Graf Paul von Hatzfeldt, geb. 08.10.1831, gest. 22.11.1901 Miniaturen von Boser, Düsseldorf 1841
Schloss Schönstein. Ansicht von Südwesten gemalt von Friedrich Höller, 1864
Freitreppe mit Haupttor des Schlosses, Kapelle sowie Fürstlichem Kammergebäude
Schloss Crottorf Luftbild. Blick über die Gesamtanlage
Tor zum oberen Schlosshof und Eingang zum Gerichtssaal
Teil 2
Es gehörte auch zu Lassalles Strategie, die Position des Grafen als Standesherr und seine vermeintliche Unangreifbarkeit ins Wanken zu bringen. Dazu breitete er die leidvolle Geschichte der zerrütteten Ehe öffentlich aus, um den schuldigen, despotischen Ehemann moralisch zu vernichten. Sympathisanten suchte und fand er in den unterdrückten und darbenden Bauern, deren Bedrückungsbeschwerde er hieb- und stichfest zu Papier gebracht hatte, als er sich im März dieses Jahres in Wissen aufhielt. Der Graf hatte die Erbpacht der bäuerlichen Anwesen in Zeitpacht umgewandelt. Es war verboten worden, aus den gräflichen Wäldern Brandholz zu holen; Pilze sammeln galt als Waldfrevel und wurde mit Gefängnis bestraft. Fast täglich ließ sich der Graf neue Schikane einfallen.
Lassalle wollte in diese stille Gärung der Bauern Bewegung bringen. Am 24. Juni 1847 machte sich Gräfin Sophie mit Sohn Paul, ihrem Generalbevollmächtigten, dem 22- jährigen Ferdinand Lassalle und ihrem Sekretär Gladbach von Düsseldorf, Schloss Kalkum, auf den Weg zum Schloss Schönstein, um dort ihr Wohnrecht zu erzwingen.
Graf Edmund hatte Jahre zuvor nicht einmal vor dem Versuch zurückgeschreckt, seinen eigenen Sohn Paul aus der Obhut der Mutter nach Schönstein entführen zu lassen. Informanten hatten dem Grafen die bevorstehende Ankunft und das geplante Vorhaben zukommen lassen. Aber auch die Gräfin und Lassalle hatten vorab Verbindung zu den Bauern in den Dörfern und auf den Hatzfeldt`schen Besitzungen aufgenommen - dort wohnten 3400 Menschen- und wollten diese zum Vorgehen gegen ihren unrühmlichen Standesherrn bewegen.
Samstags abends traf Gräfin Sophie mit Sohn, Lassalle und Sekretär in Schönstein ein. Sie bestellte sich zwei Schönsteiner Bauern als Diener ein, da sie die strikte Order ihres Mannes kannte, ihr durch sein Personal keine Dienstleistungen zukommen zu lassen. Für sie und Sohn Paul wurde die Übernachtung im Schloss gebilligt; auf ihr Drängen gewährte der Schlossverwalter Höller gegen strengen Befehl des Grafen, auch für den Sekretär und die beiden Schönsteiner Diener Schlafgelegenheiten herzurichten.
Eine Schar aufgebrachter Bauern hatte sich mit Dreschflegeln, Sensen und Eisenstangen eingefunden, um sich der Gräfin und ihrem Gefolge als Leibwache anzuschließen. Nach ihrer Unterredung mit Lassalle ließen sie ihrer Wut auf ihren Standesherrn freien Lauf. Sie schlugen die Polizisten in die Flucht und wollten das Schloss stürmen. Die mit gezücktem Säbel heranstürzenden Knechte des Grafen versuchten, sie aus dem Schosshof zu jagen. Sophie und
der herbeigeeilte Bürgermeister baten, die Waffen niederzulegen und friedlich auseinanderzugehen. Am nächsten Morgen erschien der Wissener Bürgermeister Meyer mit einem Polizeisoldaten, ebenso fuhr F. Lassalle von seinem Quartier in den Wissener Marktstuben in den Schlossbereich ein - in einer schwarz verhangenen Kutsche, um seine Identität zu verbergen. Der Bürgermeister erklärte der Gräfin, ihren Sekretär und die beiden Diener aus dem Schloss zu entfernen. Die Gräfin ignorierte den Befehl von höherer Instanz und führte ihren Sohn und Lassalle die Schlosstreppe hinauf. „Greift sie an und schmeißt sie herunter!“ befahl der Bürgermeister dem Polizeisoldaten und den durch die Schützenbruderschaft verstärkten Schlosswachen. Diese attackierten die Gräfin, ihren Sohn Paul, den Sekretär Gladbach und Lassalle, der von dem hünenhaften Schönsteiner Peter Stricker, wohnhaft „In der Sötte“, so stark an seinem Frackzipfel gezogen wurde, dass dieser abriss und in der Hand des pflichtbewussten Wachmannes zurückblieb. Seit dieser Aktion trug dieser zeitlebens den Beinamen „Packan“. Triumphierend schwang er den Säbel auch über die malträtierte Gräfin. [11]
Am Tag darauf fuhren Gräfin Sophie und ihre Begleiter mit ihrer Kutsche zum Wasserschloss Crottorf im Wildenburger Land, um dort Einlass zu erhalten. Von etwa 20 ihr zugetanen Bauern erfuhr sie, dass im Schlossinnern alle Förster mit geladenen Gewehren zusammengezogen waren und Feuer geben würden, wenn sie sich nicht entferne. Gemeindevorsteher Sollbach, der zu den „Schönsteiner Bauern“ zählte und im Hatzfeldt-Prozess einer der Informanten Lassalles gewesen sein soll, forderte vergeblich wie auch der Friesenhagener Bürgermeister Müller, das Schlosstor zu öffnen. Die Gräfin und ihr Anhang wurden vom Schloss aus mit Steinen beworfen. Nach einem Tag Aufenthalt in Schönstein kehrte sie mit dem Wildenburgischen Friedensrichter Schlechter, Gerichtsschreiber Holstein, Sohn Paul, Diener Heinrichs und Ferdinand Lassalle nach Crottorf zurück. Gendarmen gingen gewalttätig gegen die Bauern vor. Es gab ein gewaltiges Hauen und Stechen, wobei die Bauern Peter Weber und Räuber Säbelhiebe erhielten und misshandelt wurden. Nach vergeblichen Bemühungen des Friedensrichters, den Rentmeister Wisselingk zum Öffnen des Tores zu bewegen und obwohl die Gendarmen schließlich gegen ihren Vorgesetzten, den obersten Polizeibeamten der Standesherrschaft revoltierten, musste die Gräfin mit ihrem Tross erfolglos das Feld räumen.
