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Warener Wochenblatt
Ausgabe 8/2025
Aus der Stadt und den Ortsteilen
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Stellungnahme zum Entwurf des Tourismusgesetzes Mecklenburg-Vorpommern

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Stadt Waren (Müritz) ist mit 800.000 kurabgabepflichtigen Übernachtungen pro Jahr das touristische Zentrum der Mecklenburgischen Seenplatte. Der Tourismus ist einer der wichtigsten Wirtschaftsbereiche der Stadt. Er trägt in erheblichem Maß zum städtischen Steueraufkommen bei und sichert eine Vielzahl von Arbeitsplätzen in der Region.

Die Initiative der Landesregierung, ein eigenes Tourismusgesetz auf den Weg zu bringen, muss das zentrale Ziel verfolgen, Bürokratie abzubauen, touristische Strukturen in unserem Land zu ordnen und zu stärken. Dazu gehört es, jene Regelungen aufzunehmen, die von den Touristikern und Gemeinden seit Jahren gefordert werden.

Nach Prüfung des vorgelegten Gesetzentwurfs nimmt die Stadt Waren (Müritz) wie folgt Stellung:

1.

Gegenseitige Anerkennung der Gästeabgabe

Das Tourismusgesetz M-V sieht in § 10 Abs. 2 die Möglichkeit vor, dass sich prädikatisierte Orte innerhalb und außerhalb einer Destination die Gästeabgabe gegenseitig anerkennen können. Dieser Schritt ist seit Jahren überfällig und wird ausdrücklich begrüßt. Er schafft für die Gemeinden, Beherberger und Touristen ein hohes Maß an Rechtssicherheit.

Der Gesetzentwurf macht jedoch keine Angaben zu eventuell erforderlichen Ausgleichszahlungen. Diese waren nach bisherigem Recht zwischen den Gemeinden zu leisten. Daran scheiterte in der Vergangenheit häufig die gegenseitige Anerkennung der Kurabgabe.

Stattdessen wurde stillschweigend geduldet, dass Einwohner aus Nachbargemeinden und Tagesgäste, die in einer anderen Gemeinde bereits Kurabgabe gezahlt haben, nicht abgabepflichtig sind.

Weder im Gesetzestext noch in der Begründung wird auf Ausgleichszahlungen verwiesen. Sollten sie auch in Zukunft erforderlich sein, würde ein großer Mehrwert des Tourismusgesetzes wegfallen. Fraglich ist zudem, wie die Anerkennung zwischen den prädikatisierten Orten auszugestalten ist? Bedarf es einer Änderung der Kurabgabensatzung oder ist ein Beschluss der Gemeindevertretung ausreichend? Eine Klarstellung des § 10 Abs. 2 wäre daher wünschenswert.

2.

Anknüpfungspunkt Gästeabgabe (Übernachtung vs. An-/Abreisetag)

Aufgrund verschiedener Gerichtsurteile gab es in den letzten Jahren unterschiedliche Auffassungen zu der Frage, ob die Kurabgabe pro Übernachtung oder pro Aufenthaltstag zu entrichten ist.[1] Zahlreiche Gemeinden haben, in Abstimmung mit den unteren Rechtsaufsichtsbehörden, ihre Kurabgabesatzungen angepasst und eine Abrechnung pro Aufenthaltstag eingeführt. Dies führte zu erheblichem Widerstand bei den Beherbergern und Touristen, da besonders bei Kurzaufenthalten deutliche Mehrbelastungen entstehen.

In der Gesetzesbegründung zu § 8 Abs. 1 wird nunmehr klargestellt, dass der Anknüpfungspunkt für die Zahlung der Gästeabgabe das Nehmen oder Innehaben einer touristischen Unterkunft ist, also die Übernachtung des Ortsfremden. Damit wird das von vielen Gemeinden eingeführte System des An- und Abreisetages wieder abgeschafft. Für eine rechtssichere Anwendung wäre es von hoher Bedeutung, dass die Festlegung auf Übernachtungen in das Gesetz aufgenommen wird. Ein Nebeneinander beider Systeme sollte es nach Einführung des Tourismusgesetzes M-V nicht mehr geben.

3.

