Im kleinen Ort Stolpe an der Peene steht die Ruine des ältesten Klosters in Pommern. Fast unscheinbar. Aber zahlreiche kleine Mönchsfiguren, angefangen vom Schiffsanlegeplatz am Peeneufer über die alte Gaststätte bis hin zum Kirchhof lenken die Aufmerksamkeit des Besuchers dorthin. An der kleinen neogotischen Kirche erinnert die Inschrift über dem Eingang an die Ereignisse vor nunmehr fast einem Jahrtausend. „Wartislaw- Gedächtniskirche“ heißt dieser Ort. Wartislaw? Welch ein ungewöhnlicher Name für eine Kirche!
In der Demminer Kirche St. Bartolomäi gibt es die Büste eines Bischofs mit Namen Otto von Bamberg. Auch in Loitz erinnert ein Bildnis an ihn, zu entdecken im Kirchenfenster. Otto von Bamberg? Wer war das?
In den letzten Oktobertagen dieses Jahres führten die hiesigen Ortes gut bekannten pommerschen Engelspierken unter Leitung von Pastorin Nicole Chibici-Revneanu das neueste Projekt der Gruppe auf, das sich mit dem Leben und Wirken dieses Otto von Bamberg befasst. Die Uraufführung in der Gützkower Nikolaikirche fand an einem der Orte statt, den der Bischof 1128 bereist hatte.
Die aufwändige musikalische Aufführung ist jedoch nur eine von vielen Aktionen, die in diesen Monaten zum Gedenken an Otto von Bamberg stattfanden und noch stattfinden werden. Denn 1124/ 1125 unternahm Otto von Bamberg seine erste Missionsreise nach Pommern; das historische Ereignis jährt sich also zum 900.Mal.
Aus diesem Anlass finden zahlreiche Veranstaltungen, Ausstellungen, Tagungen, Konzerte und weitere kulturelle Initiativen statt, und zwar diesseits und jenseits der Oder. Um darüber zu informieren und die Akteure miteinander zu vernetzen, gründete sich in Zusammenarbeit mit dem Heimatverband Mecklenburg-Vorpommern e.V. eine Arbeitsgemeinschaft „OTTO 900“, die über aktuelle Ereignisse im Jubiläumszeitraum informiert. Es lohnt, die Seite aufzurufen!
Wer aber war nun Otto von Bamberg? Warum wird seiner noch zu unserer Zeit gedacht? Worin liegt seine Bedeutung?
Pommern werden zuweilen ja auch als „umgedrehte Bayern“ bezeichnet, sind ihre Landesfarben doch ebenfalls blau und weiß wie die der Bayern. Nur liegt ihr Land „po Morje“, das heißt „Am Meer“ und war daher oft auch im Blick anderer Küstenmächte an der Ostsee. Dänen und Schweden versuchten immer mal wieder hier Fuß zu fassen. Dass ihre Bemühungen letztlich nur zeitweilig waren und begrenzt erfolgreich blieben, das geht auch auf das friedliche Wirken des bayrischen Bischofs Otto zurück, der zu seiner Zeit „ohne Schwert, nur mit der Kraft des Wortes“ die Pomeranen missionierte. Barfüßige Vorgänger in zerrissenen Kutten hatten die Heiden aus dem Lande gejagt; diesen Otto von Bamberg nicht.
Er muss eine außergewöhnliche Persönlichkeit gewesen sein, imposant, von gewinnender Art, klug, gebildet, aber auch unruhig und rastlos in seinem Streben. Dem Ruf des pommerschen Herzogs Wartislaw war er 1124 mit einer Gesandtschaft gefolgt. Von Bamberg am Main reiste er über Prag nach Gnesen und von dort an die pommersche Küste. Aber es war nicht eine Reise, wie man sie sich heute vorstellen würde. Obwohl von Wartislaw persönlich empfangen und begrüßt, wurde auch Otto im Land der Pomeranen zunächst bedroht, und nur mit Mühe konnte er sich Verfolgungen und Misshandlungen entziehen.
