ob dat woll geiht?, haben sich die Planer vom Schlossverein Griebenow gefragt, als sich ihnen die Greifswalder Künstler Hedwig Golpon und Benjamin Saupe mit einem „b.drückenden (Brecht)Abend“ empfahlen.
Jedenfalls hatte man nur eines der beiden Festzelte geöffnet, denn es waren gerade ein Dutzend telefonische Anmeldungen eingegangen. Dann aber drängten kurz vor Programmbeginn noch etliche Besucher dazu, sodass es wirklich ein „b.drückendes Gefühl“ gab; ein „Zählappell“ erbrachte Gewissheit: gut fünfzig Besucher waren neugierig auf das Brecht-Programm, das nach der Begrüßung durch Herrn Jürgen Hoffmann etwas chaotisch zu beginnen schien. Nämlich mit den nicht ganz unbekannten Zeilen „Wahrlich, wir leben in finsteren Zeiten.“ Das Gedicht „An die Nachgeborenen“ wurde wechselseitig zitiert von den wie zufällig herein stolpernden beiden Solisten.
Im Wechsel von Gesang und gesprochenem Wort gab es nun auszugsweise Brecht-Zitate zu erleben. „Fragen eines lesenden Arbeiters“ wurden gestellt und Gedichte bzw. Lieder aus Brecht-Stücken in lockeren Dialogen vorgetragen, welche in der Tat eine bedrückende Wirkung entfalteten durch eine beklemmende Aktualität.
„Ich bin nicht ungerecht und auch nicht mutig.“ Wer wollte dieser Aussage widersprechen? Der Durchschnittsbürger zu Weltkriegszeiten war gar nicht so verschieden von dem heutigen und dessen Empfindungen und Gefühlen!
Zeitweise sah der Zuhörer sich genötigt, ungläubig zu fragen:
Und das hat Brecht geschrieben, der Dichter, dessen 125. Geburtstag im vergangenen Jahr medial eher sang-und klanglos unterging?
„B.drückend alarmierend seine Worte, b.drückend aktuell seine Texte, b.drückend aufrüttelnd seine Lieder, b.drückend spöttisch zwinkert er uns zu. Was Brecht vor 90 Jahren schrieb, klingt in unseren Ohren!“ war im Vorausblick auf diesen frühen Abend um Bertolt Brecht im Süderholzer Blatt Nr.402 zu lesen. Und: wie wahr!
Das Lied einer deutschen Mutter - es bewegt heute ebenso wie zu der Zeit, als es entstanden war:
„Mein Sohn ´, ich habe dir die Stiefel/ und dies braune Hemd geschenkt: /Hätt ich gewusst, was ich heut weiß/ hätt ich lieber mich aufgehängt... Sah das braune Hemd dich tragen/ hab mich nicht dagegen gestemmt/ Denn ich wusste nicht, was ich heut weiß:/ es war dein Totenhemd.“
An seine Landsleute richtete der Dichter 1949 die Worte, die noch heute ihre mahnende Wirkung nicht verloren haben: „Ihr, die ihr überlebtet in gestorbenen Städten/ Habt doch nun endlich mit euch selbst Erbarmen/ Zieht nun in neue Kriege nicht, ihr Armen/ Als ob die alten nicht gelanget hätten:/ Ich bitt euch, habet mit euch selbst Erbarmen!“
Und wer früher die Polytechnische Oberschule besucht hat, der hat vielleicht auch die „Kinderhymne“ kennengelernt: „Anmut sparet nicht, noch Mühe/ Leidenschaft nicht, noch Verstand...“ Auch diese einmal in Wendezeiten diskutierte Alternative zu den Nationalhymnen von DDR und BRD ertönte in dieser nachdenklichen Stunde, die mit dem eindrücklichen Vortrag durch beide Solisten eine besondere Wirkung erzielte: wieder einmal Brecht zu lesen!
Dass dieses Programm zustande kam, hatte mit einer zufälligen Begegnung der beiden Künstler an der Hafenbrücke in Greifswald zu tun. Der studierte junge Kirchenmusiker und Pianist und die erfahrene Theaterpädagogin, Leiterin des Greifswalder Studententheaters, beide Brecht – Enthusiasten, beschlossen, einmal „etwas zusammen zu machen“, bekannte Benjamin Saupe, bevor als Zugabe auf den lang anhaltenden Applaus zwei Lieder aus der Dreigroschenoper folgten: Die Moritat von Mackie Messer und das Lied der Seeräuber-Jenny.
Herr Hoffmann verabschiedete beide Künstler mit dem obligatorischen Blumenstrauß und bekannte, was er nach dieser guten Stunde u.a. gelernt habe: Brecht up´m Dörp... dat geiht!