Titel Logo
Mitteilungsblatt Hamm Sieg
Ausgabe 46/2022
Hauptthemen
Zurück zur vorigen Seite
Zurück zur ersten Seite der aktuellen Ausgabe

Würdiges Gedenken an den „Tag der Schande“

Kerzen vor dem "Flammenmal", Teilnehmer der Gedenkstunde: Eine durchaus ansehnliche Zahl von Einwohnern hatte sich eingefunden. Fotos: Silvia Patt

Isabel Christmann, Bernd Niederhausen und Karlernst Stosch enthüllen die neue Gedenktafel.

Ortsbürgermeister Bernd Niederhausen hält das Mikrofon für die Rede von Horst Moog. Rechts, sitzend: Künstler Erwin Wortelkamp.

Gedenktafel, Lichter, mahnende Worte zur Erinnerung an die Judenpogrome

Man kann den Menschen in Hamm (Sieg) vielleicht manches vorwerfen, eines jedoch ganz bestimmt nicht: dass sie die Erinnerung an die finstersten Zeiten der deutschen Geschichte vergessen würden. In der vergangenen Woche wurde erneut an die Unmenschlichkeit in der sogenannten Pogromnacht erinnert, eindrucksvoll und unter Beteiligung vieler Akteure.

In der Dunkelheit standen sie versammelt auf dem Synagogenplatz, der nur beleuchtet war von den Teelichtern, die - in der Form von Davidssternen zusammengestellt - auf dem Boden flackerten. Wie jedes Jahr wurden die Namen derer verlesen, die in jenen Jahren der Nazi-Diktatur ihr Leben verloren.

Diesmal waren es Schüler:innen der Jahrgangsstufe 13 der IGS, die die Namen nannten, die Schülerin Jenny Braun, die mit ihrer Geige einen passenden Rahmen schuf, und Schüler:innen der Jahrgangsstufe 12, die die „Todesfuge“ von Paul Celan vortrugen, dieses düstere mit Zeilen wie „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“. Beeindruckende Momente, die besagen: Es darf nie wieder etwas Ähnliches geschehen, und auch die junge Generation ist sich dessen bewusst.

Andachtsworten des evangelischen Pfarrers Andreas Stöcker und des katholischen Pastors Frank Aumüller folgte das Gebet, die Enthüllung einer Gedenktafel sowie Ausführungen zur „Kultur der Erinnerung“ von Stadtplaner Jürgen Sommer und Bildhauer Erwin Wortelkamp.

Doch einmal mehr war es Horst Moog, der die Nacht zum 10. November greif- und nacherlebbar nahebrachte, dessen Worte vor Augen führten: Dies geschah hier, unter uns. Die Opfer waren viele Jahrzehnte Bürger von Hamm gewesen - und die Täter unsere Groß- und Urgroßväter.

So schilderte Moog, wie ein Hämmscher „Christ“ dreist in die Wohnung eines Juden eindrang und wie selbstverständlich einen Teil von dessen Eigentum wegschleppte: einen Herrenanzug und eine Nähmaschine. „Den Anzug trug er noch jahrelang als ‚guten Anzug‘ zu besonderen Gelegenheiten, und die Nähmaschine soll auch noch viele Jahre im Einsatz gewesen sein“, so Horst Moog. „84 Jahre ist er nun her, dieser Tag der Schande!“

Die Gedenktafel, an der rückwärtigen Mauer des Synagogenplatzes angebracht, zeigt nun die Namen der einstigen Mitbürgerinnen und -bürger. „Die Opfer erhalten damit ihre Namen und ihre Würde zurück“, befand der Redner, der allen Spendern dankte, die zur Verwirklichung beigetragen hatten sowie auch dem Arbeitskreis, der sich seit einigen Monaten engagiert mit dem Thema „Erinnerungskultur“ befasst.

Zur Erinnerungskultur in Hamm (Sieg) gehören insbesondere das Kulturhaus und der Synagogenplatz, der ja nicht zufällig so heißt, sondern sich an der Stelle erstreckt, wo einst die jüdische Synagoge stand. Als Stadtplaner hatte Dipl.-Ing. Jürgen Sommer einen bedeutsamen Anteil an der Gestaltung des „Symbols Synagogenplatz“. Er richtete einen eindringlichen Appell an jedermann, Zeichen zu setzen gegen den „gefährlichen Bodensatz der braunen Sauce“, dem man keine Chance geben dürfe.

Erwin Wortelkamp, in Hamm geboren, hatte vor 40 Jahren das Mahnmal aus Eisen geschaffen, das heute den Platz prägt - „an einem Ort, der ein „Un-Ort war, der nicht so empfunden wurde“, wie er ausführte Er, der Künstler, hatte eine Aufgabe übernommen, die ihn an seine Grenzen brachte. Grenzen, die nicht darin bestanden, dass man sein Werk in aller Öffentlichkeit „Schrotthaufen“ nannte, sondern in der Schwierigkeit, zu erinnern, „der Gewaltanwendung eine Form zu geben“.

Kunst, so befand der inzwischen europaweit hochangesehene Bildhauer, habe einen anderen Vermittlungswert als das Wort: Sie biete die Chance, über die Dinge nachzudenken.

Worte des Dankes an alle Mitgestalter der Gedenkstunde sowie an sämtliche Anwesende - es war erneut eine stattliche Zahl - richtete zum Schluss Ortsbürgermeister Bernd Niederhausen an die Versammlung, bevor man still auseinanderging. (spa)