Die neue Grundsteuer führt zu höheren Hebesätzen, aber nicht in allen Fällen zu höheren Steuern beim Bürger. Das hängt von der Bewertung durch das Finanzamt ab. Die Auswirkungen auf die fünf Ortsgemeinden, die Stadt Wissen sowie die einzelnen Bürger sind unterschiedlich. Und im Gegensatz zu anderen Bundesländern hat der Landtag in Rheinland-Pfalz bisher kein Gesetz beschlossen, das Korrekturen bei sogenannten Nichtwohngrundstücken (für Gewerbe) zulässt. Eventuell werden Korrekturen möglich. Regional sorgt zudem die Erhöhung der Kreisumlage zusätzlich für höhere Hebesätze bei der Grund- und Gewerbesteuer. Eine komplexe Materie also.
| - | Aber wie sieht die neue Berechnungsgrundlage aus? |
| - | Wie sieht die Haushaltslage im Wisserland aus und welche Auswirkungen hat die Steuer auf die unterschiedlichen Haushalte? |
| - | Was ist eine „Belastungsverschiebung“ und was bedeutet diese? |
| - | Wann kommen die Grundsteuerbescheide 2025 und was müssen Sie beachten? |
Der nachfolgende Text soll die Materie erläutern.
Vorgeschichte:
Bis zum 31.12.2024 wurden in den alten Bundesländern für die Erhebung der Grundsteuer die Einheitswerte aus dem Jahr 1964 verwendet. Im April 2018 erklärte das Bundesverfassungsgericht die Grundsteuererhebung für rechtswidrig. Ab 2025 erfolgt die Erhebung der Grundsteuer A (für unbebaute Grundstücke) und der Grundsteuer B (für bebaubare und bebaute Grundstücke) daher nach neuen Werten.
Neue Berechnungsgrundlage:
Das Land Rheinland-Pfalz wendet zusammen mit acht weiteren Bundesländern das Bundesmodell an. Im Rahmen der Grundsteuerreform wurde zwar eine Länderöffnungsklausel im Grundgesetz eingerichtet, hiervon hat aber Rheinland-Pfalz keinen Gebrauch gemacht. Beim Bundesmodell wird die Grundsteuer in einem dreistufigen Verfahren ermittelt:
| 1. Stufe: | Ermittlung des Grundsteuerwerts | (Zuständigkeit Finanzamt) |
| 2. Stufe: | Anwendung der Steuermesszahl und Berechnung des Grundsteuermessbetrages | (Zuständigkeit Finanzamt) |
| 3. Stufe: | Anwendung des Hebesatzes und Berechnung Grundsteuer | (Zuständigkeit Gemeinde) |
Festlegung neuer Hebesätze/Aufkommensneutralität:
Die Grundsteuerreform soll aufkommensneutral sein. Die Reform soll also nicht der Grund sein, weshalb die Gemeinden mehr Grundsteuer vereinnahmen. Hierbei muss betont werden, dass sich die Aufkommensneutralität auf die Gemeinde als Ganzes bezieht und nicht auf den einzelnen Steuerpflichtigen. Auf Seiten der Steuerzahler ergeben sich individuelle Belastungsverschiebungen. Das ist die zwingende Folge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Einige Eigentümer werden also mehr Grundsteuer bezahlen, andere weniger. In Summe fallen die Grundsteuermessbeträge in den Gemeinden geringer aus. Um die geringeren Grundsteuermessbeträge auszugleichen, müssen die Gemeinden die Hebesätze anheben.
