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Süderholzer Blatt
Ausgabe 414/2025
Reportage
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Reisen in unruhigen Zeiten

Verdi ruft zum Streik auf. Der Öffentliche Dienst im Totalausfall: In Kliniken, Kindergärten, der Müllabfuhr ruht die Arbeit. Auf Flughäfen, in Bahnstationen und an Bushaltestellen geht gar nichts. Kein Flieger hebt ab, kein Zug fährt, kein Bus hält... aber an diesem Montag, ich habe mich erkundigt, wird nicht gestreikt! Es kann nur sein, dass Züge kurzfristig sich verspäten, weil an der Strecke gebaut wird. Aber das ist ja keine Überraschung! Und für einen Montagmorgen sollte das auch ausgeschlossen sein. Die Busfahrer gehen erst übermorgen in den Ausstand. Darum will ich noch heute meine Freundin in Stralsund besuchen und wage das Experiment: mit ÖPNV und DB das Ziel zu erreichen - von Süderholz mit Linie 316 in die Kreisstadt. Laut Fahrplan ist das möglich!

Also stehe ich überpünktlich morgens an der Bushaltestelle. Was nicht pünktlich kommt, ist mein Bus. Als ich mich nach zwanzig Minuten unerquicklichen Wartens zum Gehen wende, kommt das Gefährt um die Ecke gebraust, mit viertel-stündiger Verspätung. Und natürlich hält der Fahrer den Bus nicht an, denn da steht ja niemand (mehr), der einsteigen will... und aussteigen will offensichtlich auch keiner. Die Reise ist also vorbei, noch ehe sie begonnen hat! Ärgerlich, zumal mit Sprüchen von der Seitenlinie, wie „Du packst es nicht!“, (einen Fahrplan korrekt zu lesen?)- Immerhin war dieser Bus, der 7.33 hier abfahren sollte, keine Fata Morgana!

Es bleibt nur, in den nächsten Ort mit Bahnanschluss, also nach Greifswald, zu radeln! Prinzip Hoffnung: Von dort wird sicher im Laufe des Tages noch der eine oder andere Zug in Richtung Stralsund gehen …

Warum nicht den nächsten Bus nehmen? Weil der nächste Bus in Richtung Greifswald von dieser Haltestelle aus erst am Nachmittag fährt! Aber: Elfi wartet, meine Freundin. Mit einem opulenten Frühstück, wie sie mich am Telefon wissen lässt.

Erstmal jedoch muss ich den nächsten Regionalzug ausfindig machen. Laut Fahrplan ist gerade einer weg, und der nächste geht erst um 10.12. Uhr.- Also anderthalb Stunden irgendwie totschlagen und im Handy die Aktualisierungen vom DB-Fahrplan verfolgen. … Aber was sehe ich? Der besagte Zug um 10.12 hat auch noch Verspätung! Keine Baumaßnahmen … Ein Unfall auf der Strecke hält ihn auf. Und dann prangt in roter Schrift da: „Hält nur zum Ausstieg.“-

Was soll das denn?

Leicht irritiert laufe ich zum Reisecenter ins Bahnhofsgebäude, um dort Auskunft zu erhalten. Eine einsame Angestellte scheint sich zu langweilen, kein Kunde ist da. Glück für mich! Denn diese Dame reagiert weder gelangweilt noch verschlafen. „Sie wollen nach Stralsund? Dann schnell! Gleis 3.“

Schnell ging auch mal schneller. Die Treppen runter und wieder rauf. Ich merke, dass meine Fitness zu wünschen übrig lässt, aber ich erreiche den ODEG-Zug in letzter Minute. Mein schon vor Tagen erworbenes Ticket findet keine Beanstandung. Ich bin fast genauso pünktlich in Stralsund, als hätte ich den anderen Zug von Grimmen aus genommen.

Elfi freut sich: da ist also noch viel Zeit „zum Schnattern“. Und da ich am Greifswalder Bahnhof mein Bike geparkt habe, bin ich zurück auch nicht auf irgendeinen „letzten Bus“ angewiesen! Ich hoffe still, dass es bei meiner Rückkehr gegen 17 Uhr nicht noch eine böse Überraschung gibt … wie letztes Mal, als die Beleuchtung nicht mehr funktionierte, weil irgendwer beim Rangieren ein Kabel herausgerissen hatte. Immerhin: das Rad steht noch da, ist funktionstüchtig, hat keinen Platten oder ein ähnliches Malheur. - Denn ein Streifenwagen auf dem Bahnhofsvorplatz hat aufgepasst.-

Ein wenig Drama gab es allerdings dann doch: Am Bahnsteig 1 in Stralsund soll um 16.16 Uhr mein Zug in Richtung Angermünde losfahren - mit Halt natürlich u.a. in Greifswald. Und es steht auch ein Doppelstockzug auf besagtem Gleis. Mit fortlaufender Aufforderung: „Bitte nicht einsteigen!“ An jedem Wagen prangt dieses Schild. Und drinnen ist auf Monitoren zu lesen: „Bitte aussteigen!“ Der Zug ist leer- kein Personal zu sehen, das man fragen könnte. Einzelne Fahrgäste stehen unschlüssig wartend davor, bis sich erste Mutige trauen, die starre Anweisung zu ignorieren. Letztlich ich auch. Denn bis Greifswald auf Schusters Rappen – nein, darauf kann ich nun wirklich verzichten! Dann streikte auch ich!! -

Fazit: Wenn Sie ´was erleben wollen, fahren Sie mit Bus und Bahn!

Jede Fahrt wird zum Event, garantiert abgefahr´n!

Erlebt am 3. März

von Linde Hurtig