Mitten in einer Zeit, in der bundesweit die Innenstädte mit Leerstand, schwindender Aufenthaltsqualität und einem wachsenden Gefühl von Anonymität kämpfen, schlägt Betzdorf bewusst einen anderen Weg ein: einen, der auf Mitgestaltung, Teilhabe und das unbezahlbare Kapital des Ehrenamts setzt. Im Zentrum dieser Bewegung steht ein unscheinbares Gebäude am Busbahnhof- die ehemalige Goldschmiede Zöller.
Was auf den ersten Blick vielleicht wie ein kleiner Umbau wirken mag, entfaltet bei näherem Hinsehen eine deutlich größere Wirkung. Die Goldschmiede, künftig Standort für die Jugendpflege und das Projekt „Betzdorf digital“, wird nicht nur funktional aufgewertet, sondern erhält auch eine neue Bedeutung als soziale Drehscheibe, ein Ort, der bewusst für junge Menschen geöffnet wird. Hier zieht ein Angebot ein, das präventiv wirken soll. „Wir wollen nicht nachträglich reparieren, sondern vorausschauend gestalten“, bringt es Bürgermeister Joachim Brenner auf den Punkt.
Ein Platz, der bleiben lässt
Auch der umliegende Platz, bislang eher als graue Durchgangszone wahrgenommen, soll mit Grün, Aufenthaltsflächen und Licht zu einem Ort werden, der zum Verweilen einlädt, gerade auch in den Abendstunden. Die Modernisierung der Beleuchtung spielt dabei eine ebenso zentrale Rolle wie die geplante Gestaltung mit Pflanzbeeten und Farbakzenten, die Bürgerinnen und Bürger aktiv mitbestimmen können.
Diese Verschönerung ist kein reines „Top-down“-Projekt der Verwaltung. Sie ist bewusst als gemeinschaftlicher Prozess angelegt. Unter dem Motto „Eine Stadt für alle- mit allen schaffen“ ruft die Stadtverwaltung zur aktiven Beteiligung auf. Ehrenamtliche Initiativen übernehmen Verantwortung, sei es bei der Pflege öffentlicher Flächen oder bei der Gestaltung leerstehender Schaufenster. Das Ehrenamt wird hier nicht als Lückenfüller verstanden, sondern als identitätsstiftende Kraft. Stadtbürgermeister Johannes Behner bringt es unmissverständlich auf den Punkt: „Wer eine lebenswerte Stadt will, muss auch bereit sein, selbst Hand anzulegen.“
Leerstand kreativ nutzen: Eigentümer in der Pflicht
Citymanager Kevin Wallimann arbeitet unterdessen am Aufbau eines Leerstandskatasters, das nicht nur den Zustand, sondern auch die Potenziale leer stehender Objekte erfasst. Der Fokus liegt auf temporärer Zwischennutzung, oft in Zusammenarbeit mit Vereinen, Kulturinitiativen oder historischen Projekten. Dass viele Ladenlokale in privatem Besitz sind, erschwert die Handlungsfähigkeit der Kommune. Daher geht der Appell auch an die Eigentümer: Räume öffnen- zumindest ihre Schaufenster, um dem Leerstand entgegenzuwirken.
„Wir wissen, dass nicht alles sofort geht und wir wollen auch keine falschen Versprechen machen“, sagt Behner im Gespräch mit der Presse. „Aber wir arbeiten Schritt für Schritt daran, neue Impulse zu setzen. Die Stadt, das sind nicht die da oben, sondern wir alle gemeinsam.“
240.000 Euro für die Zukunft und das Bewusstsein für den Wandel
Für die Sanierung der Goldschmiede werden Mittel in Höhe von 240.000 Euro bereitgestellt, auch für eine energetische Erneuerung. Parallel läuft das Bewerbungsverfahren zur Aufnahme in das Integrierte Städtebauliche Entwicklungskonzept (ISEK). Sollte der Antrag bewilligt werden, eröffnen sich Betzdorf neue finanzielle Spielräume zur weiteren Aufwertung der Innenstadt. Doch auch hier gilt: Der Wandel ist ein Marathon, kein Sprint.
Stadt mit Vorbildcharakter
Mit dem Umbau der Goldschmiede, der Einbindung der Jugendpflege und dem gezielten Appell an die Zivilgesellschaft will Betzdorf zeigen, dass Stadtentwicklung nicht allein aus Bauprojekten besteht, sondern aus Haltung. „Wir dürfen die Stadt nicht sich selbst überlassen“, mahnt Behner. „Und wir müssen als Stadt mit gutem Beispiel vorangehen.“
Die Beteiligung der Bürger wird hier ausdrücklich gewünscht und organisiert. Dafür steht auch das Engagement der Aktiven rund um die Pflanzbeete, die Farben der Stadt und die kleinen Gesten, die aus grauem Raum wieder einen öffentlichen Ort machen. Ein lebendiger Platz braucht mehr als Asphalt, er braucht Menschen, die ihn mit Leben füllen.
Wer sich beteiligen möchte, sei es im Ehrenamt, bei der Gestaltung von Schaufenstern oder der Pflege öffentlicher Flächen, kann sich an Citymanager Kevin Wallimann wenden (E-Mail: kevin.wallimann@betzdorf.de).