1. Heute vor 80 Jahren hat die faschistische deutsche Wehrmacht in einer französischen Schule vor den anwesenden Vertretern der Alliierten Streitkräfte, also den sowjetischen, amerikanischen, britischen, und französischen, endgültig kapituliert! Eine beispiellose Vernichtung von Juden, Sinti+ Roma, aber auch von Kommunisten, Sozialdemokraten und Christen, die versuchten, im Untergrund gegen den Faschismus zu kämpfen, ging zu Ende. Noch in letzter Minute wurden Tausende aus den Konzentrationslagern auf Todesmärschen zu Tode gequält.
Tausende deutsche und internationale Antifaschisten kämpften und starben in den Interbrigaden Spaniens, der französischen Resistance und in den alliierten Streitkräften. Ihnen allen gilt unser Gedenken und unsere Dankbarkeit.
Wolfgang Hübner schreibt dazu im ND:
„Wie soll man an die Befreiung vom Faschismus im Frühjahr 1945 angemessen erinnern? Wie soll man der Opfer, vor allem der etwa 27 Millionen Sowjetbürgerinnen und Bürger gedenken, die von deutschen Faschisten und ihren Verbündeten getötet wurden? Diese Fragen stellen sich seit dem russischen Überfall auf die Ukraine vor mehr als 3 Jahren – und sie lassen keine einfachen Antworten zu. Denn jede einfache Antwort verschweigt etwas. Die eine einfache Antwort wäre: wir laden die Russen aus und halten sie fern, denn mit Aggressoren feiert man nicht. Eine entsprechende Empfehlung hat das baerbockige auswertige Amt herausgegeben. Die andere wäre: Augen zu und durch – egal, was Putins Armee gerade in der Ukraine anrichtet. Beides wäre falsch. Geschichtsvergessenheit wiegt Gegenwartsvergessenheit nicht auf.
Es genügt nicht die einfache Wahrheit, wie der Dramatiker Volker Braun in anderem Zusammenhang festhielt.
2. In aufgeklärten Zeiten und unter aufgeklärten Leuten sollte es möglich sein, die Verdienste der Sowjetunion im Kampf gegen den Hitlerfaschismus anzuerkennen und gleichzeitig zu kritisieren, wie dieses Erbe von Putin in den Dienst seiner Aggressionen in der Ukraine gestellt wird. Es sollte möglich sein, den russischen Angriffskrieg zu verurteilen und zugleich die Verstrickungen und Interessen des Westens im Ukraine-Konflikt zu benennen. Es sollte möglich sein, trotz allem Dankbarkeit dafür zu bekunden, dass maßgeblich die Rote Armee- die viele Gesichter hatte, nicht nur russische – unter riesigen Opfern das geschafft hat, was die Deutschen nicht konnten oder wollten: dieses Land vom Faschismus, von einem mörderischen Regime zu befreien. (…) Die historische Verantwortung, die aus den Naziverbrechen erwächst, wird nie abgegolten sein; daraus selbstgerecht eine moralische Überlegenheit abzuleiten, ist nicht weniger fatal als die Verbrechen zu verharmlosen. Deutschland ist und bleibt, was den zweiten Weltkrieg angeht und die Zeit des Faschismus betrifft, das Land der Täter... Wer sind die Deutschen mit ihrer Geschichte des Herrschaftsanspruchs und des Rassenwahns, dass sie gegenüber anderen den Daumen heben oder senken dürften? Haltung sollte sein, Demut aber auch. Zumal dieser 80. Jahrestag der Befreiung der letzte runde seine dürfte, bei dem sich noch Zeitzeugen äußern können. Vor 40 Jahren, 40 Jahre nach dem Ende des Kriegs bezeichnete der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker den 8. Mai als Tag der Befreiung, an dem man aller Völker gedenke, „die im Krieg gelitten haben, vor allem der unsäglich vielen Bürger der Sowjetunion und der Polen, die ihr Leben verloren haben.“ Es war im Jahre 1985 eine geschichtspolitische Revolution für die alte Bundesrepublik. Das vereinigte Deutschland sollte nicht dahinter zurückbleiben. „Schauen wir am heutigen 8. Mai so gut wir es können der Wahrheit ins Auge“ – sagte Weizsäcker. Einfach ist diese Wahrheit nicht, die Widersprüche dabei müssen wir alle aushalten.