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Mittelahr Bote
Ausgabe 19/2023
Aktuelles
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So toll hätte es werden können

Nicht wiederzuerkennen: so stellen sich Yunfan Chen, Philipp Schwendemann und Tong Shen das künftige Mayschoß vor.

Diskussionen über Modelle, Zeichnungen und freie Ideen zu einem neuen Ahrtal.

Aachener Studenten stellen ihre Ideen für die „neue Mittelahr“ vor

DERNAU. TW. Große Augen und ungläubiges Staunen: wie hätte die Mittelahr doch nach der Flutkatastrophe nachhaltig und mit Blick auf Mensch, Fluss, Weinwirtschaft und Tourismus im Einklang mit der Umgebung und der Natur neugestaltet werden können. Da denkt manch ein Betrachter einer Ausstellung, die am vergangenen Freitag in Dernau Station machte, an Vokabeln wie „Zukunftsregion Ahrtal“ zurück, die nach der Verdauung des ersten Schocks nach dem 15. Juli 2021 auf den beiden, vor allen Dingen aber der ersten Zukunftskonferenz in der Grafschaft gehalten wurden. Was ist davon geblieben? Auf der einen Seite viel Geld von Bund und Ländern für den Wiederaufbau, gefeiert und gelobt als großer solidarischer Akt, vor allem von der Politik.

Vor allem die Kommunalpolitik sagt aber auch etwas anderes, wenn auch meist hinter vorgehaltener Hand: „Wie kann es sein, dass dank des Wiederaufbaugesetzes auch die Fehler der Vergangenheit mit kaum erkennbarem Mehrwert wieder aufgebaut werden? Selbst Mitteleinsparungen sind nicht gewünscht, wenn das Ergebnis besser wird, als die Situation zuvor. „Die Länder wollen nicht, dass mit ihren Mitteln einer Region in einem anderen Bundesland ein Vorsprung finanziert wird“, ist da zu hören.

Wie ein solcher Vorsprung aussehen könnte, haben 18 Studenten der RWTH Aachen skizziert. Unter der Leitung von Professorin Anke Naujokat entwickelte der Lehrstuhl für Architekturgeschichte die Ausstellung Futur[AHR] – Zukunftsperspektiven für das Ahrtal. Die Studierenden konnten sich für ihre Ideen Ortschaften zwischen Dernau und Altenahr aussuchen oder die Winzergenossenschaft Mayschoß-Altenahr als eigenen Punkt behandeln. Es ging auch um die Verhinderung von Vereinheitlichung. Einen besonderen Schwerpunkt spielten die historisch gewachsenen und identitätsstiftenden Merkmale des Ahrtals, die in vielfältiger Weise, teils offensichtlich durch Landmarken wie Höhenburgen oder Stadtmauern, teils aber auch erst bei näherer Betrachtung durch die spezifische Lage im Tal oder eine nach den jeweiligen Erfordernissen der Ortsgemeinschaft ausgerichtete Dorfstruktur erkennbar werden. Begleitet wurden die Studenten von Yannick Ley, dessen Wurzeln an der Mittelahr liegen.

Und so skizzierten Zainab Ahmed und Osman Ahmed im Altenahrer Seilbahnviertel das Projekt Wet Land Park, eine Wohnlandschaft auf Stelzen, die den möglichen Umgang mit Überflutungen unter Anwendung des Prinzips einer Schwammlandschaft aufzeigt. Mareike Goldbach und Sheldon Stephens wollen Altenahr innerorts vom Durchgangsverkehr entlasten und führen diesen neben der Bahntrasse entlang, also am anderen Ahrufer. Christian Klosterkötter und Judith Sigel möchten mit mehreren Maßnahmen entlang der Ahr eine neue Perspektive für den Ort Mayschoss bieten. Genutzte Uferbereiche, aber auch gleichzeitig Retentionsflächen sehen Nyasha Herberg und Angelika Jewsikow in Rech, ihr Entwurf enthält übrigens eine wiederhergestellte Nepomuk-Brücke. Nianru Bei und Elisabeth Heuermann wollen die beengte Situation entlang der Ahr in Dernau auflösen. Der Dorfplatz soll einen neuen Standort erhalten und gleichzeitig als neuer Eingang zum historischen Ortskern dienen. So kann die Bahn näher an die Bundesstraße heranrücken und der Ahr mehr Raum verschaffen.

Die Hälfte der Studenten beschäftigte sich mit Mayschoß und der Winzergenossenschaft. Besonders beeindruckte die Idee von Yunfan Chen, Philipp Schwendemann und Tong Shen. Der Schutz von Menschenleben hat bei diesem Entwurfskonzept oberste Priorität, es soll eine erheblich größere Wassermenge aufzunehmen sein als bisher. Und der Ort muss erreichbar bleiben. Sie sehen die Bundesstraße auf einer knapp 400 Meter langen Brücke in gebührendem Abstand am Ortskern vorbeigeführt. Der Bereich am Waagplatz wird terrassiert und fungiert neben der Lenkung der Wassermassen auch als eine Art Frühwarnsystem bei Hochwasser. Die neue Zugänglichkeit der Ahr schafft eine Anbindung des Dorfkerns an die Auenlandschaft. Es entsteht neben einem barrierefreien Zugang zum Fluss Platz für Gastronomie- und Festbetrieb, dazu ein öffentliches Gebäude am Ende der Terrassierung mit flexibler Nutzung. So toll hätte es werden können.