir suchen den Eingang zum Museum. Die Tür zum Schloss ist mit Klappschildern verstellt. Hinein gelangt man nur über den Besuch des ehemaligen Zollhauses. Hier ist die jüngste Geschichte untergebracht. Zu sehen sind allerlei Militaria, Uniformen des deutschen und des polnischen Grenz- und Zollwesens. Fahnen, Abzeichen, Fotos. In der oberen Etage: Hobby-Produkte. Die Puppensammlung einer eifrigen Sammlerin. Die filigranen Bastelarbeiten eines Schiffskenners: Galeeren und Galeonen. Das Sammelsurium im Zollhaus beherbergt noch viel mehr, auch Sonderausstellungen.

In den 44 Räumen des alten pommerschen Schlosses mit seinen 190 Fenstern, gegründet auf Burgmauern aus dem 12.Jahrhundert, befinden sich auf einer Fläche von ca.1720 Quadratmetern Exponate aus dem Bereich des pommerschen Gerichtswesens, ein Schulzimmer (nach dem Krieg waren hier auch Schulklassen untergebracht), Tierpräparate, alte Möbel, Radios, Nähmaschinen und alte Fotografien. Frühere Schlossbesitzer waren u.a.die Familien von der Schulenburg und von der Osten. In den letzten Jahren vor der Wende sei das Schloss baufällig gewesen, denn von den vielen wechselnden Nutzern (LPG-Küche; Berufsschulinternat) habe niemand in den Erhalt des Gebäudes investiert. Was heute am baulichen Zustand in den oberen Räumen noch zu erkennen ist.

Schließlich habe das Schloss gesprengt werden sollen! - Die Empörung über diese Absicht steht der betreuenden Frau aus dem Museumsverein noch ins Gesicht geschrieben. Hätte es da nicht ein paar ehrenamtlich Engagierte vor Ort gegeben, die das zu verhindern wussten! ...

Seit 1991 wurde das Schloss baulich saniert. In der unteren Etage erhält der Besucher einen Eindruck von der ursprünglichen Raumgestaltung zur Renaissancezeit: Opulente Portale, Deckengestaltung und Gewölbe. Verlässt man diese jedoch, steht man unter nacktem Backstein auf ausgetretenen Treppenstufen. Und die oberen Räume mit schadhaftem Putz und löchrigen Decken wecken eher den Eindruck, einen alten Speicher zu betreten, worin sich die abseitige, alten bäuerlichen Verhältnissen nachempfundene Schlafkammer und der Klassenraum aus den Fünfzigern vorigen Jahrhunderts beinahe fremd ausnehmen. Der „Rundgang durch verschiedene Zeitepochen“ lässt einen trotz frühlingshaften Temperaturen draußen frösteln.

Es gäbe keinen Strom und kein Wasser im ganzen Gebäude! Im Winter würde so ein Rundgang zum Abenteuer. Darum ist das Museum auch nur von April bis September geöffnet.

„Ein Besuch, der sich lohnt,“ wirbt ein Plakat für diese „Schatzkammer der Region“. Das Schloss gehört der Stadt Penkun und stehe zum Verkauf, heißt es da noch. Aber darunter ist das Wörtchen „nicht“ ergänzt... Ja, was nun?

Ein Verein von knapp einem Dutzend Enthusiasten wird dieses Schloss allein nicht retten. Und bislang habe sich auch jener Prinz nicht eingefunden, der mit Ideen und Visionen, vor allem aber mit dem entsprechenden Portmonee als Retter des Schlosses Penkun gefeiert werden könnte. Und außerdem... wir kommen mit den zwei Penkunern vom Museumsverein ins Gespräch - ginge es dem Ort wie vielen Städten auf dem Lande: Es fehle an Leuten! Die jungen gingen weg. Manche Lücke im Straßenbild zeuge davon.

Zwar besuche die Boxtrainerlegende Ulli Wegner noch regelmäßig die Stadt, in der er nach dem Krieg aufgewachsen ist. Und im Sommer fänden Märkte und Mittelalterfeste im Schlosshof statt, aber …

Skepsis schwingt mit in diesen Worten.

Ich denke an die Fahrt hierher durch die Dörfer: gepflegt wirken sie; neben restauriertem Gutshaus und schmucker Kirche - viel individueller Neubau. Und an den Laternenmasten: Plakate zu den anstehenden Wahlen.

Die zeigen die Porträts der Bewerber und Parteien. SPD, Linke, BSW, AfD, III.Weg... Manche Plakate sind beschmiert, manche Gesichter unkenntlich gemacht. Und einige liegen im Dreck …

Wohin geht die Reise?

Eine spannende Frage, besonders für die Grenzregion an der Oder - mit ihren Bewohnern von hüben und drüben des Grenzflusses. Ihre Häuser jedenfalls hielten sie schön in Ordnung, die polnischen Mitbürger!, sagen anerkennend die Beiden vom Museumsverein in Penkun. Manch ein Haus sei so bewahrt geblieben.

Manch ein Ort bleibt so am Leben ...

Vielleicht haben die jungen Leute DAS ihren weißen Ballons mit auf den Weg gegeben: Neben den Wünschen nach einer friedlicheren Welt ihre Hoffnung auf Zukunft... Dass längst noch nicht aller Tage Abend ist in ihrer Stadt Penkun! -

Linde Hurtig