Ende Oktober öffnet sich der Vorhang für die Jubiläumsausgabe der dokumentART. Rund 50 Dokumentar-, Animations- und Kurzspielfilme werden im Europäischen Wettbewerb sowie in Sonderprogrammen gezeigt. Der inhaltliche Fokus liegt auf Filmen, die sich auf unterschiedliche Weise mit dem Thema Zukunft beschäftigen, formal bewegen sich die Streifen zwischen Avantgarde und Tradition. Aufgrund der geographischen Lage gibt es beim Festival neben dem Wettbewerb in zwei Programmen einen Fokus auf Osteuropa - in Zeiten des Ukrainekrieges auch in filmkünstlerischer Hinsicht eine besondere und besonders spannende Herausforderung. Weitere Schwerpunkte im Wettbewerbsprogramm 2023 sind unter anderem Migration, queere Lebensläufe, der Dialog zwischen den Generationen, der Klimawandel und Nachhaltigkeit.
Zwei Schulprogramme, Specials, Retrospektiven und regional orientierte Angebote ergänzen das internationale Programm. Eine Besonderheit der dokumentART ist die Simultanübersetzung aller Wettbewerbsfilme, die nicht in deutscher Sprache vertont oder untertitelt sind und somit die Inhalte gleichzeitig einem europäischen wie lokalen Publikum zugänglich macht. Auch die 30. Ausgabe läuft in einem der charmantesten Kinos des Landes, nämlich der Filmkirche „Latücht“ in Neubrandenburg. Specials und Sonderprogramme werden im modernen Cinestar gleich nebenan gezeigt. Doch warum in Zeiten von Homekino und Serien-Streaming ein aufwändig vorbereitetes Filmfest? „Die Begegnungen, Diskussionen, das gemeinsame Filmerlebnis vor Ort bleiben - auch wegen der bis vor Kurzem eingeschränkten sozialen Kontakte - weiterhin interessant. Durch die Themenauswahl wird zudem das Gespräch über die Inhalte, Formen und Prozesse teilweise so wichtig wie die Filme selbst“, meint die neue Festivalleiterin Nora Molitor. Wie beliebt die dokumentART ist, zeigt sich auch an den 2000 Filmen, die allein für 2023 eingereicht wurden. DieProgrammkommission, zusammengesetzt aus Filmexpert:innen, hat eine Vorauswahl in die gemeinsame Sichtunggegeben. Zwei Wochen lang wurden im nächsten Schritt acht Stunden täglich Filme geschaut, diskutiert und gemeinsam für das Programm ausgewählt.
30 Mal dokumentART seit 1992, das muss in so kunstfernen und finanziell klammen Zeiten erst einmal gelingen. Eigentlich gab es das Dokumentarfilmfest schon vor der so genannten „Wende“, nämlich bis 1990 als „Nationale Dokumentarfilmwochen der DDR“. Verbindende Grenzüberschreitungen sind nicht nur inhaltlich und formal ein Schwerpunkt der dokumentART, sondern auch geografisch: Festivalausgaben fanden auch in Stettin statt, und zwar im ältesten Kino Europas von 1909, dem „Pionier“. Dazwischen galt es immer wieder, finanzielle Unterstützung einzuwerben. Nicht nur einmal gab es das große Zittern: Wird das größtenteils geförderte Festival weiter ausgetragen werden können? Doch der Zuspruch treuer Fans, die tolle Publikumsresonanz und das Engagement von Cineasten ließen einfach nicht zu, dass das Herz dieses kleinen, aber feinen Filmfestes aufhören sollte zu schlagen. Auch von der Pandemie hat sich das Festival, das in den letzten Jahren nicht jährlich stattfinden konnte, weitgehend erholt.
Allein der langjährige Festivalleiter, Holm-Hennig Freier, weist eine filmreife Vita auf: Der einstige Schauspieler, der nur einen Steinwurf von den DEFA-Studios entfernt in Potsdam-Babelsberg aufgewachsen ist und auch an der dortigen Filmhochschule Filmwissenschaften studierte, hat unter anderem als studentischer Kaskadeur bei Indianerfilmen oder auch beim legendären DEFA-Mantel- und Degenfilmen mitgewirkt und später selbst Filme gemacht.
Auch die neue Festivalleiterin Nora Molitor ist eine Referenz in Sachen Film: Während ihres Studiums der Interkulturellen Kommunikation in Saarbrücken begann sie für Filmfestivals, Kinoprogramme und später im Verleih wie dem „Arsenal“ zu arbeiten.
Grafik: Latücht e. V.