Kurator Hubertus Wunschik (links) und Pastor Detlef Huckfeldt
2025 markiert bedeutende Wegmarken: 80 Jahre seit dem Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, 35 Jahre Deutsche Einheit, 77 Jahre Staat Israel und 60 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Israel. Diese Daten stehen für Umbrüche - und für Verantwortung, Versöhnung und die Chance, aus der Geschichte Zukunft zu gestalten.
Vor diesem Hintergrund lädt der Verein „de DROM e.V.“ zu den Deutsch-Israelischen Kulturtagen Mecklenburg-Vorpommern ein. Nach den erfolg-reichen Ausgaben von 2012, 2016 und 2020/21 findet das Festival diesmal - noch bis zum 11. Oktober 2025 - in Tribsees statt, mit Konzerten, Ausstellungen, Filmen, Lesungen und künstlerischen Interventionen.
Die Kulturtage stehen unter der Schirmherrschaft von S. E. Ron Prosor, Botschafter des Staates Israel, und Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin des Landes Mecklenburg-Vorpommern.
Zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober verbindet sich das Tribseeser Bürger- und Vereinsfest mit den Kulturtagen - beide stehen unter dem Motto Vergangenheit + Jetzt = Zukunft.
„Trotz - oder gerade wegen - der aufgeheizten gesellschaftlichen Stimmung setzen wir mit den Kulturtagen ein gemeinsames Zeichen für Demokratie. Wir erinnern an Geschichte, stellen uns den Fragen der Gegenwart, öffnen Räume für Begegnung, Respekt und Verständigung“, sagt der Vorsitzende von „de DROM“, Hubertus Wunschik.
Die deutsch-israelischen Beziehungen sind mehr als diplomatische Formalität. Sie sind ein historisches Versprechen - geboren aus der Finsternis des 20. Jahrhunderts und getragen von der Hoffnung auf Verständigung und Vertrauen. Seit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen am 12. Mai 1965 haben sich diese Verbindungen stetig vertieft: politisch, zivilgesellschaftlich, kulturell und persönlich.
Der Holocaust hat Europa moralisch erschüttert und zugleich ein lebendiges jüdisches Erbe aus-gelöscht - mit stillschweigender Duldung oder aktiver Mitwirkung vieler europäischer Staaten. Auch der Großmufti von Jerusalem verbreitete antisemitische Hetze und unterstützte das NS-Regime. Diese dunklen Kapitel wirken bis heute nach.
Die Beziehungen zwischen Deutschland und Israel beruhen nicht nur auf der historischen Verantwortung infolge der Shoa, sondern auch auf gemeinsamen geistigen und kulturellen Wurzeln: den europäischen Ursprüngen des Zionismus, seinem Einfluss auf Israels demokratisches Staatswesen - dem einzigen im Nahen Osten - sowie im Beitrag jüdischer Denker zur europäischen Geistesgeschichte. Ohne diese Impulse wären unsere Wissenschaft, Kunst und Philosophie nicht denkbar. Israel gehört zur demokratischen DNA und ist Teil der Wertegemeinschaft freier Gesellschaften.
„Zwischen Ordnung und Auflösung - Kunst im sakralen Raum“ heißt es am Sonnabend, 20. September, um 15 Uhr, wenn der Künstler Robert Reschkowski in der St.-Thomas-Kirche seine Per-formance „Die Entbindung“ zeigt. Thema ist, wie Günther Uecker es nannte „die „Verletzlichkeit des Menschen durch den Menschen“. Die Performance stellt die Frage, wie wir dem Anderen und unserer eigenen Fremdheit begegnen.
Kunst wird zum Medium deutscher und israelischer Gegenwart und eröffnet Räume für Erinnerung, Auseinandersetzung und Miteinander, wenn in der Sakristei Arbeiten von David Reeb, Klaus Schmitt, Amram Stoller und Arnim Vaylann in einen Dialog treten. Die Ausstellung ist bis zum 11. Oktober täglich von 10 bis 16 Uhr geöffnet.
Am Abend - vom 20. September bis zum 1. Oktober täglich ab Einbruch der Dämmerung - verwandelt sich das Schaufenster der „KM13“ in eine Projektionsfläche: Unter dem Titel „Zwischen Atem und
Stille“ zeigen dort der Düsseldorfer Künstler Sven Kierst u.a. eindrucksvolle Bilder aus Israel.
Die Ausstellung „Schoa - wie war es menschlich möglich?“ der Internationalen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem spürt der Frage nach, wie ein zivilisiertes Europa in der Barbarei versinken und es zulassen konnte, dass mehr als sechs Millionen Menschen systematisch entrechtet, verfolgt und ermordet wurden. Die Eröffnung findet am Sonnabend, 27. September, 15 Uhr, statt und ist bis zum 11. Oktober täglich von 10 bis 16 Uhr in St. Thomas zu sehen.
