Ich habe Ihnen doch schon mal von meiner jüngsten Enkelin erzählt. Damals hat sie mich im Alter von fünf Jahren mit ganz einfachen Erkenntnissen über die Schönheit des Lebens verblüfft. Neulich habe ich mit ihr telefoniert. Es ist mir ja irgendwie peinlich, aber ich habe ihr eine ganz typische Erwachsenenfrage gestellt.
„Was machst Du gerade?“ habe ich sie gefragt. Als ob man immer etwas machen müsste?! Erwachsene müssen das. Zumindest meinen sie, dass sie das müssten. Nicht umsonst heißt es: „Müßiggang ist aller Laster Anfang.“ Dieser Spruch kann ja auch nur von einem Erwachsenen stammen.
Die Antwort war: „Ich stehe hier im Garten“ - gaaaanz lange Pause - „rum.“ Diese Antwort hat mich irgendwie umgehauen.
Große abendländische Philosophen saßen oder liefen stundenlang herum, um dabei wenigstens zu solchen bahnbrechenden Erkenntnissen zu kommen wie zum Beispiel: Alles fließt. Erkenne dich selbst. Oder Ähnliches.
Sicher waren das nicht die einzigen Erkenntnisse und die Verkürzung auf das jeweilige zentrale Zitat ist auch nicht ganz fair, aber sie wären nie auf die Idee gekommen, gar nichts zu tun und das auch noch zuzugeben.
Ein guter Freund von mir war da schon etwas weiter. Er nannte es Sinnieren, wenn er zur Entspannung einfach so an seinem Küchentisch saß. Eine Art von Nachdenken ist das allerdings auch. Wenn auch nicht zielgerichtet.
Der Küchentisch ist ja gerade wieder in Mode. Es soll Politiker geben, die sich neuerdings am Küchentisch über verschiedenste Dinge Gedanken machen. Hauswirtschaft wäre da wohl am ehesten angebracht. Ob sie allerdings davon etwas verstehen, ist die Frage. Außerdem gehört das gerade überhaupt nicht hierher.
Heutzutage bemühen sich ganze Heerscharen von fernöstlichen Lehrern, uns Erwachsenen zu unserem Wohl beizubringen, einfach mal nichts zu denken. Sinn- und Selbstfindung heißt das dann und kostet viel Geld.
Mein Enkelchen Antonia schafft das aber tatsächlich von ganz alleine. Männer behaupten ja, wenn sie gefragt werden, an was sie gerade denken, sie würden nichts denken. Das stimmt allerdings definitiv nicht, meistens ist es nur unpassend. Wenn Antonia auf etwas gewartet hätte oder über irgendetwas nachgedacht hätte, hätte sie mir das gesagt. Davon war aber keine Rede. Nein, sie steht einfach rum, ohne etwas zu denken. Das muss man sich mal vorstellen. Oder auch nicht. Denken Sie einfach mal NICHT darüber nach, wenn Sie können. Stehen Sie einfach mal irgendwo rum, ohne überhaupt an etwas zu denken (nein, auch nicht daran, was es zum Abendessen gibt). Nur tun Sie das möglichst nicht auf einer Fahrbahn. Das könnte ungut für Sie enden. Und bitte auch nicht im Eingang eines Supermarktes. Das wäre dann eher dumm und mit dem Nichts Denken wäre es unter Umständen ganz schnell vorbei. Versuchen Sie’s doch mal.
Meine Enkelin ist jetzt immerhin sieben Jahre alt und kommt dieses Jahr in die zweite Klasse. Möge ihr die Begabung, das Wesentliche zu sehen und einfach im Hier und Jetzt zu leben, nie verloren gehen. Als Erwachsene können wir nur davon lernen.