Titel Logo
Süderholzer Blatt
Ausgabe 415/2025
Kultur
Zurück zur vorigen Seite
Zurück zur ersten Seite der aktuellen Ausgabe

Pontius Pilatus – ein Musical in Groß Bisdorf

Das suchende Volk

Jesus wird mit Palmwedeln begrüßt

Wer kennt sie nicht, diese Redewendung „von Pontius nach Pilatus“ laufen, was unnütze Wege oder sinnloses Mühen beschreibt?

Dabei verbirgt sich in beiden Fremdbegriffen ein und dieselbe Person: Pontius Pilatus war vor 2000 Jahren Präfekt in den römischen Provinzen Judäa, Samaria und Idumäa.

Als historische Person wurde er zum Gegenstand mancher historischen Abhandlung, hat seinen Platz in der Belletristik gefunden und selbst Spielfilme porträtieren ihn als „Statthalter des Grauens“ (Italien/ Frankreich 1962) oder „vor dem schweigenden Christus“ (Fernsehfilm 1974 von M.P. Amman). Und nun wurde Pontius Pilatus auch Titelgestalt im gleichnamigen Musical mit den Pommerschen Engelspierken!

Pontius Pilatus ist eingegangen in die biblische Geschichte als derjenige, welcher Jesus Christus ans Kreuz brachte; er hatte in seiner Provinz für Ordnung zu sorgen. Dafür war er vom Römischen Kaiser eingesetzt worden.

Im Musical wird ein unsicherer, nicht eben zufriedener Mann im Amt geschildert. Im Lied 1 heißt es: „So weit entfernt vom Mittelpunkt der Welt, so weit entfernt vom Zentrum der Macht ... sorge ich für Ruhe, Ordnung, Sicherheit … für den Kaiser von Rom“. Aber selbst in solcher Entfernung bringen „Unruhe, Unordnung Gefahr und potenzielle Schwierigkeit … für den Kaiser und für Rom.“

Doch wie weit ist es her „bei aller Größe und Pracht mit seiner Ordnung und Macht“, fragen die Zeloten, religiöse Eiferer im Widerstand gegen Rom, fragt auch das Volk, … womit die Situation umrissen ist. Pilatus gerät in Widerspruch und Zweifel, als ihm Jesus als „König der Juden“ vorgestellt wird.

In weiteren Liedern erfährt das Publikum, was das Volk sich erzählt von Jesus aus Nazareth, dem Wunderheiler und Freund der Schwachen und Armen. „Kann der uns gefährlich werden?“, fragt Pilatus. Seine Frau Claudia beruhigt ihn: Wenn Jesus von sich behauptet, „Brot des Lebens zu sein“, sei das „nur ein Bild“.

Aber dann ist dieser Jesus da, vor Ort! Und er sorgt für Aufregung im Tempel, „wirft Tische um und wirft die Händler hinaus“. „Mein Haus soll ein Bethaus sein!“ ruft er. Sein Handeln weckt Widerspruch. Das Volk jubelt: „Endlich räumt einer auf!“

Die Hohepriester fragen: „Was hat er vor?...Was setzen wir aufs Spiel?“

Das Musical stellt die „Jesusleute“ vor (Lied 5), zeigt ihre Vielschichtigkeit: Simon, der einfache Fischer, „daneben Maria, sehr innig, sehr herzlich“, Martha aus Bethanien, Johannes, den Jüngsten unter ihnen und den ehemaligen Zöllner Matthäus sowie Thomas, den Zweifler.