Ebenfalls am 27. September erklingt hier ab 17 Uhr der Berliner GofenbergChor unter der Leitung von Konstantin Nazarov. Auf dem Programm stehen jiddische und hebräische Lieder - getragen von Melancholie und erfüllt von Lebensfreude.
Der Arbeitskreis Asyl der Evangelischen Kirchen-gemeinde Tribsees präsentiert am Mittwoch, 1. Oktober, 17 Uhr, in St. Thomas den Spielfilm des iranischen Regisseurs Mohammad Raussoll „Die Saat des heiligen Feigenbaums“ (2024). Er erzählt die Geschichte eines gläubigen Richters, der während der Proteste 2022 im Iran zwischen Regime-Treue und familiärem Zerfall zerrieben wird: Während er Todesurteile unterschreiben soll, entziehen sich seine Töchter dem System.
Die iranische Repression richtet sich nicht nur gegen sie eigene Bevölkerung, sondern auch gegen Israel - und macht damit deutlich, wie eng Fragen von Freiheit, Menschenrechten und Sicherheit miteinander verbunden sind.
Die Berliner Regisseurin und Schauspielerin Esther Zimmering zeigt am Donnerstag, 2. Oktober, um 19 Uhr in der „KM13“ ihren preisgekrönten deutsch-israelischen Film „Swimmingpool am Golan“ (2018). In dem Werk begibt sie sich auf eine sehr persönliche Spurensuche zwischen DDR und Israel - entlang der gegensätzlichen Lebenswege ihrer Verwandten nach dem Zweiten Weltkrieg: Großtante Lore, die in einem sozialistischen Kibbuz am Golan lebte, und Großmutter Lizzi, die den Holocaust überlebte und am Wiederaufbau der DDR mitwirkte. Während im Kibbuz ein egalitärer Sozialismus praktiziert wurde, herrschte in der DDR ein staatlich verordneter Sozialismus, der Freiheit und individuelle Entfaltung stark einschränkte.
Die Autorin, Musikerin und Journalistin Manja Präkels wird ab Oktober die erste Stipendiatin des von Bürgerinnen und Bürgern sowie der Stadt Tribsees getragenen Literaturprojekts „Schriftstellerin im Tor“ sein. Am Sonnabend, 4. Oktober, um 15 Uhr liest sie in der „KM13“ aus ihrem Roman „Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß“ (2017).
Am Sonntag, 5. Oktober, um 17 Uhr wird die ehemalige Apotheke in der Karl-Marx-Straße, „KM13“, zum Ort für geistige und seelische Nahrung, wenn Literatur und Musik aufeinandertreffen. Der israelisch-deutsche Autor Erez Majerantz liest aus seinem Erzählband „Das Leben an sich ist das geringste aller Übel“. Musikalisch begleitet wird er von Katja Chava Majerantz, die mit ihren Improvisationen auf der Blockflöte den Texten einen eigenen Atem verleiht und neue Klangräume öffnet.
Zu einer Malklausur lädt Robert Reschkowski am Mittwoch, 8. Oktober, um 19 Uhr in die „KM13“ ein. Besucher können ihm beim Entstehen seiner Bilder zusehen, ins Gespräch kommen und miterleben, wie sich Schritt für Schritt eine eigene Bildwelt formt. Wer seine Performance „Die Entbindung“ am 20. September in der St.-Thomas-Kirche erlebt hat, erkennt hier eine stille Entsprechung: Statt den eigenen Körper setzt Reschkowski nun Leinwand, Farbe - und sich selbst - derselben Zumutung aus: verletzlich, fragil, offen für den Augenblick.
Zum Abschluss der 4. Deutsch-Israelischen Kulturtage Mecklenburg-Vorpommern gibt es ein Frühstück in der St.-Thomas-Kirche (Anmeldung per E-Mail unter vorstand@de-drom.de). In entspannter Atmosphäre erwartet die Gäste ein anregender Impuls: Der renommierte Kunstkritiker, Kurator und Publizist Stefan Skowron spricht in seinem Vortrag „Kunst als Störfall: Warum der ländliche Raum Unruhe braucht“ über die Rolle von Kunst jenseits der Metropolen.
Der Eintritt ist zu allen Veranstaltungen der 4. Deutsch-Israelischen Kulturtagen frei, Spenden sind willkommen. Alle Informationen und das ungekürzte Programm unter: www.de-drom.de