Pflichtmitgliedschaft für prädikatisierte Orte

Das Tourismusgesetz M-V sieht in § 4 Abs. 2 eine Pflichtmitgliedschaft aller prädikatisierten Orte in einer der sieben Destinationsorganisationen (DMOs) des Landes vor. Dieser Ansatz ist nachvollziehbar. Dennoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass es sich hierbei um einen unzulässigen Eingriff in den Schutzbereich der kommunalen Selbstverwaltung handelt.

Durch die Pflichtmitgliedschaft soll sichergestellt werden, dass sich alle prädikatisierten Orte an der Entwicklung einer Destination beteiligen. Gleichzeitig lassen sich gemeindeübergreifende Themen nachhaltiger und zielgerichteter verfolgen (z.B. Digitalisierung und Mobilität). Insellösungen werden weitgehend vermieden. Als mögliche Rechtsformen einer DMO kommen laut Gesetzesbegründung in Frage:

-

eingetragener Verein,

-

(kommunale) GmbH,

-

Zweckverband oder

-

Anstalt öffentlichen Rechts.

Sollte die Rechtsform einer GmbH gewählt werden, so ist zu klären, wie die Mitgliedschaft der prädikatisierten Orte umgesetzt werden kann. Das GmbH-Recht kennt keine Mitgliedschaften. Die Beteiligung erfolgt durch den Erwerb von Geschäftsanteilen. Daraus ergeben sich Rechte und Pflichten für die Gesellschafter. Sind Mitgliedschaften in Form einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung durch den Gesetzgeber beabsichtigt?

4.

Finanzierung der Destinationsorganisationen (DMOs)

Der Gesetzentwurf enthält keine Regelung zur finanziellen Beteiligung der prädikatisierten Orte. Es wird lediglich davon gesprochen, die touristischen Organisationsstrukturen stabil zu finanzieren und für die jeweilige Destination adäquat ausgerichtete Strukturen aufzubauen.[2]

Eine Pflichtmitgliedschaft in einer DMO wird Zahlungsverpflichtungen für die prädikatisierten Orte zur Folge haben. Da die von den DMOs wahrzunehmenden Aufgaben nicht eindeutig im Gesetz definiert sind, können keine Rückschlüsse auf den kommunalen Finanzanteil gezogen werden. Aufgrund der Pflichtmitgliedschaft haben die prädikatisierten Orte keine Möglichkeit, sich vor Kostensteigerungen schützen. Dies kann für Gemeinden, die sich in der Haushaltssicherung befinden, eine erhebliche Belastung darstellen.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Tourismusförderung laut Gesetzesbegründung ausschließlich als freiwillige Aufgabe zu betrachten ist.[3] Aus Sicht der Stadt Waren (Müritz) besteht ein klarer Widerspruch zwischen der Pflichtmitgliedschaft und der Einordnung des Tourismus als freiwillige Selbstverwaltungsaufgabe nach Art. 28 Abs. 2 GG. Hier wird die Chance vertan, dem Tourismus in den prädikatisierten Orten eine entsprechende Bedeutung beizumessen.

5.

Reprädikatisierung

Die Anerkennung als prädikatisierte Gemeinde erlischt gemäß § 22 Abs. 4 des Tourismusgesetzes M-V spätestens nach 15 Jahren. Rechtzeitig vor Ablauf der Anerkennungszeit soll die Gemeinde eine Erneuerung des Anerkennungsverfahrens einleiten (Reprädikatisierung). Es wird davon ausgegangen, dass diese Regelung für alle bereits erteilten Prädikate gilt.

Fraglich ist, ab welchem Zeitpunkt die 15-jährige Frist beginnt? Ist der Anerkennungsbescheid maßgeblich (z.B. Prädikatisierung Heilbad 2012) oder der Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes inkl. der darin vorgesehenen Übergangsregelung von zwei Jahren?

6.

Widerruf der Altprädikatisierung

In § 27 Abs. 1 des Tourismusgesetzes heißt es, dass sich die Gemeinden innerhalb einer Übergangsfrist von zwei Jahren für oder gegen die Teilnahme am neuen touristischen System entscheiden müssen. Bis zu ihrer Entscheidung sind sie von der Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen befreit. Sollten sie sich gegen das neue System entscheiden, ist die Prädikatisierung zu widerrufen. Auch diese Regelung lässt daran zweifeln, ob die Einordnung des Tourismus als freiwillige Selbstverwaltungsaufgabe wirklich zutreffend ist.

7.