Die Jesusleute nennen Jesus Rabbi, „unsern Lehrer und Meister ... Ihm glauben wir – durch ihn glauben wir...“ Ein Mensch aber mit so großem Einfluss auf das Volk verunsichert Herrscher und deren Statthalter. Und jemand wie Pontius Pilatus fragt die Hohepriester: „Welche Klage bringt ihr vor gegen diesen Menschen?“

Er möchte zunächst nicht richten, alle Verantwortung von sich weisen: „So nehmt ihr ihn nur selbst und richtet, wie es recht ist“. Aber das verweigern die Hohepriester: „Uns ist nicht erlaubt zu richten...“, wenden sie ein. So kommt es zu dem makabren Verhör, in welchem Jesus von Pilatus befragt wird: „Was hast du getan?“ und selbst unsicher, wankend fragt er sich selbst: „Woher weiß ich, was hier recht ist? Bin kein Jude, bin doch kein Jude.“

Der Verlauf der Geschichte ist bekannt. In dramatischer Kürze schildert Lied 7 die weiteren Ereignisse: wie Pilatus, der an Jesus keine Schuld erkennen kann, seine Hände „in Unschuld wäscht“, wie die Hohepriester fordern: „Wer Gottes Sohn sich nennt, ja, der macht sich selber schuldig... und muss sterben!“ Aber Jesus schweigt auf Pilatus` Fragen. Claudia redet ihrem Mann ins Gewissen: „...gerecht ist er! Hab du nichts zu schaffen mit ihm!“ Worauf Pilatus entgegnet: „Ich weiß genau, was jetzt zu tun ist … Sehet, welch ein Mensch! Sehet euer König!“

Was bringt ein Volk, das gerade noch seinen Rabbi mit Palmwedeln an den Stadttoren empfing, dazu, „Weg! Weg mit dem! Kreuzige ihn!“ zu fordern?

Und welche Rolle spielt in dem Drama ein ohnmächtiger Mächtiger, der sich schließlich fragen muss: „Hab ich klug gehandelt? Wie wird Rom das sehen?“. Er sucht sich selbst zu beschwichtigen: „Was ist hier gewesen? Gar nichts ist geschehen!“ Das Volk aber ruft: „Erbarme dich, sieh, wohin wir gehen. Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehen.“

Das Ensemble mit knapp einem halben Hundert Teilnehmenden wurde in Groß Bisdorf von einem erwartungsvollen Publikum in gut besuchter Kirche empfangen. Der Altarraum hatte sich verwandelt in eine orientalische Tempellandschaft mit Festungsgemäuer unter römischer Standarte. Vor dem großen Bühnenbild agierten singend und tanzend „de Engelspierken“ in landestypischer Bekleidung, das heißt: in weiten, hellen Gewändern, die römischen Soldaten mit blanken Helmen und langen Speeren. Zu den Mitwirkenden gehörten Instrumentalisten sowie auch jene, die für Licht-, Tontechnik und Kulisse sorgten.

Nicole Chibici-Revneanu begrüßte die Besucher mit der Feststellung, dass es das erste Musical in der Bisdorfer Kirche sei, das die Engelspierken hier aufführten. (Und es hat schon einige Musicals aus der Feder der ehemaligen Bisdorfer Pastorin gegeben!) Sie begleitete ihr Musical am Keybord. Für den Text zeichnete diesmal Franziska Pätzold verantwortlich. Das Werk war entstanden „nach einem Konzept von Johannes und Nicole Chibici-R., Paul Gohlke, Franziska Pätzold, Barbara Peters, Horst und Ines Sass sowie Katja und Robert Wild“.

Teamwork also im besten Sinne! Dennoch seien stellvertretend die Namen der Protagonisten genannt: Pilatus wurde von Horst Saß dargestellt, Sabine Petters spielte seine Frau Claudia und Robert Wild gab Jesus von Nazareth.

Ein gut strukturiertes Begleitheft ermöglichte textliche Orientierung und Information, „freundlich unterstützt durch die Mecklemburgische und Pommersche Bibelgesellschaft“. Ein Erfolg also, der viele Eltern hat.

Das Beeindruckendste jeder Aufführung ist das Zusammenwirken so vieler Talente, von jung und alt, von Einheimischen und Weiter-weg-Wohnenden. Auch zu spontaner Mitwirkung wurde wieder eingeladen, zum Mittun, Tanzen und Singen.- Das vorpommersche Publikum aber genoss lieber zuschauend, zuhörend...

Mit lang anhaltendem Beifall belohnte es schließlich ein außergewöhnliches musikalisches Ereignis.

Bärbel Hohmann