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Ausgabe 47/2025
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Einwohnerversammlung offenbarte mangelnden Handlungsspielraum der Kommunen

Viele Besucher, besonders aus den Reihen der Vereine und der Kommunalpolitik, interessierten sich für dieses wichtige Thema.

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Das mit Bürgermeistern und Fachleuten besetzte Podium unter der Moderation des ehemaligen Landrats Michael Lieber ließ keinen Zweifel daran, dass der Handlungsspielraum der Kommunen begrenzt ist: „Bund und Land stellen uns nicht die Mittel zur Verfügung, die uns zustehen“, legte der Geschäftsführer des Gemeinde- und Städtebundes, Moritz Petry, den Fokus auf die Unterfinanzierung. Diese führt nach Meinung der Podiumsteilnehmer vor allem dazu, dass den Stadt-, Verbandsgemeinde- und Ortsgemeinderäten wenig Möglichkeiten bleiben, ihre Kommune attraktiv zu gestalten. Fred Jüngerich, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld und Vorsitzender der Kreisgruppe im Gemeinde- und Städtebund RLP machte das Ganze anhand vieler Beispiele deutlich: „Uns bleiben nur noch 11 Prozent übrig, über die wir frei verfügen können“, sagte er, ehe er auf die Pro-Kopf-Verschuldung einging, die in Teilen des Kreises bei etwa 1100 Euro liege, in anderen (wie beispielsweise in Wissen) bei über 2000 Euro. Dessen Bürgermeister Berno Neuhoff machte deutlich, warum sich gerade die VG Wissen in dieser Situation befindet: „Wir geben 40 Prozent unseres Geldes für Sozialleistungen aus“, nannte der Verwaltungschef den größten Posten. Gleichzeitig verteidigte er das Kulturwerk als überregionalen Magneten, der viele Menschen in die Siegstadt ziehe sowie die Errichtung des Regio-Bahnhofs im Jahre 2006. „Wenn wir den Bahnhof nicht gebaut hätten, hätte es noch lange Zeit wie in einer Kolchose ausgesehen, da war nur ein riesiges Loch“, so Neuhoff. Vor allem aber wünscht sich der Bürgermeister von Seiten des Landes und Bundes mehr Handlungsfreiheit: „Wir haben in Land und Bund einen Stall von Beamten, die uns gängeln und wir brauchen dringend eine Revision des Finanzausgleiches“, richtete er seine Wünsche nach Mainz und Berlin. Katzwinkels Ortsbürgermeister Hubert Becher als Gastgeber der Veranstaltung sieht in der mangelnden Gestaltungsfreiheit sogar eine Gefahr für das ehrenamtliche Engagement: „Wir haben 18 Ortsvereine, die das Brauchtum, die Tradition und die Jugendarbeit pflegen, sie sind die Schlagader unserer Gemeinde, aber angesichts immer neuer Auflagen wird es schwierig, Menschen hierfür zu begeistern“, so Becher. Die finanzielle Lage bleibe jedoch angespannt. „Nur durch die konsequente Anwendung des Konnexitätsprinzips – wer bestellt, bezahlt – kann kommunale Handlungsfähigkeit erhalten bleiben“, mahnte Becher und forderte: „Die Politik in Berlin und Mainz darf ihre Kommunen nicht vergessen.“ „Gestalten kann ich nur, wenn ich etwas in der Kasse habe“, das war auch die Meinung des ehemaligen Landrates Michael Lieber, der als Moderator souverän und humorvoll durch den Abend führte und der im Anschluss an die Ausführungen Stimmen aus dem Publikum sammelte. Aus erster Hand berichtete hier Matthias Grohs als Ortsbürgermeister von Selbach: Wir haben eine Zuwendung von 1500 Euro seitens des Landes erhalten und müssen dafür nachweisen, wie wir es verwenden, das ist ein Jux“, sagte er und sein Amtskollege aus Birken-Honigsessen, Hubert Wagner, schilderte, dass die Gemeinde für eine relativ überschaubare Zuwendung hohe bürokratische Hürden meistern müsste: „Ich fülle keinen 90-seitigen Antrag aus, um in ein sehr überschaubares Förderprogramm zu kommen“, sagte Wagner. Landwirt Bernhard Höfer schlug zivilen Ungehorsam als Mittel, die Veränderung zu forcieren, vor: „Was würde passieren, wenn ihr alles dichtmacht?“, fragte er. Diese Option kommt für die Städte- und Gemeindechefs allerdings nicht in Frage: „Dann würde die Kommunalaufsicht kommen und das Ganze übernehmen“, schilderte Fred Jüngerich die Folgen und auch die anderen anwesenden Mandatsträger waren der Meinung, dass die Systemkorrekturen nur durch ständiges Intervenieren an den verantwortlichen Stellen in Land und Bund auf Dauer erfolgreich sein wird. Dieser Aufgabe hat sich vor allem Moritz Petry verschrieben, der als Geschäftsführer des Gemeinde- und Städtebundes Rheinland-Pfalz immer wieder die Schaltstellen aufsucht und dort auf die prekäre Situation der Kommunen hinweist. Auch Wissens Bürgermeister Berno Neuhoff sieht diesen Weg als geeignet an. Er will, gemeinsam mit den bei der Veranstaltung anwesenden Mandatsträgern seine Aufgaben zum Wohle der Bevölkerung erledigen: „Dafür bin ich gewählt, und ich werde mich auch nicht in Mainz vor dem Landtag anketten“, sagte er zum Schluss.

„Das war ein guter Auftakt, der uns allen Mut machen sollte“, so Becher abschließend. „In Katzwinkel wollen wir gemeinsam gestalten, nicht nur verwalten – unser Motto bleibt: Entwickeln statt abwickeln.“