Tagesgäste

In § 8 Abs. 2 des Gesetzentwurfes wird klargestellt, dass Tagesgäste zur Gästeabgabe herangezogen werden sollen, wenn sie sich zu Erholungszwecken in der Gemeinde aufhalten. Dies gilt laut Gesetzesbegründung auch für Erwerbstätige und Auszubildende, wenn sie in der Gemeinde arbeiten und Erholungseinrichtungen nutzen.[4] Diese Regelung ist in der Praxis nicht umsetzbar! Eine Überprüfung der Personen ist nicht möglich! Der Aufwand dafür wäre absolut unverhältnismäßig. Gleichzeitig kann eine solche Regelung in Zeiten des Fachkräftemangels als übergriffig und absolut ungerechtfertigt angesehen werden. Wer soll dem Handwerker oder dem Auszubildenden erklären, dass er in seiner Mittagspause nicht den Park oder an den Hafen gehen darf, weil er sonst kurabgabepflichtig wird. Eine solche Abgabepflicht würde als reine Abzocke empfunden werden.

In der Gesetzesbegründung zum Abs. 2 wird zudem ausgeführt, dass keine Beitragspflicht besteht, wenn sich ein Tagesgast nur „ganz vorübergehend“ im Erhebungsgebiet aufhält.[5] Diese Formulierung führt zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit. Hier bedarf es zwingend einer Klarstellung durch den Gesetzgeber. Sind Busreisende, die die Gemeinde für einen Tagesausflug besuchen, von der Tageskurabgabe befreit (z.B. Dampferfahrt oder Museumsbesuch)? Fraglich ist zudem, wie die Überprüfung und Nachweisführung vor Ort durchgeführt werden soll. Solche Regelungen sind in der Praxis nicht umsetzbar.

8.

Fördermittel nur für prädikatisierte Orte

In § 12 Abs. 7 des Gesetzentwurfes ist geregelt, dass zukünftig nur prädikatisierten Orten eine Förderung aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ gewährt werden kann. Darüber hinaus kommt in Ausnahmefällen eine Förderung für Gemeinden in Frage, die mit prädikatisierten Nachbargemeinden hinsichtlich des Zuwendungszweckes kooperieren. Gleiches gilt für Gemeinden, die eine Anerkennung als prädikatisierten Ort anstreben.

Die Begrenzung der GRW-Förderung auf den Kreis der prädikatisierten Orte ist aufgrund begrenzter Haushaltsmittel durchaus nachvollziehbar. Dennoch schwächt diese Politik des „Goldenen Zügels“ die Autonomie der Kommunen insgesamt. Primäre Aufgabe des Gesetzgebers sollte es sein, die Eigenständigkeit der Gemeinden dauerhaft zu fördern.

9.

Einziehung der Gästeabgabe

In § 9 Abs. 1 des Gesetzentwurfes ist geregelt, dass die Beherberger zur Einziehung der Gästeabgabe verpflichtet werden können. Diese Formulierung wird als zu unverbindlich wahrgenommen. Bereits heute weigern sich einzelne Vermieter, trotz bestehender Satzungsregelung, die Gästeabgabe für die Gemeinde einzuziehen. Eine Verpflichtung kann in solchen Fällen nur durch Androhung von Zwangsmitteln durchgesetzt werden. Dies ist äußerst zeit- und kostenintensiv. Das Tourismusgesetz M-V sollte dahingehend angepasst werden, dass eine Einziehung und Abführung der Gästeabgabe an die prädikatisierte Gemeinde verpflichtend ist.

Ausdrücklich begrüßt wird die Bestrebung, auch Reiseveranstalter zur Einziehung und Abführung der Gästeabgabe zu verpflichten. Die im Gesetz getroffene Einschränkung, wonach dies nur möglich ist, wenn die Gästeabgabe bereits im Reisepreis des Veranstalters enthalten war, ist in keiner Weise nachvollziehbar. Damit liefert das Tourismusgesetz M-V den Reiseveranstaltern einen gesetzlich zugelassenen Umgehungstatbestand.

Zudem sollte die Regelung zwingend auch auf Tagesgäste ausgeweitet werden. Zahlreiche Reiseveranstalter bieten Tagesausflüge nach Waren (Müritz) an. Etwa 800 - 1.000 Reisebusse werden pro Saison erfasst. Die Erhebung der Tageskurabgabe erweist sich als äußerst schwierig, da die Reiseveranstalter die Zuständigkeit für die Abführung der Tageskurabgabe nicht bei sich, sondern den Reisenden sehen. Eine Anpassung des Gesetzes wäre hier absolut wünschenswert.

