Hospitation am 22.03.2023 und 24.03.2023
Inklusives Projekt zwischen dem „Haus der kleinen Füße“ in Ransbach-Baumbach und Caritas
„Ich bin froh, dass Louis Braille die Blindenschrift erfunden hat“ erklärt Lara Heuser den Kindern, die ihr beim Vorlesen zuhören und dabei aufmerksam beobachten, wie rasch und geschickt ihre Finger über die Punktschrift des Buches gleiten. Die 18-Jährige liest aus dem Kinderbuch-Klassiker „Oh, wie schön ist Panama“ von Janosch vor. Allerdings fehlen Bilder und Druckfarbe, die Seiten sind komplett weiß. Lara Heuser beherrscht die Punktschrift perfekt, die aus erhabenen fühlbaren Punkten besteht. Auch wenn die Kinder den kleinen Tiger und Bären nicht sehen können, hören sie aufmerksam zu und beobachten gespannt die Vorleserin. Diese Art des Lesens haben sie so vorher noch nicht erlebt. An zwei Vormittagen hatten sie kürzlich Gelegenheit dazu, als Lara Heuser gemeinsam mit Dagmar Theis von den Caritas-Werkstätten das „Haus der kleinen Füße“ besuchte.
Lara Heuser aus Ransbach-Baumbach ist seit Ende 2021 Teilnehmerin einer berufsbildenden Maßnahme in den Caritas-Werkstätten Westerwald-Rhein-Lahn in Montabaur. Die junge Frau verrichtet Tätigkeiten im Berufsfeld Montage/ Verpackung sowie Lettershop und nimmt an Kursen zur beruflichen Qualifizierung teil. Aufgrund einer Erkrankung erblindete sie im Alter von drei Jahren. Seit Lara Heuser über die Caritas qualifiziert wird, äußert sie den Wunsch in externen Einrichtungen und Betrieben zu hospitieren. So entstand die Idee, die bereits bestehende Zusammenarbeit mit der Verbandsgemeinde Ransbach-Baumbach im Rahmen eines weiteren Projektes auszuweiten. Dagmar Theis, Leiterin der Abteilung für Arbeitsmarktintegration der Caritas-Werkstätten unterstützt Lara Heuser dabei. Sie entwickelten gemeinsam die Idee, Kindern das Thema Blindheit näher zu bringen. Die beiden stießen auf offene Ohren, als sie der Kita-Leiterin, Frieda Herdt-Wiebe mögliche Inhalte für ihren Besuch vorschlugen. „Das Thema passt wunderbar zu unserem Projekt „Mein Körper. Dein Körper. - Jeder ist besonders!“, bei dem vor allem die Sinne näher beleuchtet werden“ erklärt Frieda Herdt-Wiebe. „Passend dazu haben sich die Vorschulerzieherinnen einige Aktivitäten überlegt.“
Während des Besuches von Lara Heuser im „Haus der kleinen Füße“ sammelten die Kinder neugierig verschiedene Eindrücke. Sie probierten den weißen Blindenstock der jungen Frau aus und entdeckten, welche Bedeutung die Kugel am Ende des Stockes hat. Die Kinder erfühlten die Bedeutung des Tastsinns beim Raten von Gegenständen oder überquerten einen Parcours mit verbundenen Augen.
Höhepunkt der gemeinsamen Aktivitäten war das Kennenlernen der Punktschrift, die der Franzose Louis Braille 1925 erfunden hat. Lara Heuser erläuterte, wie sie diese Schrift auf der Landesschule für Blinde und Sehbehinderte in Neuwied erlernt hat, mit welcher Maschine sie geschrieben wird und wo sie im Alltag vorkommt. Sie hatte die Namen aller beteiligten Vorschulkinder in Punktschrift vorbereitet und gemeinsam entschlüsselten die Kinder, welcher Name auf welchem Papierstreifen geschrieben stand. Schließlich las ihnen Lara Heuser aus dem in Punktschrift geschriebenen Buch von Janosch vor. Sie hatte das Buch im Deutschen Zentrum für barrierefreies Lesen in Leipzig extra für diesen Zweck besorgt.
Die Kinder erhielten einen kleinen Einblick in das Leben von Lara Heuser und die damit verbundenen Herausforderungen. Das Team der Kita, das Inklusion bereits seit vielen Jahren lebt, hat den Besuch als sehr wertvoll empfunden. Deutlich wurden allen Beteiligten die Herausforderungen, die Lara Heuser täglich meistert. „Auch ich würde gerne Zeitung lesen, aber ohne Punktschrift geht das nicht“. So bleibt ihr das Radio, das sie leidenschaftlich gerne hört. Dagmar Theis von Viweca freut sich darauf, dieses Projekt auch in anderen Kitas des Westerwaldkreises durchführen zu können.