„Ring Ring Ring!“ Das Telefon klingelt. So geht es schon den ganzen Tag. Es ist am frühen Abend, das Telefon klingelt erneut bei Günter Lindenpütz in Breitscheidt. Mal wieder auf den letzten Drücker melden noch ein Jagdpächter die Wiesen seines Reviers zur Kitzrettung an. Die Absuchen-Liste ist mal wieder übervoll. Schönes Wetter ist gemeldet, die Bauern möchten mähen. Nun heißt es, schnell die Termine mit den Drohnenpiloten neu koordinieren und die Helfer organisieren. Die Helfer sind hierbei mehr als wichtig, denn sie holen in den frühen Morgenstunden während der Dämmerung die Kitze aus den Wiesen.
Günter weiß zu berichten, dass oftmals die Jagdpächter und Jäger der Reviere für diese kurzfristigen Termine nicht verantwortlich sind. Für die Jagdausübenden ist es ein Ehrenamt, die Verantwortung liegt bei jedem Landwirt der die Flächen mäht, aber oft sind diese auch abhängig vom Maschinenpark oder den Lohnunternehmen. Die Kitzrettung nimmt dieses Problem aber eher sportlich, denn in der Mähsaison wird’s halt immer eng. Da ist man vom Wetter abhängig. Haben wir drei sonnige Tage, um das Heu trocken reinzuholen? Der Jäger bekommt dann erst die Info und meldet sich dann beim Hegeringsleiter. Jeder Anruf dient dem Tierschutz und das spornt die Kitzretter an.
Seit einigen Jahren ist man hier schon mit mehreren Drohnenpiloten aktiv. Man hat auch Helfer aus dem Hegering, die in allen Revieren helfen und die Jagdpächter und Landwirte schicken auch sporadisch Helfer.
„Brrr Brrr Brrr!“ 4 Uhr morgens, bei Johannes in Pracht klingelt der Wecker. Er drückt ihn schnell weg und springt aus dem Bett, um nicht den Rest des Hauses zu wecken. Schnell zieht er sich an, packt die Tasche zusammen. Vor der Tür steht Günter und wartet schon im Auto auf ihn. Er hat die Drohne und die Walkie-Talkies eingepackt.
Sie fahren zum ausgemachten Treffpunkt und treffen sich dort mit diversen Jägern und den Landwirten. Zwei Drohnenpiloten stehen bereit um gemeinsam die Drohne zu fliegen, einer schaut gespannt aufs Display, während der andere den Sichtkontakt zur Drohne hält.
Die Walkie-Talkies sind eingeschaltet bei den Helfern die sich am Rand der Wiese verteilt haben. Die Helfer tragen wasserabweisende Kleidung, haben Wäschekörbe dabei und warten auf die Anweisung der beiden Piloten. Da ist ein großer und ein kleiner gelber Punkt auf dem Display. Die Piloten geben den Startschuss für die beiden ersten Helfer. Die Drohne kreist über den Punkten, je näher die Helfer kommen, umso niedriger kommt die Drohne, um den Helfern den Rettungspunkt anzuzeigen. Als die Helfer noch 15 Meter entfernt sind, springt der größere Punkt auf und verschwindet durch die Wiese in den Wald. Das Muttertier ist abgesprungen! Der kleine gelbe Punkt liegt noch. Die Helfer haben das fliehende Reh ebenfalls gesehen. Sie gehen langsam auf den Platz zu.
Kurz vor dem Kitz reißen sie etwas Gras aus und wickeln das Kitz damit ein. Sie tragen es aus der Wiese und stellen den Wäschekorb falsch herum drüber, damit es nicht flüchten kann. Nachdem gemäht wurde, lässt der Landwirt die Kitze aus den Körben. Günter holt diese dann später wieder ab.
Tragen die Helfer das Kitz raus, ist die Drohne schon wieder unterwegs und zieht ihre Bahnen über der Wiese. Nach jeder abgesuchten Fläche steigen die Helfer in ihre Autos und fahren zum nächsten Ort, bis alle angegebenen Flächen abgesucht sind. Ab etwa 8.00 Uhr wird die Suche immer schwieriger und später nicht mehr möglich: da werden die Gräser durch die Sonnenstrahlen so aufgeheizt, dass keine Kitze mehr durch die Wärmebildkamera der Drohne erkennbar sind.
Je später im Frühjahr, desto aktiver sind die Kitze, wissen die langjährigen Helfer der Kitzrettung zu berichten. Da kann man diese nicht mehr einfangen, sie laufen aus der Wiese eigenständig. Da melden wir den Landwirten, die Stellen an denen die Kitze gesichtet wurden und lassen dort anfangen zu mähen. Somit besteht eine Chance, dass die Kitze nicht so schnell zurück zur Wiese kommen.
Die Kitzretter, kennen mittlerweile schon Lieblingswiesen der Kitze, es sind meistens immer die gleichen Wiesen, wo Kitze aufzufinden sind. Jedes Jahr tragen die Helfer des Hegerings 20 bis 30 Kitze aus den Wiesen.
Warum machen die Jäger dies? ‚Sie schießen diese doch sowieso alle tot!‘, sagen manche Tierschützer. Wir Jäger retten die Kitze aus den Wiesen, damit diese nicht von Mähwerken verstümmelt werden und die Tiere dann über Stunden oder Tage verhungern, verdursten oder an den Verletzungen sterben.
Auch bei Verkehrsunfällen mit weiblichen Rehen sind die Kitzretter im Einsatz. Kommt ein Muttertier zu Schaden, fliegen sie die anliegenden Flächen ab und suchen Kitze um diese dann mit aktiven Fotofallen zu bestücken. Kommt keine Ricke mehr zurück, kümmern sie sich um einen Platz in einer Wildauffangstation und bringen das Kitz dorthin. Hier konnten die Kitzretter in den letzten Jahren auch einige Kitze retten. Seit letztem Jahr lebt zum Beispiel der Rehbock Wotan beim Karibu. Ohne das ehrenamtliche Engagement von diversen Interessengruppen wäre dies alles nicht möglich.
Wir Helfer vom Hegering Hamm machen dies ebenfalls ehrenamtlich. Unseren Sprit, Arbeitszeit, unsere Ausrüstung zahlen wir alle selbst. Ab und an bekommen wir auch in den Ortschaften eine Spende aus der Jägerschaft oder von den Landwirten die wir auch gerne entgegennehmen und davon unser kleines Grillfest für die Helfer gestalten.
Gerne können sich Interessierte beim Hegeringsleiter Günter Lindenpütz, Mobilnr. 015201734682 melden. Die Kitzrettung findet je nach Witterung ab Ende April bis Mitte-Ende Juni statt. Immer recht kurzfristig am Vortag gibt es dann die Infos, wann gemäht werden soll und wo man sich treffen will. Die Zusammenarbeit von Landwirten und Jägern ist hier unumgänglich. Auch wenn es nicht in der Verantwortung der Jägerschaft liegt, so unterstützen wir doch gerne die hiesigen Landwirte zum Wohle unserer Wildtiere.
Das frühe Aufstehen lohnt sich, es ist ein richtiges Glücksgefühl, wenn man ein Kitz raustragen kann, wissen die Altgedienten zu berichten. Wir freuen uns über Mithilfe!