10.

Beherberger und touristische Unterkünfte

Nach § 8 Abs. 1 des Tourismusgesetzes M-V wird die Gästeabgabe von allen Gästen erhoben, die im Erhebungsgebiet eine touristische Unterkunft nehmen oder innehaben. Was eine touristische Unterkunft ist, wird in § 2 Nr. 4 geregelt. Dies gilt bspw. für gewerbliche Beherberger, Ferienwohnungen, Campingplätze, Haus- und Charterboote. Nicht erwähnt sind dagegen Reha-Kliniken. Fraglich ist, ob diese auch Beherberger im Sinne des Gesetzes sind und wenn ja, ob sie touristische Unterkünfte anbieten?

11.

Elektronische Gästeerfassung

Es ist verwunderlich, warum das Tourismusgesetz den prädikatisierten Orten bei der Einführung der Tourismus- und Gästeabgabe sowie der Pflichtmitgliedschaft in den DMOs verbindliche Vorgaben macht, aber bei der Erhebung der erforderlichen Gästedaten lediglich Empfehlungen ausspricht.

Mecklenburg-Vorpommern ist bereits heute eines der Bundesländer mit dem niedrigsten Digitalisierungsgrad in ganz Deutschland.[6] Die in § 8 Abs. 5 ausgesprochene Empfehlung, wonach die Gemeinde verlangen kann, dass die notwendigen Daten elektronisch übermittelt werden, wird als unzureichend empfunden. Eine klare Vorgabe in Richtung Digitalisierung, gerne auch mit einem Übergangszeitraum von einigen Jahren, wäre deutlich progressiver.

Hier wird eine große Chance für eine flächendeckende Digitalisierung in Mecklenburg-Vorpommern vertan. Es ist davon auszugehen, dass in vielen Gemeinden ein System von analoger und digitaler Meldung der Gästedaten bestehen bleibt. Gemeindeübergreifende Zukunftsprojekte lassen sich so nur schwer umsetzen (digitale Gästekarte und ÖPNV).

12.

Mobilitätsangebote (ÖPNV)

In § 7 Abs. 2 Nr. 4 des Gesetzentwurfes ist geregelt, dass die Gästeabgabe auch für die Bereitstellung von kostenlosen oder ermäßigten Mobilitätsangeboten erhoben werden kann. Voraussetzung ist, dass eine entsprechende Gästenachfrage besteht. In der Gesetzesbegründung wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass ÖPNV-Angebote, die im Kern auf die Daseinsvorsorge gerichtet sind (z. B. Schülerbeförderung), keine ansatzfähigen Kosten in der Gästeabgabekalkulation darstellen. Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob damit auch die Kosten (Tarifausgleiche) für die Inanspruchnahme von Regionalbus- und Stadtbuslinien gemeint sind?

Im Rahmen des Mobilitätsprojektes Müritz rundum haben die Gästekarteninhaber der Projektgemeinden die Möglichkeit, kostenlos diverse Regionalbus- und Stadtbuslinien zu nutzen. Hierbei handelt es sich nicht um touristische Linien, sondern um ÖPNV-Pflichtleistungen (Daseinsvorsorge). Die Projektgemeinden von Müritz rundum zahlen für die Inanspruchnahme der Linien einen Tarifausgleich an den Verkehrsdienstleister. Darf der Tarifausgleich in der Kalkulation der Gästeabgabe berücksichtigt werden?

13.

Verpflichtende Erhebung der Gäste- und Tourismusabgabe

Mit der Einführung des Tourismusgesetzes M-V wird das Ziel verfolgt, ein dauerhaftes und gerechtes System der Tourismusfinanzierung auf lokaler Ebene zu schaffen. Die prädikatisierten Orte werden verpflichtet, neben der Gästeabgabe (alt: Kurabgabe) auch eine Tourismusabgabe zu erheben. Hierbei handelt es sich um einen Ersatz der bisherigen Fremdenverkehrsabgabe.