Weil er mit dem Erfolg seiner Missionsreise nicht zufrieden war, machte sich der Bischof vier Jahre später nochmals auf den Weg an die Küste, diesmal als Abgesandter des Papstes und des deutschen Kaisers. Seine Reiseroute führte ihn jetzt über Magdeburg und Havelberg nach Demmin, Gützkow und Wolgast. Otto erlebte den Gegensatz zwischen dem pommerschen Herzog Wartislaw und dem polnischen König Boleslaw. Mit Argwohn betrachtete jener die Einladung der pommerschen Adligen durch Herzog Wartislaw zum Landtag nach Usedom. Dort ließen sich die Spitzen des pommerschen Herzogtums christlich taufen. Otto gründete Kirchen – in Usedom, Wolin, Gützkow, Wolgast und Stettin. Die heidnischen Götter ließ er zerstören. Den abgeschlagenen Dreikopf des Hauptgottes Triglaw schickte er nach Rom als Beweis seines Bekehrungswerkes.
Mit den Taufen in Pommern, den Kirchengründungen und den Gründungen neuer Bistümer in Cammin und Wolin kamen neue Siedler aus dem Westen ins pommersche Land. Etliche Jahre nach den Missionsreisen Ottos wurde Pommern Lehnsgebiet des Sachsenherzogs Heinrich des Löwen und damit in der Folge Teil des Reichsgebietes des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation. Dennoch mussten Mönche und deutsche Siedler die christlichen Stätten und Orte immer wieder schützen und verteidigen, z.B. 1168, als Dänen das Land bedrohten. Kriegszüge, Kreuzzüge gefährdeten Städte, gerade gegründet; sie brachten Zerstörung, wie die der slawischen Tempelburg Arkona auf Rügen.
Ein halbes Jahrhundert nach seinem Tode, 1189, wurde Bischof Otto von Bamberg heiliggesprochen.
In die Geschichte eingegangen ist er als Missionar der Pommern, als Pommern – Apostel. Otto hatte nicht nur als Architekt in seinem Kloster vor Ort gewirkt, wie alte Quellen lobend berichten; er war auch ein Diplomat seiner Zeit, Vermittler zwischen Kaiser und Papst im Investiturstreit.
Die Erinnerung an sein Wirken lebt in der Geschichte und an vielen Orten Pommerns dies- und jenseits der Oder weiter. Führungen an historischen Stätten wie jüngst in der Stadt Usedom bringen noch heute einige Dutzend Leute am historischen Schlossberg zusammen. Von der denkwürdigen Taufe auf dem Landtag 1128 ist am Granitkreuz auf dem Backsteinpodest an einer Bronzeplatte zu lesen: Gott will keinen erzwungenen, sondern freiwilligen Dienst.
In der wenige hundert Meter entfernten Marienkirche steht der Besucher dem lebensgroßen Otto direkt gegenüber; einer Schnitzfigur, 2013 von Günther Roßlau aus Gneventhin geschaffen.
In Gützkow gibt es nahe der Kirche einen Otto-Brunnen, 2003 von Rainer Fest gestaltet.
Jede Generation gedenkt ihrer Vorfahren auf eigene Art. Haik Porada, der aus Grimmen stammende, heute in Leipzig und Bamberg wirkende Historiker erinnerte in einem Vortrag vor Ort an „Ottos Pommern“. Eine Landesausstellung zur 900jährigen Geschichte Pommerns jedoch kam nicht zustande. Porada gehörte zu den Initiatoren. Das Scheitern seiner Initiative, aber auch die Art, wie heute der historischen Missionsreisen des Heiligen Otto gedacht wird, sagt einiges aus über unsere Zeit. Überschwängliche Visionen gab und gibt es auch: Wer weiß, ob man einmal eine Fahrt auf der Peene unternimmt, wie sie der Pommernapostel vor 900 Jahren gemacht haben kann?