Nachfolgende Tabelle veranschaulicht die beschlossenen Hebesätze der Kommuen des Wisserlandes:
| Gemeinde | Hebesätze 2024 (v.H.) | Hebesätze 2025 (v.H.) | ||
| GrSt A | GrSt B | GrSt A | GrSt B | |
| Birken-Honigsessen | 530 | 530 | 590 | 590 |
| Hövels | 435 | 540 | 900 | 900 |
| Katzwinkel (Sieg) | 530 | 530 | 795 | 795 |
| Mittelhof | 540 | 540 | 600 | 600 |
| Selbach (Sieg) | 540 | 540 | 650 | 650 |
| Stadt Wissen | 660 | 660 | 945 | 945 |
Desweiteren müssen in den Ortsgemeinden und der Stadt die Hebesätze wegen des gesetzlichen Haushaltsausgleichs angehoben werden. Steigende Ausgaben müssen also durch Mehreinnahmen gedeckt werden. Alle Gemeinden sind seitens der Kommunalaufsicht in Altenkirchen und Mainz angewiesen, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Dementsprechend muss die Grundsteuer B als eine der Haupteinnahmequellen so ausgelegt sein, dass die Finanzmittel zur Erfüllung der kommunalen Aufgaben ausreichen.
Von daher läuft das Versprechen des Bundesministeriums für eine aufkommensneutrale Grundsteuer ins Leere.
So müssen Gemeinden beispielsweise an den Kreis Altenkirchen 2,5 Prozentpunkte mehr Kreisumlage zahlen. Diese zusätzlichen Ausgaben erfordern für sich genommen schon einen Anstieg des Hebesatzes für die Grundsteuer B in Höhe von 151 Prozentpunkten.
Wie sieht die Haushaltslage im Wisserland aus?
Die Gesamtaufwendungen in den fünf Ortsgemeinden und der Stadt Wissen sind in den letzten Jahren stetig gestiegen. Ursächlich dafür sind höhere Ausgaben in fast allen Bereichen durch höhere Löhne (Tarifabschlüsse), im Bereich Bildung (z.B. Schulen, kostenfreie Kindertagesstätten), aber auch der Straßenunterhaltung und anderen Bereichen. Dafür erhält die Kommune Einnahmen aus dem kommunalen Finanzausgleich des Landes Rheinland-Pfalz. Dieser wurde ab 01.01.2023 neu geregelt und die Einnahmen sind dort erheblich bei den allgemeinen Zuweisungen gesunken. Neben diesen Zuweisungen sind die einzigen wesentlichen Einnahmequellen einer Gemeinde oder Stadt die Gewerbe- und Grundsteuer. Daher müssen die Hebesätze in allen Gemeinden des Wisserlandes und vielen Kommunen in Deutschland angepasst werden. Sehr gravierend ist das im Bundesland Rheinland-Pfalz. Ein anschauliches Bespiel der Stadt Wissen:
Der Stadt Wissen fehlen durch die Grundsteuerreform rund 620.000 Euro. Um die Aufkommensneutralität zu erreichen, hätte der Hebesatz alleine wegen der Grundsteuerreform auf rund 800 Prozent angepasst werden müssen. Hinzu kommt aber, dass der Landkreis Altenkirchen die Kreisumlage, die an den Kreis abzuführen ist, um 2,5 Prozent erhöht hat. Dies bedeutet – wenn man sonst alles gleich betrachtet – alleine bei der Grundsteuer B eine Erhöhung um 150 Prozent. Daneben trägt die Stadt als Mittelzentrum die Hauptlasten für RegioBahnhof, kulturWERK und Siegtalbad mit insgesamt über 80.000 Besuchern im Jahr sowie z.B. für das Schulschwimmen. All das muss letztlich über die Grundsteuer und die Gewerbesteuer getragen werden. Ähnlich schwierig stellt sich die Situation in den Gemeinden Hövels und Katzwinkel (Sieg) dar, die auch noch Gewerbe haben. In den Wohngemeinden Birken-Honigsessen, Mittelhof und Selbach (Sieg) fallen die Auswirkungen der Grundsteuerreform geringer aus.
