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Grabower Amtsanzeiger
Ausgabe 6/2024
Nichtamtlicher Teil
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"Ich bin als Mensch geboren und will als Mensch hier raus!“

Diese Zeilen wurden von einem jungen Menschen in großer Not an die Wand einer Arrestzelle im Jugendwerkhof Torgau geschrieben.

In diesem Schuljahr wurde in Kooperation mit der Deutschlehrerin Frau Heidtmann und der Schulsozialarbeit im Wahlpflichtfach Deutsch ein ganz besonderes Projekt verwirklicht. Mit den Schülern und Schülerinnen der Klassenstufe 9 wurde das Buch „Weggesperrt“ von Grit Poppe gelesen. Der Jugendroman skizziert eine erschütternde Geschichte über das schonungslose Vorgehen mit Andersdenkenden in der DDR. Offen zeichnet die Autorin das Schicksal ihrer Protagonistin nach, die zwar eine fiktive Figur ist, deren Darstellung sich jedoch eng an der Realität orientiert und somit tatsächlich an das Grauen erinnert, das die jugendlichen Insassen im geschlossenen Jugendwerkhof Torgau in der DDR erfuhren. Sie klärt über die damaligen Zustände in den Umerziehungsheimen der DDR auf. Das Buch leistet eine eindringliche Aufklärungsarbeit über ein Stück verdrängter DDR-Geschichte. Dass junge Menschen sich mit dem dunklen Kapitel der DDR-Heimerziehung auseinandersetzen können, ist auch für mich eine Herzensangelegenheit. Vor fast 40 Jahren musste ich, während meiner Ausbildung zur Heimerzieherin, selbst miterleben wie menschenunwürdig in den Spezialkinderheimen mit Kindern und Jugendlichen umgegangen wurde. Deshalb konnte ich als Zeitzeugin anschaulich berichten, wie damals versucht wurde, den Willen der Jugendlichen zu brechen und sie an das Kollektiv des DDR-Systems anzupassen.

Die Schüler und Schülerinnen haben sich beim Lesen des Buches sehr interessiert und begeistert gezeigt. Im Vorfeld konnten sie Referate über die DDR-Zeit, nach eigens gewählten Inhalten, halten. Hierfür sind sie ins Gespräch mit ihren Eltern und Großeltern gekommen. Das Geld für die Anschaffung der Bücher bekamen wir von der Bundesanstalt für politische Bildung. Zum Abschluss unseres Projektes werden wir nach Schwerin ins Dokumentationszentrum fahren. Dort können die Schüler und Schülerinnen sich der Geschichte der politischen Verfolgung in der DDR aus der Perspektive des Landes Mecklenburg widmen. Diese Fahrt wird durch den Landkreis aus dem Bundesprogramm „Demokratie Leben!“ finanziert.

Sabine Wendt/Schulsozialarbeit (esf finanziert)