Duo "Aliada"
"open your wings" Konzert
Trotz des EM-Viertelfinalspiels Spanien gegen Deutschland am frühen Abend hat sich am 5. Juli um 21 Uhr bei Sonnenuntergang das Foyer im Kunsthaus Wäldchen, generationsmäßig ausgeglichen gemischt, gut gefüllt, als die beiden begnadeten Musiker Michal Knot, Sopransaxophon, und Bogdan Laketic, Akkordeon, mit den ersten, stillen Tönen die Aria ihres Arrangements von Johann Sebastian Bach Goldbergvariationen beginnen. Und es sollte sich lohnen. Die beiden Musiker präsentieren das universelle Werk mit seiner Klarheit und kompositorischer Einheit virtuos und ungeheuer dynamisch. Dem Titel der Veranstaltung „zeitlos“ wird dieses Konzert in mehrfacher Hinsicht gerecht. Auf der einen Seite gilt das Stück, vermutlich von Bach als Höhepunkt der „Clavierübungen“ gedacht, als Basiswerk von Variationskompositionen, das sich nach seiner Veröffentlichung im Jahr 1741 viele Komponisten und Interpreten bis heute zum Vorbild nehmen. Zum anderen ist Bachs Musik durch seine Universalität immer in anderen Instrumentierungen denkbar und erschließt sich dann durch besondere Interpretationen je wieder ganz neu. Den beiden außergewöhnlichen Musikern, die schon 2022 bei open arts gastierten, gelingt in ihrem teils theatral-dialogischen Zusammenspiel etwas, was selbst der große Glenn Gould nicht an vielstimmiger Dramaturgie so in Szene gesetzt hat. Die polyphone Mehrstimmigkeit, die eigentlich für das Spiel auf einem zwei-manualigen Cembalo angelegt ist, setzen die beiden schon in der Aria, wie auch vor allem in den Trio-artigen Sätzen kongenial kammermusikalisch um und begeistern das Publikum. Orchestrale, Mixturen-Klängen elektrisieren mit ihrer Kraft die Zuschauer.
Da der Sopransaxophonist Michal Knot, für den das Stück eine unglaubliche Herausforderung darstellt, gerade von einer starken Erkältung regeneriert ist, ändern die Musiker das Programm kurzfristig und spielen nicht alle Variationen, sondern lassen in einem zweiten Teil neun transkribierte Klavierwalzer von Johannes Brahms, der ebenso die Goldbergvariationen öffentlich konzertant gespielt hat, und eine spektakuläre Komposition des mexikanischen Komponisten Arturo Marquez folgen.
Ein großartiger Abend, der in der zauberhaften Sommerabend-Atmosphäre im Kunsthaus wieder einmal Horizonte öffnete. (dd)
Als am vergangenen Samstag, den 6. Juli, die letzte Zugabe vorüber war, spürten alle Anwesenden, dass der abendliche Veranstaltungstitel „In Time: Open your wings“ mehr als Programm war. Was in dreieinhalb Stunden zuvor an musikalischen Beiträgen abgeliefert wurde, war öffnend, beflügelnd und die Zeit war eigentlich nur noch Nebensache.
Im Rahmen des bereits zum vierten Mal stattfindenden open arts-Festivals im Kunsthaus Wäldchen, das von Mai bis September mit einem reichhaltigen Kulturprogramm das Raiffeisenland einlädt und erfrischt, fand an diesem Abend ein Crossover junger Künstlerinnen und Künstler verschiedener Musikstile statt.
Eröffnet wurde das Konzert auf der atmosphärischen Freilichtbühne vom Schulchor der Grundschule Hamm/Sieg mit einem rührenden Auftritt. Entsprechend belebt war auch das Areal des Kunsthauses. Die einführenden Worte der Veranstalter Dorothé R. Marzinzik und Daniel Diestelkamp trafen den Nerv, denn das angesprochene Festivalmotto „Über die Zeit“ manifestierte sich schon allein in den diversen Lebensepochen des Publikums.
Anschließend performte die Singer-Songwriterin Franziska Schicketanz aus Köln ein ansprechendes Set aus deutschsprachiger Popmusik. Begleitet von zwei Gitarristen kamen die Songs über besondere Momente, Scheitern, Mut und Liebe gut an.
Weiter ging es mit der Düsseldorfer Band Bloodflowers. Im Stile des Psychedelic Rock sorgten die Fünf für transzendente Vibes und schufen bemerkenswerte Klangwelten, die die verbliebenen Eltern oder Großeltern der Schulchorkinder wohl an die guten alten Zeiten von Pink Floyd erinnert haben dürften. Dass sie noch nicht genug hatten, wurde auch daran deutlich, dass ihre Kinder bei den nicht ganz so hochsommerlichen Temperaturen mittlerweile in zwei Decken eingepackt wurden.
Thematisch ähnlich und mit ordentlich Power machte dann die Artrock-Band Lunatic Loop aus Basel und Freiburg den Abschluss zu einem Live-Feuerwerk. Mit einer hypnotischen Hintergrundprojektion, ausgefeilten Sounds und der stimmgewaltigen Sängerin tauchten sie die Bühne in einen Farbkasten aus psychedelischer Träumerei und aufmüpfiger Rockmusik. Wow!
„Über die Zeit“ heißt immer auch „Was bleibt?“.
An diesem Abend wurde wieder deutlich, dass die Kunst immer und immer wieder neu übersetzt wird und sich mit weiteren technischen Möglichkeiten und kreativen Menschen ihren Weg in die Zukunft bahnt. So bleibt sie frei und offen für andere. Schön war´s! (Robert Lein)