Anders als bisher ist die Erhebung der Tourismusabgabe jedoch nicht freiwillig. In § 11 Abs. 1 des Gesetzentwurfes ist geregelt, dass die prädikatisierten Orte eine Tourismusabgabe ein führen sollen. Hierbei handelt es sich laut Gesetzesbegründung um ein intendiertes Ermessen, bei dem die Gemeinde über keinen eigenen Ermessensspielraum verfügt und nur auf Basis einer qualifizierten Begründung von der Erhebung absehen kann. Die Regelung ist ein methodisch fehlerhafter Ansatz, er widerspricht dem Ansatz einer vom Leistungsgedanken geprägten sozialen Marktwirtschaft. Vielmehr wird hier der Versuch gestartet, die im Wettbewerb stehenden Unternehmen mit bürokratischen Hürden immer weiter zu überschütten. Zudem ist der Ansatz aus Absatz 2 bei der Berechnung der Höhe der Tourismusabgabe auf den Umsatz abzustellen völlig abwegig, da der Umsatz unternehmensbezogen kein adäquater Bezugspunkt ist. Hierbei bleiben nicht nur die Kostenstrukturen der jeweiligen Unternehmen außen vor, sondern gleichzeitig wird unabhängig vom Betriebsergebnis ein weiterer produkt- und marktunabhängiger Kostenpunkt eingeführt. Die Veränderung der Kostenstrukturen muss zu erheblichen Mehrbelastungen der Einwohner der prädikatisierten Orte führen, da diese die umsatzbezogenen Mehrbelastungen der Unternehmen dauerhaft tragen müssen. Die Regelung des Absatz 3, dass Unternehmen mit einem Jahresumsatz unter der jeweiligen Umsatzgrenze für Kleinunternehmer nach § 19 Absatz 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) von der Tourismusabgabe befreit werden können, stellt ebenso eine Regelung dar, die dem Konnexitätsprinzip aus Art. 72 Abs. 3 der Landesverfassung widerspricht. Der Gesetzgeber eröffnet eine Möglichkeit zur Befreiung einer Belastung für die Gemeinde, während er gleichzeitig die notwendige Erstattung der Kosten durch das Land für den Befreiungstatbestand faktisch auslässt.

Damit besteht für viele prädikatisierte Gemeinden eine unmittelbarere Verpflichtung zur Einführung der Tourismusabgabe. Dies stellt einen erheblichen Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung dar. Gleichzeitig wird in § 22 Abs. 1 darauf hingewiesen, dass bei Nichteinführung der Gäste- und Tourismusabgabe die Prädikatisierung aberkannt wird. Ein vertrauensvolles Miteinander sieht anders aus. Das neue Finanzsystem scheint vielmehr darauf ausgerichtet zu sein, das künftige Ausbleiben von Landesfördermitteln zu kompensieren.

Die Regelung des § 7 Abs. 3 reguliert die Erhebungsgrundsätze und damit den Teil der Betroffenen, der durch die Abgaben unmittelbar berührt ist. Diese Regelung, dass allen natürlichen Personen, juristischen Personen, Personengesellschaften des Unternehmensrechts, vergleichbare rechtsfähige Gesellschaftsformen, Erwerbsgesellschaften des bürgerlichen Rechts sowie Personenvereinigungen, die in Mecklenburg-Vorpommern eine Tätigkeit selbständig ausüben oder zum Zwecke der Erwerbstätigkeit bzw. Vermietung oder Verpachtung in einer prädikatisierten Gemeinde einen Standort haben abgabepflichtig sind, ist sachfremd. Tatsächlich wird mit der vermeintlichen Offenheit der Regelung im Hinblick auf den mittelbaren und unmittelbaren Nutzen aus dem Tourismus und der Freizeitgestaltung ein allumfassendes Netz über jedes Unternehmen gespannt. Durch die Verpflichtung aus § 7 Abs. 2, dass prädikatisierte Orte zur Deckung ihrer besonderen Kosten und Aufwendungen Abgaben zu erheben haben, wird der Stadt Waren (Müritz) konkret auferlegt für jedes der ca. 1.500 angemeldeten Unternehmen in der Stadt eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, ob dieses einen unmittelbaren oder mittelbaren Nutzen aus dem Tourismus und der Freizeitgestaltung zieht. Die aus der Landesverfassung in Art. 72 Abs. 3 abzuleitende Regel (Konnexitätsprinzip), dass eine Stadt durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes durch Rechtsverordnung zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben verpflichtet werden kann, wenn dabei gleichzeitig Bestimmungen über die Deckung der Kosten getroffen werden, wird mit der Regelung des § 7 Abs. 3 ad absurdum geführt. Die ausufernden und völlig irrationalen Mehrbelastungen für die Stadt Waren (Müritz) werden durch das Gesetz an keiner Stelle kompensiert, indem ein entsprechender finanzieller Ausgleich geschaffen wurde.

