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Mitteilungsblatt Hamm Sieg
Ausgabe 31/2022
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Hamm denkt Wirtschaft und Demografie zusammen

Bauhandwerker könnten mit angehenden Bauingenieuren lernen, Bäcker mit Studenten der Ernährungswissenschaften. Die "Lernfabrik" ist eine der Ideen.

Innovations- und Gründerzentrum soll Firmen helfen und junge Leute in der Heimat halten

Ein Gründer- und Innovationszentrum - was soll das denn sein? Die Frage drängte sich wahrscheinlich vielen auf, die in den letzten Monaten die Tagesordnungen des Verbandsgemeinderats Hamm (Sieg) gelesen haben. Zuschüsse wurden beantragt, von einer Machbarkeitsstudie war die Rede. Aber so richtig vorstellen konnte man sich darunter nichts. Ein Pressegespräch, das der Bürgermeister kurz vor den Sommerferien hielt, sollte Abhilfe schaffen.

Gründer- und Innovationszentrum: Unter dem Strich sollen sich hier Unternehmer und Professoren, Azubis und Studenten zusammentun. Ziel: den Unternehmen zu Projekten verhelfen, die sie allein nicht stemmen könnten, und jungen Leuten verdeutlichen, dass es auf dem „platten Land“ tolle Berufe gibt.

Tatsächlich gibt es in den großen Städten des Landes schon einige dieser Zentren. Meistens wird erst das Zentrum eröffnet und dann erwartet, dass sich Startups, Soloselbstständige oder Studenten dort einfinden, von den angebotenen Räumlichkeiten und (technischen) Einrichtungen Gebrauch machen und „netzwerken“. Der Erfolg ist oft überschaubar, das Zentrum schließt schnell wieder oder hängt dauerhaft am Tropf der öffentlichen Hand.

In Hamm dagegen zäumt man das Pferd ganz bewusst von der anderen Seite auf: Zuerst will man herausfinden, was heimische Unternehmen sich wünschen, was sie brauchen und aus eigener Kraft nicht schaffen, sei es aus finanziellen, sei es aus personellen Gründen.

Ganz bewusst beschränkt man sich nicht auf größere Industrieunternehmen, sondern bezieht insbesondere das Handwerk ein. Schließlich ist hier der Fachkräftemangel eklatant, und man könnte gewiss durch kluge Zusammenarbeit die Attraktivität mancher Handwerksbetriebe nicht nur steigern, sondern auch weithin bekannt machen. „Handwerk erlebbar machen“ - das könnte ein Ziel des künftigen Zentrums sein, meint der Bürgermeister.

„Es geht darum, die jungen Leute vor Ort zu halten“, fasste er in der Pressekonferenz zusammen. An Henrichs Seite: Prof. Dr. Ing. Horst Idelberger. Der emeritierte Universitätsprofessor ist nicht nur vom Ansatz der Hämmscher überzeugt („Die traditionellen großen Kompetenzzentren finden keine Anerkennung von kleinen Betrieben und Handwerkern“), sondern sprüht auch vor Ideen.

Drei strukturelle Säulen könnte er sich vorstellen: Aus- und Weiterbildung, einen Gründerbereich (Startups) und einen Technologiebereich. Warum im Ausbildungsbereich nicht eine Lernfabrik anbieten, in der Azubis und Studenten gemeinsam Dinge entwickeln und herstellen? Der Fachbereich ist hierbei völlig gleichgültig: Studierende des Ingenieurwesens zusammen mit Maurerlehrlingen zum Beispiel oder Ernährungswissenschaftler und Bäcker/Köche. In den Technologiebereich könnten vielleicht Firmen ihre Spezialanwendungen auslagern und mit anderen gemeinsam betreiben.

Ob es Lernfabrik und Technologiebereich jemals geben wird und, wenn ja, für welche Berufe, ist völlig offen und entscheidet sich eben erst nach der Unternehmensbefragung. Erst wird entschieden, was gemacht werden soll, dann wird man die passenden Räumlichkeiten schon finden, heißt das Credo.

Der Professor sieht durchaus Chancen, junge Leute davon zu überzeugen, dass Ballungsräume nicht alles sind. Wenn man sie erst einmal machen lässt und sie quasi „live“ erfahren, dass auch die heimische Wirtschaft schöne Töchter - sprich: attraktive Arbeitgeber und interessante Tätigkeiten - hat, komme der Faktor „Nähe“ entscheidend zum Tragen. Und damit meint Idelberger beileibe nicht nur räumliche Nähe.

Bei dieser Betrachtungsweise ist es schon fast folgerichtig, dass ausgerechnet das Bundesfamilienministerium Geld springen lässt. Sein Fördertopf „Zukunftswerkstatt Kommunen“ ist eigentlich für Demografieprojekte gedacht, das geplante Innovations- und Gründerzentrum Hamm (Sieg) wird als genau solches betrachtet. Die Verbandsgemeinde wurde sogar als einzige Kommune im Land mit Mitteln aus diesem Topf bedacht.

Zunächst sind aber die Betriebe am Zug. Das Siegener Mittelstandsinstitut erstellt derzeit den Fragenkatalog, der beantwortet werden soll. Dieser geht zunächst an einige „Testunternehmen“, später dann an bis zu 800 Firmen, die in der Verbandsgemeinde Hamm (Sieg) ansässig sind.

Wirtschaftsförderer Johannes Plett: „Wenn ein Betrieb außerhalb unserer Verbandsgemeinde ebenfalls teilnehmen möchte, ist das gar kein Problem, wir denken ja ohnehin an eine regionale Aufstellung des Zentrums.“ (spa)

Betriebe, deren Firmensitz sich außerhalb der Verbandsgemeinde Hamm (Sieg) befindet, die sich aber an der Fragebogenaktion beteiligen möchten, können sich im Rathaus Hamm melden: (02682) 9522-0 oder rathaus@hamm-sieg.de