Belastungsverschiebung:
Durch die Grundsteuerreform kommt es zu Belastungsverschiebungen zwischen Gewerbe- und Wohngrundstücken. Wohngrundstücke werden demnach zugunsten der Gewerbegrundstücke stärker belastet sein. Diese Belastungsverschiebung ist teilweise sehr massiv und beträgt bis zu 40 %. Hierauf haben die Gemeinden und kommunalen Spitzenverbände schon früh hingewiesen. Das Land Rheinland-Pfalz hat bislang jedoch von der oben genannten Länderöffnungsklausel trotz der drohenden Belastungsverschiebungen keinen Gebrauch gemacht. In anderen Bundesländern wurde frühzeitig reagiert und das Bundesmodell entsprechend angepasst. In Rheinland-Pfalz erwägt die Landesregierung leider erst jetzt eine mögliche Anpassung des Grundsteuerrechts. Allerdings hat der Landtag dabei keine Änderung des Bewertungsverfahrens im Blick. Stattdessen sollen die Gemeinden die aufkommenden Wertverzerrungen ausgleichen. So sollen künftig verschiedene Hebesätze bei der Grundsteuer B für Wohn- und Nichtwohngrundstücke möglich sein. Das notwendige Landesgesetz lässt jedoch noch auf sich warten. Daher sind die Gemeinden zunächst gezwungen, die Grundsteuerbescheide ohne differenzierte Hebesätze für die Grundsteuer B zu erlassen. Sobald das Landesgesetz für differenzierte Hebesätze verabschiedet wird, wird die Verbandsgemeindeverwaltung Wissen eine Anpassung der Hebesätze in den jeweiligen Gemeinden prüfen.
Grundsteuerbescheide 2025:
Die Grundsteuerbescheide für das Jahr 2025 werden in der Verbandsgemeinde Wissen im Laufe der Monate Januar und Februar versendet. Die Verbandsgemeindeverwaltung stellt ausdrücklich klar, dass diese Bescheide einen Folgebescheid der Grundsteuerwert- und Grundsteuermessbescheide des Finanzamtes (Grundlagenbescheid) darstellen. Der Grundsteuerbescheid kann daher nur geändert werden, wenn auch das Finanzamt den Grundlagenbescheid ändert. Aus diesem Grunde ist es besonders wichtig, dass Sie die Angaben in den ersten beiden Bescheiden (Grundsteuerwertbescheid und Grundsteuermessbescheid des Finanzamtes) genau prüfen und kontrollieren. Wenn Sie einen Fehler entdecken oder Fragen zu deren Berechnung beziehungsweise Höhe haben, wenden Sie sich bitte an das zuständige Finanzamt.
Hinsichtlich der Anhebung der Steuerhebesätze können wir Ihnen versichern, dass keine Gemeinde in der Verbandsgemeinde Wissen solche Entscheidungen leichtfertig beschließt. Diese Entscheidungen werden in den Räten getroffen, in denen Bürgerinnen und Bürger wie Sie sitzen, die sich ehrenamtlich für ihre Gemeinde engagieren und im Übrigen selbst Steuerzahler sind. Die ganze Bundesrepublik schaut gerade auf die Entwicklung der Grundsteuer in den einzelnen Regionen. Keine Gemeinde hat es sich daher mit der Entscheidung über die Hebesätze leicht gemacht.
Am Ende mussten die Ortsgemeinden sowie die Stadt Wissen so entscheiden, um die Haushalte auszugleichen. Wir wissen, dass wir Ihnen damit teilweise viel zumuten. Die Verantwortung liegt bei einem nicht mehr finanzierbaren System bei der Jugend- und Sozialhilfe und gestiegenen Energie- und Baukosten und Kosten der Infrastruktur.
Seit 2002, so der Deutsche Städte- und Gemeindebund in Berlin, erhalten die Kommunen nicht mehr genügend Geld für den Erhalt der gemeindlichen Infrastruktur und Daseinsvorsorge. Deshalb wurden die Hebesätze auch immer wieder erhöht, um das zu finanzieren.