Nach einem 8-tägigen Aufenthalt in Köln wegen Prozessangelegenheiten kehrte die Gräfin am 4. Juli 1847 nach Schönstein zurück, an ihrer Seite auch Landrat von Hilgers, der von der Regierung mit der Polizeigewalt ausgestattet war. Graf Edmund hatte Vorsorge getroffen: Hinter den Schlossmauern lagen alle Wildenburg` - Schönstein`schen Förster mit geladenen Gewehren auf der Lauer; das Schlosstor und das Außentor, das zum Gerichtssaal des oberen Schlosshofs führt, waren verbarrikadiert, zudem standen für Geld gedungene bewaffnete Knechte in Bereitschaft.
Domänendirektor Wachter zeigte dem Landrat und der Gräfin eine vom Grafen Hatzfeldt ausgestellte Generalvollmacht, die ihr den Eintritt gegebenenfalls mit Waffengewalt verwehrte. Auf Ersuchen des Landrats von Hilgers sah Gräfin Sophie davon ab, mit Gewalt ins Schloss einzudringen und musste somit auf ihr Aufenthaltsrecht verzichten. Wenn auch der Schlossherr in dieser Auseinandersetzung die Oberhand behalten hatte, so war es der Gräfin und ihrem Advokaten Lassalle gelungen, die Autorität Graf Edmunds zu untergraben. Nach all diesen Streitereien standen bald Berichte über die Revolten auf den Hatzfeldt`schen Besitzungen in allen Zeitungen, sorgten für Aufsehen und waren landesweit Tagesgespräch.[12]
Ferdinand Lassalle, in dem das Aufsässige und Renitente in der Natur lag[13], brannte vor Ungeduld, dass endlich die Revolution in allen deutschen Bundesländern in Gang kam. Die Zeichen des Umbruchs standen auf Sturm, da die Unzufriedenheit der Bevölkerung täglich stieg. Von Düsseldorf aus versuchte er im Jahre 1848, die Schönsteiner Bauern zu mobilisieren, da er ja wusste, dass sie den Hundegehorsam satt hatten und bereit zur Rebellion waren. Zu ihnen gehörten u.a. der Gemeindevorsteher von Crottorf, Anton Sollbach, Johann Stangier aus Völzen, Bauer Schmidt aus Oberhövels und Bauer Stentenbach. In einem persönlichen Brief an Johann Stangier zu Völzen oberhalb von Elkhausen hieß es: „Lieber Stangier! Bald wird das ganze Land unter Waffen stehen. Rüstet Eure Leute, sorgt für Munition. In Düsseldorf geht der Kampf sehr bald los. Ich setze darauf, dass sofort auf die Nachricht Du mit einigen hundert Mann hierher marschierst. Antworte mir darüber. Wir siegen diesmal jedenfalls und dann ist Eure Noth für immer geendet. Hierbei Placate, verteile sie und lass sie abdrucken. Ich erwarte umgehend von Dir Brief darüber, wie es bei Euch aussieht und ob wir uns darauf verlassen können, dass ihr mit einigen hundert Mann nach hier marschiert, wenn wir anfangen- in Eile, Düsseldorf, 21. November (1848), gez. F. Lasselle“. Auf einem beigelegten Zettel stand: „Nachschrift. Lieber Stangier. Das Beste ist, wenn Du augenblicklich zu mir herkommst, wo wir vieles am schnellsten besprechen können. gez. F. Lassalle“.
„Wegen Aufwiegelung und Bewaffnung gegen die königliche Gewalt und zum Bürgerkrieg“ wurde Lassalle aufgrund dieses Briefes ins Gefängnis gebracht. Johann Stangier sagte im Prozess gegen Lassalle, dass er diesem Aufruf an ihn nicht gefolgt sei und wegen Grundbesitzproblemen mit Gräfin Sophie in Kontakt gewesen sei.[14]
Verfasser: Bruno Wagner, Schönstein
Teil 3 erscheint in der nächsten Woche.