Malchow (bedi). Das markante Gesicht des Dichters und Schriftstellers Johann Wolfgang von Goethe ist heute noch auf zahlreichen Zeichnungen und Gemälden und an Skulpturen zu sehen. Eine der bekanntesten Darstellungen: „Goethe in der Campagna“ von Johann Heinrich Wilhelm Tischbein. Sie zeigt den Dichter auf seiner Italienreise von 1786 bis 1788. Er ruht zwischen einem ägyptischen Obelisken, einem griechischen Relief und einem römischen Kapitell und blickt sinnierend in die Ferne. Iris Ruß, Literaturliebhaberin und Hobbyautorin aus Waren, hatte für ihre Lesung des ersten Teils von Goethes „Italienischer Reise“ jedem Zuhörer im alten Schulzimmer des „Kiek in un wunner di“ in Malchow ein Blatt auf den Tisch gelegt. Darauf waren das Tischbein-Gemälde und die Reiseroute des Dichters abgedruckt. Zu Beginn der Veranstaltung stellte Iris Ruß dem Publikum zunächst das Werk vor, aus dem sie lesen würde. „Ich liebe dieses Buch und die Geschichten, die darin enthalten sind! Denn die „Italienreise“ zeigt uns eine ganz andere Seite von Goethe.“ Iris Ruß hat das gewichtige Buch im Antiquariat gekauft und sich nach und nach erschlossen. Davon zeugen die Bleistiftnotizen, die sie am Rand der Seiten gemacht hat. Bei der Lesung trug sie mehrere Auszügeim Wechsel mit eigenen Zusammenfassungen und Erläuterungen vor. „Sich auf eine Lesung vorzubereiten, heißt immer: viel Recherchearbeit.“
In sechzig Minuten ließ Iris Ruß die Zuhörer mit dem damals 37-jährigen Goethe von Karlsbad nach Italien reisen. Der Dichter war zu jener Zeit unzufrieden mit seinem Status als Künstler und Angestellter am Weimarer Hof und durchlebte eine Schaffenskrise. Von der Reise erhoffte er sich neue Inspiration. „Er fuhr inkognito unter dem Namen Johann Philipp Möller, war meist mit Postkutschen unterwegs und hielt seine Eindrücke in einem Tagebuch fest. Aus diesem entstand später das Buch“, erzählte die Vorleserin. Als gebildeter Mann sprach Goethe ein wenig Italienisch, zudem war er finanziell abgesichert, weil er sein Gehalt am Hof weiter erhielt. Im ersten Teil der Reise gelangte er von Karlsbad über Eger, Regensburg, Innsbruck und den Brenner nach Bozen und an den Gardasee. Er ließ den Leser miterleben, welches Wetter herrschte, wie die Landschaft beschaffen war und welche Gebäude er in den Städten besonders beeindruckend fand. Sehr treffend und anschaulich berichtete er von Menschen, denen er begegnete, wie der elfjährigen Tochter eines Harfners, die er in seiner Kutsche mitreisen ließ.
Im „Kiek in“ wurde bisher meist auf Platt vorgelesen oder rezitiert. „Die heutige Veranstaltung auf Hochdeutsch ist ein Experiment“, sagte Leiterin Martina Kurtz in ihrer Begrüßung. Die Idee zu der Lesung entstand, als Iris Ruß und die Museumsleiterin sich im vergangenen Jahr beim Goethe-Festival in Waren trafen. Iris Ruß, die auch bei den „Müritzer Schreibfedern“ als Hobbyautorin aktiv ist, präsentierte dort ebenfalls Auszüge aus der „Italienischen Reise.“ Vielleicht gibt es ja auch im „Kiek in“ eine Fortsetzung - mit dem zweiten Teil?