Der Süderholzer Tanzkreis hat es in seinem Repertoire, das Lied, dessen Melodie so vielfältig Verwendung fand und auch als Friesenlied bekannt ist. (Denn auch an der Nordsee trecken Wellen an den Strand).
Der Name der Dichterin der „Tanzkreis-Variante“ ist Martha Müller- Grählert. Ihr Gedicht ist auf Platt geschrieben und fand seine „Uraufführung“ ausgerechnet auf einem Friedhof - am Grabe des Übermittlers dieser Verse, einem wandernden Glaser-Gesellen, durch welchen der Text bis nach Zürich gelangt war, wo er seine Vertonung fand.
Wer aber war diese Frau Martha Müller-Grählert, deren 85. Todestages im vergangenen November gedacht wurde?
Am 20. Dezember 1876 in Barth geboren als Johanna Karoline Friedchen Daatz verstarb die vorpommersche Heimatdichterin am 18.11.1939 in Franzburg.
Man findet einen Hinweis an der Fassade des ehemaligen Altenheimes in dem kleinen Ort und wundert sich: Hier also verbrachte die Dichterin der bekannten „Pommern-Hymne“ die letzten Tage ihres Lebens, in dieser Verlassenheit einer unscheinbaren Landstadt?
Martha Müller-Grählert wurde unehelich geboren (Sie selbst bekannte sich nicht ohne Humor als außereheliches „Mallörchen“) und als ihre Mutter den Zingster Müllermeister Grählert heiratete, nahm Martha dessen Namen an.
Die Lindenstraße 7 in Zingst wurde ihre Heimat in Kindheit und Jugend. Man kann sich also gut vorstellen, wo Martha die Inspiration zu diesen Versen fand:
Wo de Ostseewellen trecken an den Strand,
wo de gäle Ginster bleught in’ Dünensand,
wo de Möwen schriegen grell in’t Stormgebrus,
dor is mine Heimat, dor bün ick tau Hus.
In der einstigen Schloss- und Klosterstadt Franzburg erhielt Martha ihre Ausbildung - im Franzburger Lehrerseminar. Als Hauslehrerin arbeitete sie anschließend aber nur kurze Zeit, denn eigentlich wollte sie Journalistin werden. Schon früh begann sie erste Verse zu schreiben.
1898 zog es sie nach Berlin, wo sie als Redakteurin des „Deutschen Familienblattes“ tätig wurde. Als sie sechs Jahre später heiratete, schien sich einiges in ihrem Leben zu ändern. In der fremden Großstadt schrieb sie „Mine Heimat“; es mag ihr wie einst dem (vor kurzem gefeierten) Greifswalder Maler Caspar David Friedrich in Dresden ergangen sein: In der Ferne, von Heimweh getrieben, entstand, was für lange Zeit und noch vor späteren Generationen Bestand hatte, das bedeutendste Werk und ihr bekanntestes Gedicht.
Mit ihrem Mann, dem Agrarwissenschaftler Max Müller ging sie 1911 nach Japan. Er hatte in Sapporo eine Gastprofessur angenommen. Aber als drei Jahre später der erste Weltkrieg ausbrach, kehrte das Paar nach langwieriger, strapaziöser Reise nach Deutschland zurück.
Die Umstände mögen beschwerlich gewesen sein, die Ehe litt. 1928 wurde sie offiziell geschieden. Für Martha Müller-Grählert begann nun eine schwere Zeit. Die gutbürgerliche Existenz war zerbrochen. Mit Vorträgen und Lesungen versuchte sie ihre Situation materiell aufzubessern. Sie kehrte in ihre pommersche Heimat zurück nach Zingst und schrieb dort weitere Gedichte, „Sünnenkringel-Verse“. Obwohl ihr Gedicht „Mine Heimat“ inzwischen, nicht zuletzt durch die Vertonung des Thüringer Organisten und Dirigenten eines Männergesangvereins in Zürich, Simon Krannig, große Bekanntheit erlangt hatte, musste die Urheberin in langen, kräftezehrenden Prozessen um die Anerkennung ihrer Rechte und Tantiemen kämpfen, die ihr erst 1936 zugestanden wurden. Zu spät für die Dichterin! Bevor das Urteil rechtskräftig wurde, starb Martha Müller-Grählert arm, vereinsamt und fast erblindet im Altersheim Franzburg. Auf ihrem Grab in Zingst liest man den letzten Vers ihres Ostsee-Wellen-Gedichtes:
Hier is meine Heimat, hier bün ick to Hus.
Martha Müller-Grählert ist lange tot, ihre Worte aber bleiben in der Melodie von den Ostseewellen lebendig. Nicht zuletzt lebt das Lied als fester Teil des Repertoires von Volks- und Shantychören weiter.
Es gibt auch aktuelle Versuche, das Werk der pommerschen Dichterin Müller-Grählert zu rezipieren; genannt sei eine Audio-CD mit der hierzulande wohlbekannten Petra Schwaan-Nandke:
„Een lütten Sparling bün ick man. Eine Lesung up Platt.“-