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Süderholzer Blatt
Ausgabe 416/2025
Kunst
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Gedanken nach einem Konzert mit den Thüringer Sängerknaben

Kunst

Was ist Kunst?

Kunnst mir ´n Euro geben? Dieses Bonmot kursiert mitunter als Antwort auf die Frage, was Kunst sei. Und wie selbige entsprechend gewürdigt werde. Nur dass ein Euro selten genügt in Zeiten von Inflation und von geforderten Mindestlöhnen durch ganz alltägliche Gewerke. Wenn Kunst mit dem schnöden Mammon verrechnet wird, ist sie selten einträglich. Und wenn Leute wenig Interesse zeigen für das, was da zum Beispiel zu Gehör gebracht wird, ist das zumindest frustrierend, wenn es nicht gar existenzielle Fragen aufwirft: Lohnen sich lange Reisen durch´s Land, wenn sich Zuhörer- und Sängerzahl gerade noch die Waage halten?

„Wir sind in der Überzahl!“ feixten wir einst, wenn sich in Kirchenbänken ein Dutzend Besucher verloren, die neugierig genug waren, sich das Programm von ein paar jungen Leuten anzuhören... Aber wir waren nicht die Thomaner, nicht die Kruzianer oder die Thüringer Sängerknaben. Wir waren schlicht nur Laien, Kinder der Kirchengemeinde vor Ort!

Ein Laienchor war das nicht, was sich nach C.D.F.- Jubiläum, Landeskulturfest, Stadtjubiläum und anderen Festivitäten Anfang des Monats (Juli) im Greifswalder Dom die Ehre gab; es waren um die dreißig Sängerknaben- und junge Sänger des letztgenannten Klangkörpers aus Saalfeld. Bis dahin hatten sie bereits ein halbes Dutzend Konzerte absolviert, ein strammes Programm- vom thüringischen Start in Könitz über Malchow, Nehringen bis hinauf nach Rügen – jeden Abend in einer anderen Kirche vor anderem Publikum, und nun auf quasi halber Strecke: St.Nicolai, der Greifswalder Dom. Ich hoffe, dass sie in den übrigen Auftrittsorten auf mehr Resonanz stießen als in der Universitäts- und Hansestadt! Hier war am Tag zuvor gerade unter ziemlicher Anteilnahme der diesjährige Orgelsommer eröffnet worden, Eintritt frei.

Das Konzert der Saalfelder Sänger kostete auch nicht die Welt, aber 15 Euro schienen einigen Kunstfreunden wohl zuviel, oder...? Jedenfalls war es manchem Besucher hörbar peinlich, dass so wenig Interesse an diesem Konzert zu bestehen schien, und die Enttäuschung stand auch manchem jungen Sänger ins Gesicht geschrieben. Ungeachtet dessen begann das Programm mit einem Prozessionshymnus, dem Einzug der jungen Herren in dunklen Anzügen- und im Dom klang es, wie es in einem mittelalterlichen Kloster beim Gesang der Mönche geklungen haben mochte.

Das Sommerprogramm des Chores enthielt kurze Gesänge aus dem Barock, von Bach, Anerio, Gesius, und es spannte den Bogen bis in die Moderne mit Rutters „Look at the world“. Es vereinte geistliche und weltliche Lieder von Silcher, Köhler und erwies auch dem Gründer des Chores, Walter Schönheit, eine Reminiszenz mit dessen Bearbeitung des Volksliedes „Kommt, ihr G´spielen“. Beeindruckend, wie Andreas Marquardt, selbst einst Sängerknabe, diesen Chor führt und den Gesang leitet, unaufgeregt, mit gemessenen Gesten.

Das Bild der Thüringer Sängerknaben wird abgerundet durch die jüngsten Chormitglieder - in ihren weißen Matrosenblusen. Zarte Knäblein sind dabei, fast zerbrechlich wirkend, in erster Reihe. Doch wie diszipliniert sie die anderthalb Stunden durchstehen, im Wortsinn. Zweimal gibt es eine Unterbrechung durch die Orgel, kunstvoll gespielt von Lukas Klöppel, Jahrgang 1995. Er lässt das Dom-Instrument in der Vielfalt seiner Stimmen erklingen und schließlich klangmächtig erstrahlen.

Am Ende noch eine Zugabe, di Lassos Echo-Kanon; vielleicht als Dank- nicht zuletzt für die Gastgeber, die Domgemeinde, und als Bitte an das freundlich – begeistert applaudierende Publikum, die Kunst nach Möglichkeit zu honorieren. Denn die Reisekosten seien mit einem Eintrittspreis in erhobener Höhe nicht zu stemmen. Schade wär´s, wenn solche Fahrten künftig nicht mehr möglich sind. Weil ihre Kosten nicht eingespielt werden können. Weil es an Nachfrage mangelt und diese Kunst nur noch wenige interessiert, weil in diesen Zeiten manches andere die Geldbörsen der Bürger beanspruchte...

Auch der Kunst-Begriff hat keine eindeutige Definition, wird bei Wikipedia als „menschliches Kulturprodukt und als Ergebnis eines kreativen Prozesses“ erklärt.

Es gäbe überall irgendwen, der irgendwas kann, hörte ich einmal einen Künstler klagen. Aber warum? Kunst kommt von Können. Und das wird nicht allein mit klingender Münze bezahlt … Aber die allgemeine Wertschätzung bzw. der Mangel daran ist mitunter schwer zu erklären.

Einen Abend später fand ein weiteres Chor-Event statt: Der Dresdener Kreuzchor trat in Demmin auf vor zahlreichem Publikum in vollbesetzter Kirche. Die Ticketpreise für die vorderen Platzreihen übertrafen jene vom Vorabend in Greifswald um mehr als das Dreifache. - Mag sein, dass die Kruzianer in einer höheren Liga singen; mag sein, dass ihr Auftritt im Rahmen der Musikfestspiele M-V besser gesponsert, weitreichender beworben wurde …

Emotionaler berührt war ich von den Thüringer Sängerknaben. Warum? Das ist schwer zu erklären … Kunst eben!

Linde Hurtig