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Der Amtsbote Am Peenestrom
Ausgabe 4/2025
Aus den Städten und Gemeinden
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70 Jahre Museum Wolgast - Vom Getreidespeicher zum „Schatzhaus der Geschichte“

Abb. 01: Vor einhundert Jahren: Blick auf Gastwirtschaft „Zur Goldenen Traube“

Abb. 02: Blick in die Diele des Wolgaster Museums zur Ausstellungseröffnung „Welt im Wandel - Otto von Bamberg und die Christianisierung der Pommern vor 900 Jahren“ am 07. August 2024.

Das Stadtgeschichtliche Museum Wolgast, von den Einheimischen liebevoll „Kaffeemühle“ genannt, feiert im Jahr 2025 sein 70-jähriges Bestehen. Dieses Jubiläum bietet Anlass, auf die bewegte Geschichte des Museums und seines markanten Gebäudes zu blicken. Seit sieben Jahrzehnten dient es Wolgast als Schatzhaus der Stadtgeschichte, ist in der Altstadt ein zentraler Ort für Veranstaltungen und Ausstellungen und bietet Einheimischen wie Gästen Unterhaltung, kulturelle Teilhabe, Bildung und spannende Einblicke in Wolgasts wechselvolle Vergangenheit.

Wenn Gäste die Wolgaster Kaffeemühle besuchen, sind sie zumeist beeindruckt von der bemalten barocken Decke in der über vier Meter hohen Diele des Museums. Im Kassenraum angekommen, baut sich in den über 100 Jahre alten Regalen eines Kaufmannsladens eine beachtliche Sammlung von Kaffeemühlen auf.

Oft ist dann auch die erste Frage an das freundliche Museumspersonal: „Wurde denn hier Kaffee gemahlen?“

Routiniert zeigen dann die Servicekräfte lächelnd auf ein Modell des Gebäudes mit montierter Handkurbel und erklären: „Nein, Kaffee wurde hier nie gemahlen“, aber aufgrund der eigenwilligen Form des alten Fachwerkgebäudes haben die Wolgasterinnen und Wolgaster ihr Museum „Kaffeemühle“ getauft.“ Einheimische wie Gäste haben in 70 Jahren Museumsgeschichte nahezu 100 Kaffeemühlen in die Sammlung gestiftet.

Die Geschichte des Hauses beginnt aber schon vor mehr als 300 Jahren. Nach dem Stadtbrand von 1713 wurde hier 1714/15 das bis heute stehende Wohnspeichergebäude errichtet, wie jüngst die dendrochronologische Bestimmung bestätigt hat.

Die Bauart mit dem eigenwillig eingezogenen zweiten Speichergeschoss, das mit einer eigenen Außenwand aus der Dachhaut emporragt, ist einzigartig im bürgerlichen Hausbau in Vorpommern. Solche „Sätteriedächer“ („Säteritak“, schwedisch für „Herrenhausdach“) besitzen hier nur noch das Schloss Griebenow und der Kampische Hof in Stralsund. Sie verweisen auf eine architektonische Verwandtschaft nach Schweden, zu dem auch Wolgast bis 1815 gehörte.

1840 ist die Nutzung als Gastwirtschaft "Zur Goldenen Traube" belegt, die bis in die 1950er Jahre als beliebter Treffpunkt diente. Ihr erster Inhaber war ein Herr Sauerbier. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Haus als Unterkunft für Umsiedler genutzt und beherbergte bis 1972 auch die Neuapostolische Gemeinde, die den großen Saal für Gottesdienste nutzte.

Die Geschichte des Museums beginnt vor 70 Jahren: Genau am 6. Juli 1955 öffneten im Erdgeschoss die ersten zwei Räumlichkeiten als Heimatstube.

Bereits 1952 war Wolgast als Kreisstadt des gleichnamigen Kreises im Bezirk Rostock aufgewertet worden. Bürgerinnen und Bürger der damals aufstrebenden Werftstadt befassten sich mit Blick auf das 700-jährige Stadtjubiläum 1957 intensiv mit der Wolgaster Geschichte, und so entstand auch der Wunsch, ein Museum für die Stadt und die Region zu schaffen. Hans Joachim Reff und weitere Gleichgesinnte brachten das Vorhaben voran. Die Ostsee-Zeitung rief am 25. März 1955 die Einheimischen zur Spende historisch wertvoller Dokumente und Objekte auf, was auf großen Anklang stieß.

