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Recknitz-Trebeltal Kurier
Ausgabe 11/2024
Aus den Städten und Gemeinden berichtet
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Ausstellung "40 Jahre Asyl in der Kirche" im Oktober in St. Thomas

Sind dankbar für das Engagement der evangelischen Kirchgemeinde Tribsees: Farhad aus Afghanistan, Ahmad aus Syrien, Niaz aus dem Iran und Farangez aus Tadschikistan (v.l.nr.) mit Pastor Detlef Huckfeldt (Mitte).

40 Geflüchtete suchten Schutz in der Tribseeser Kirche

Seit vier Jahrzehnten bietet die Kirche Menschen, denen in ihrer Heimat Verfolgung und Tod drohen, einen Schutzraum. Was Kirchenasyl bedeutet und wie es erlebt wird, zeigt nun eine Ausstellung in Tribsees, die vor allem an die Gründung der Bundesarbeitsgemeinschaft „Asyl in der Kirche“ in den 1980er-Jahren erinnert.

Unmittelbarer Anlass für die moderne Kirchenasylbewegung in Deutschland war der Tod des kurdischen Flüchtlings Cemal Altun, der einer linken Studentenbewegung angehörte, die von türkischen Militärjunta als terroristische Organisation eingestuft wurde. Er floh im Januar 1981 nach West-Berlin. Obwohl er nach langem Kampf schließlich als Asylberechtigter anerkannt worden war, saß er in Abschiebehaft. Weil er keine Hoffnung mehr hatte, dass ihm durch deutsche Behörden Gerechtigkeit widerfahren würde, stürzte er sich am 30. August 1983 aus dem sechsten Stock des Berliner Verwaltungsgerichts in den Tod.

In der Folge entstand im Herbst 1983 das Kirchenasyl als ökumenische und politische Bewegung in Berlin: Die Heilig Kreuz-Kirche nahm eine von Abschiebung bedrohte palästinensische Familie ins Kirchenasyl auf. Viele Kirchengemeinden in ganz Deutschland folgten dem Beispiel und retteten bis heute tausenden Schutzbedürftigen das Leben.

„Obwohl es damals so unpopulär war wie heute, gab es Pastoren und Laien, die nachgedacht und sich engagiert haben“, erinnerte Pastor Detlef Huckfeldt bei der Eröffnung der Ausstellung in der St.-Thomas-Kirche. In Tribsees gab es im Kirchgemeinderat 2015 erste Gespräche übers Kirchenasyl. Mit der Ankunft der ersten Flüchtlinge aus Syrien in der Trebelstadt gründete sich unter dem Dach der Kirchgemeinde der Arbeitskreis Asyl. Bis heute haben dort 14 Familien und Einzelpersonen aus sechs Ländern Schutz imKirchenasyl gefunden. Es waren insgesamt etwa 40 Menschen, die aus Afghanistan, Syrien, Somalia sowie aus dem Irak und Iran nach Deutschland kamen. Zu fast allen hat die Kirchgemeinde auch heute noch Kontakt. „Eine Familie lebt in Frankreich, eine ging nach England und eine weitere ist nun in Norwegen“, berichtete Detlef Huckfeldt. Für fast alle wurden humanitäre Lösungen gefunden. Ausnahme ist ein junger Mann aus dem Iran, der in Deutschland keine Arbeitserlaubnis erhielt und - weil seine Eltern schwer erkrankten - freiwillig zurück in die Heimat ging, wo er aber verhaftet wurde. Fast alle Geflüchtete aus dem Tribseeser Kirchenasyl wurden anerkannt oder es wurden positive Lösungen gefunden, leben im Landkreis Vorpommern-Rügen und einige waren bei der Ausstellungseröffnung dabei. So wie Farhad, der aus Afghanistan nach Deutschland kam. „Aus Angst vor seiner Abschiebung lebte er in Schwerin schon ein halbes Jahr auf der Straße, bevor er nach Tribsees ins Kirchenasyl kam“, erzählte der Pastor. Der junge Mann lernte schnell Deutsch. Die Behörden rollten seinen Fall neu auf. Heute lebt er in Stralsund und arbeitet als Schichtleiter in einem Schnellrestaurant und erinnerte sich an seine Zeit an der Trebel: „Ich bin sehr dankbar, für die Hilfe und Unterstützung und noch immer ganz überwältigt.“