Gleiches gilt für die Unternehmen, wo neben einer faktischen Vollerhebung eine massive Belastung vorprogrammiert ist.

Notwendige private Investitionen in die touristische Infrastruktur werden mitunter zurückgestellt. Unternehmensansiedelungen werden erschwert. Es ist zu befürchten, dass das Ladensterben in den Innenstädten weiter zunimmt, zumal die entstehenden Kosten aus der Tourismusabgabe nicht überall 1:1 auf die Gäste umgelegt werden können. Ein noch stärkeres Ausweichen auf den Onlinehandel ist zu befürchten. Gleichzeitig sei darauf hingewiesen, dass ein erheblicher Wettbewerbsnachteil für die städtischen Unternehmen entsteht. Die Kosten aus der Tourismusabgabe führen zu Preissteigerungen in der Gastronomie, dem Einzelhandel, bei Handwerks- und Dienstleistungsunternehmen. Diese höheren Kosten sind auch von den Einwohnern der prädikatisierten Orte zu tragen. Vom Tourismus profitiert jedoch nicht nur der prädikatisierte Ort, sondern die gesamte Region.

Zusätzlich ist zu befürchten, dass die Zahl der Übernachtungen in den Gemeinden zurückgeht. Die Gäste sind in den letzten Jahren deutlich preissensibler geworden. Mecklenburg-Vorpommern konkurriert hier nicht nur mit anderen Bundesländern, sondern auch dem Kreuzfahrttourismus und den Ausflugszielen im Mittelmeer. Vor diesem Hintergrund sollte der Gesetzesgeber den Gemeinden ein echtes Wahlrecht einräumen. Dieses System hat in den vergangenen Jahren bereits sehr gut funktioniert und sollte nicht in Frage gestellt werden.

14.

Steuerrechtliche Einordnung der Gäste- und Tourismusabgabe

Aktuell bestehen bereits eine Vielzahl verwaltungstechnischer Umsetzungsprobleme und Fragen bei der Rechtsauslegung kurtouristischer Einrichtungen. Grundlegende Rechtsanwendungsfragen bestehen vor allem zum Umfang der Vorsteuerabzugsberechtigung. Für die Umsetzung eines Tourismusgesetztes M-V wäre es sehr hilfreich, einen mit der Finanzverwaltung abgestimmten Passus zur steuerlichen Beurteilung aufzunehmen.

Damit hierdurch direkt die Frage geklärt ist, wie man als prädikatisierter Ort eingestuft wird. Unterliegen Gäste- und Tourismusabgabe der Steuer und es besteht ein voller Vorsteuerabzug oder entfällt der Leistungsaustausch und es besteht weder Umsatzsteuerpflicht noch Vorsteuerabzugsberechtigung. Hier sollte eine Rechtssicherheit geschaffen werden.

Die geplante Einführung des Tourismusgesetzes kann eine Chance für unser Bundesland sein, wenn die ursprünglichen Ziele des Gesetzes die Interessen der Gemeinden, Unternehmen, Einwohner und Gäste zukünftig gleichermaßen berücksichtigt. Ich möchte Sie daher bitten, die dargestellten Anregungen und Hinweise der Stadt Waren (Müritz) im weiteren Gesetzgebungsprozess zu berücksichtigen.

Mit freundlichen Grüßen

Norbert Möller
Toralf Schnur
Bürgermeister
Präsident der Stadtvertretung

Frank Müller
Ralf Spohr
AfD-Fraktionsvorsitzender
CDU-Fraktionsvorsitzender

Martin Brümmer
Ingo Warnke
SPD/Grüne - Fraktionsvorsitzender
FDP/MUG - Fraktionsvorsitzender

Heiko Seifert
Die Linke - Fraktionsvorsitzender

____________

[1]Vgl. VG Greifswald vom 07.04.2021 - 3 B 2164/20 HGW.

[2] Vgl. Gesetzesbegründung, S. 4

[3]Vgl. Gesetzesbegründung, S. 3.

[4]Vgl. Gesetzesbegründung, S. 24.

[5]Vgl. Gesetzesbegründung, S. 25.

[6]https://www.marktforschung.de/marktforschung/a/wie-digital-sind-deutschlands-bundeslaender/ (Stand: 04.03.2025)