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Müritz Tipp
Ausgabe 10/2025
Regionales/Aktuelles
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„Den Bahnhof zu sanieren, macht mir großen Spaß“

Nossentin. (bedi). „Immer wenn ich nach Malchow fuhr und unser Bahnhofsgebäude anschaute, machte mich dieser Anblick traurig.“ Der gebürtige Magdeburger Nenard Geißler, der 1999 nach Nossentin gezogen war, kannte den denkmalgeschützten Komplex nur so, wie er sich damals präsentierte: verfallend. Mitte der 1990-er Jahre hatte die Deutsche Bahn ihn aufgegeben und an einen Privatier verkauft. „Der Denkmalschutz verpflichtet allerdings nicht zum Sanieren“, kommentiert der 60-jährige. Damit der Bahnhof Nossentin mit seiner wechselvollen Historie nicht verloren geht, kaufte Geißler ihn 2021 dem Privatier ab. „Ich bin überzeugt: Menschen werden krank, wenn sie ihre Geschichte vernachlässigen. Dem wollte ich entgegenwirken.“

Nach dem Kauf plante Nenard Geißler die Baumaßnahmen und stellte den Bauantrag. Gleichzeitig recherchierte er im Landesarchiv in Schwerin zu dem, was ihn besonders interessierte: die Vergangenheit seines Objektes. Von 1870 bis 1880 wurde dessen Mittelteil errichtet - zunächst in Fachwerk. In den Zwanziger und Dreißiger Jahren baute man links und rechts an und verkleidete alles mit Ziegeln. So erhielt der Bahnhof seine heutige Form. Über die Jahre waren hier neben Warteraum, Fahrkartenausgabe und Stellwerkstechnik auch Wohnräume untergebracht. Darin lebten die Bahnwärterfamilien. Die Nebengebäude beherbergten Waschküchen, Garagen und Ställe. Auf der Nutzfläche von mehreren Tausend Quadratmetern um den Bahnhof bauten die Familien im Nebenerwerb Gemüse an. Zwischenzeitlich war Nossentin nur Haltepunkt, wurde aber in den 1970-ern zum Kreuzungsbahnhof „für den militärischen Ernstfall“ ausgebaut. Das Ausweichgleis für die Züge hat man später stillgelegt und die Signale entfernt. Nossentin ist jetzt ein einfacher Haltepunkt mit Unterstand. Das letzte Relikt alter Zeiten, ein Pissoir in einem Anbau, wurde 2000 geschlossen.

2022 startete Nenard Geißler die Komplettsanierung: Mit der Hilfe von Bauunternehmen entkernte, entrümpelte er, riss die Zwischenwände aus DDR-Zeiten heraus. Behutsam bringt er die Wände innen und außen wieder in den Originalzustand, erneuert Dielen und Dach. „Hier zu arbeiten, macht mir großen Spaß!“ Dabei entdeckt Geißler oft interessante Dinge: die Hülse einer Flakgranate der Wehrmacht, den Teil einer Schiene von 1888 oder eine Ausgabe der „Freien Erde“ von 1968. Wenn wie geplant Ende des Sommers das Gros der Baumaßnahmen abgeschlossen sein wird, kann er seine Nutzungsideen konkretisieren. Von Wohnungen über Ateliers oder Büros - bezüglich der entstehenden drei Einheiten ist er für alles offen. Der Sanierer könnte sich auch eine Zusammenarbeit mit Kirche oder Gemeinde vorstellen - oder mit dem „Kunst- und Kinokirche Nossentin“ e. V., dessen Vorstandsvorsitzender er ist.