Derzeit klopfen wieder viele Geflüchtete bei Pastor Detlef Huckfeldt an und bitten um Kirchenasyl. „Die Situation verschärft sich derzeit. Und es gibt die Forderung von Staat und Kirche, dass nicht jedem Kirchenasyl gewährt wird, sondern der Härtefall nachgewiesen werden muss. Wird wollen dennoch an der Tradition festhalten und weiterhin Schutz bieten“, sagte Detlef Huckfeldt und begründete: „Wir können nicht guten Gewissens zusehen, dass die Menschen von einem europäischen Land ins nächste geschickt werden, sondern ihnen helfen, ein neues Zuhause fernab der Heimat zu finden, um in Frieden zu leben.“

Die Kirchen sehen das Angebot für Asyl in ihren Räumlichkeiten als Hilfe in Härtefällen. Kirchengemeinden stellen dafür Gemeindegebäude oder kircheneigene Wohnungen zur Verfügung. Ehrenamtliche Mitarbeiterinnen des Arbeitskreises Asyl übernehmen die Versorgung, Betreuung, Begleitung der Geflüchteten, z.B. beim Einkauf, bei Arztbesuchen, beim Deutschlernen oder bei Spielenachmittagen mit den Kindern. Die Schutzsuchenden dürfen das Gelände für die Zeit des Kirchenasyls nicht verlassen. Die Gemeinden erstellen Falldossiers und bitten damit das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) um erneute Prüfung der Fälle. Meist handelt es sich um sogenannte Dublin-Fälle, bei dem ein Asylantrag bereits in einem anderen europäischen Land gestellt wurde, bei einer Rückkehr dorthin aber Repressalien oder Gewalt für die geflüchtete Person zu befürchten sind. Hier bedeutet ein positiver Aufgang des Kirchenasyls, dass Deutschland für die Prüfung der Asylgründe zuständig ist. Der Staat toleriert das Kirchenasyl in der Regel. Um gemeinsam zu guten humanitären Lösungen zu kommen, wurde 2015 eine Verfahrensabsprache zwischen den Kirchen und dem Bundesamt getroffen. Allerdings kam es Weihnachten 2023 auch in Mecklenburg-Vorpommern zum Bruch des Kirchenasyls durch das Land.

Der Arbeitskreis Asyl sieht durch die derzeit verhandelten sogenannten Sicherheitspakete, die u.a. rigorose Zurückweisungen der „Dublin-Fälle“ unmittelbar an den Grenzen vorsehen, auch das Kirchenasyl als stark bedroht an. „Das Kirchenasyl ist eine Errungenschaft der demokratischen Zivilgesellschaft und des Rechtsstaat. Er beweist damit, dass

Humanität und Menschenwürde als höchste Werte geachtet und geschützt werden. Sie sind im Zweifel auch immer vorrangig vor ausländer- und asylrechtlichen Bestimmungen zu berücksichtigen“ sagt Heiko Kauffmann vom Arbeitskreis Asyl. „Wir appellieren an die Verantwortlichen in Kirche, Staat und Gesellschaft, das so wichtige Institut des Kirchenasyls weiterhin zu respektieren und zu schützen. Wir dürfen nicht zuzulassen, dass es durch populistische Hetze und restriktive Gesetze gefährdet wird.“

Die Ausstellung „40 Jahre Asyl in der Kirche“ ist bis zum 31. Oktober in der Tribseeser St.-Thomas-Kirche zu sehen. Anschließend wird sie vom 4. bis zum 15. November in der Evangelischen Luther-Auferstehungsgemeinde Stralsund gezeigt.

Christine Wunschik