Mit dem Wachstum der Sammlung und steigenden Besucherzahlen wurde der Platzbedarf des Museums immer größer. Zwischen 1977 und 1982 erfolgte eine grundlegende Rekonstruktion, bei der die Diele auf ihre ursprüngliche Breite erweitert und das Obergeschoss für Ausstellungen erschlossen wurde. Eine weitere Sanierung wurde 1993 bis 1995 mit Mitteln der Städtebauförderung ermöglicht, bei der die Speicherböden ausgebaut wurden. Heute erstreckt sich die Ausstellungsfläche auf fast 700 m² über vier Etagen und vermittelt einen umfassenden Einblick in die Geschichte Wolgasts - von der Residenzzeit der Pommernherzöge über die Schwedenherrschaft bis hin zu Handel, Schiffbau und Industrie im 19. und 20. Jahrhundert.

Ein lebendiger Ort der Geschichte

Das Stadtgeschichtliche Museum Wolgast ist nicht nur eine Sammlung historischer Exponate, sondern auch ein lebendiger Veranstaltungsort. Regelmäßige Führungen, Sonderausstellungen, Vorträge und Events machen es zu einem wichtigen kulturellen Zentrum der Stadt. Besonders die Kulturnacht im August und der Manufakturtag im Oktober laden Einheimische und Gäste dazu ein, die vielfältige Geschichte Wolgasts zu entdecken.

In den vergangenen Jahrzehnten hat das Museum Wolgast durch eine Reihe bedeutender Sonderausstellungen auf sich aufmerksam gemacht.

Ein herausragendes Ereignis war 1995 die Ausstellung "700 Jahre Herzogtum Pommern-Wolgast", die die reiche Geschichte der Kulturregion auf beiden Seiten der Oder beleuchtete und erstmals Exponate aus dem Stettiner Nationalmuseum in Vorpommern zeigte.

Im Jahr 1999 präsentierte das Museum die Ausstellung "Im Hafen von Peppermint: Die Schiffe Lyonel Feinigers", die das maritime Schaffen des Künstlers Lyonel Feininger in den Mittelpunkt stellte.

Ein weiterer Höhepunkt war 2017 die Ausstellung "Face to Face", die Werke von Künstlern mit Weltformat, wie Pablo Picasso, Henri Matisse, Marc Chagall, Otto Dix, Max Beckmann, Georges Braque, Horst Janssen, Andy Warhol und Otmar Alt vereinte und landesweit Beachtung fand.

2020 widmete sich das Museum den landesarchäologischen Entdeckungen entlang der großen Pipelineprojekte in Mecklenburg-Vorpommern, die 10.000 Jahre Siedlungsgeschichte dokumentieren.

Im Jubiläumsjahr 2024, in dem Wolgast seine Ersterwähnung vor 900 Jahren feierte, lag der Fokus auf der zeitgleichen ersten Missionsreise Ottos von Bamberg zu den Pomoranen. Neben Themen mit überregionaler Strahlkraft konzentriert sich das Museum stets auf die Präsentation der eigenen Stadtgeschichte, wie etwa zum Wolgaster Seehandel oder der Mühlengeschichte.

2025 steht die Sonderausstellung im Zeichen der eigenen Sammlung: "Neuzugänge! Die Sammlung des Stadtgeschichtlichen Museums Wolgast".

Vom Puppenwagen bis zum Wolgast-Bild des Marinemalers Willy Stöwer finden hier Museumsobjekte ihr Publikum, die sonst nicht öffentlich präsentiert werden.

Mit Blick auf das Jahr 2027 bereitet sich das Museum auf den 250. Geburtstag von Philipp Otto Runge vor. Als bedeutender Vertreter der Romantik, geboren 1777 in Wolgast, prägte Runge die Kunst seiner Zeit maßgeblich. Das Stadtgeschichtliche Museum plant in den eigenen Räumichkeiten und im Rungehaus und Veranstaltungen und Sonderausstellungen zum Leben und Werk des wohl berühmtesten Wolgasters.

Es bleibt also spannend!

Stefan Rahde
Besuchsinformationen

Kontakt:

Stadtgeschichtliches Museum Wolgast

Rathausplatz 6

17438 Wolgast

03836-203041

museum@wolgast.de

Öffnungszeiten

Stadtgeschichtliches Museum "Kaffeemühle":

November bis April: Dienstag bis Samstag, 10:00 - 16:00 Uhr

Mai bis Oktober: Dienstag bis Sonntag, 10:00 - 16:00 Uhr

Rungehaus:

Mai bis Oktober: Dienstag bis Samstag, 10:00 - 16:00 Uhr