Teilhabe und Inklusion möglich machen: Agentur für Arbeit Montabaur unterstützt Schwerbehinderte und Rehabilitanden jährlich mit über 9 Millionen Euro
Eine Frau, die unter einer Spastik leidet, kommt nur dank eines Fahrdiensts zu ihrem Arbeitsplatz. Ein Bäcker, der seinen Beruf wegen einer Mehlstauballergie nicht mehr ausüben kann, arbeitet nach der Umschulung im Vertrieb einer Confiserie. Ein Jugendlicher hat einen Förderschul-Abschluss erreicht und macht nun eine Ausbildung zum Fachpraktiker im Gastgewerbe. Diese Beispiele zeigen, wie individuell die Arbeitsagentur Menschen mit Handicaps fördern kann, damit sie das bestmögliche Ziel erreichen: einen Platz in der Erwerbswelt, ein eigenes Einkommen und soziale Teilhabe.
„Bei uns gibt es nichts von der Stange“, sagt Anja Voigt, die das Reha-Team der Arbeitsagentur leitet. „Wir haben einen großen Instrumentenkoffer, aus dem wir die jeweils passende Förderung auswählen. Dabei gilt immer: So wenig wie möglich, aber so viel wie nötig.“ Zur bundesweiten Aktionswoche der Menschen mit Behinderung vom 28. November bis 4. Dezember lenkt Anja Voigt den Blick auf den Kundenkreis ihres Teams. Dazu gehören nicht nur Schwerbehinderte und Personen, die ihnen im Berufsleben gleichgestellt sind, sondern auch Rehabilitanden - Männer und Frauen, die aufgrund ihrer Behinderung besondere Hilfen benötigen, um (weiterhin) am Arbeitsleben teilhaben zu können. Hier ist die Arbeitsagentur einer von mehreren potenziellen Reha-Kostenträgern.
Das Reha-Team ist in drei Aufgabenfeldern unterwegs. Die Berater*innen gehen in alle Förderschulen und Schulen mit inklusivem Schwerpunkt. Sie bereiten junge Leute aufs Berufsleben vor und haben deren Integration im Blick. Das Spektrum der Handicaps ist groß und reicht von geistigen, psychischen oder neurologischen Behinderungen über beeinträchtigtes Sehen oder Hören bis hin zur reduzierten Motorik. Schauen, was möglich ist: Nach diesem Leitsatz finden die einen eine Tätigkeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen, andere in einem Integrationsbetrieb. Wieder andere packen eine rehaspezifische, sprich niedrigschwellige Ausbildung zum Fachpraktiker / zur Fachpraktikerin, die es in vielen Sparten gibt und schaffen den Sprung auf den ersten Arbeitsmarkt.
Neben Jugendlichen kümmern sich die Reha-Berater*innen auch um Erwachsene, die ihren erlernten Beruf nicht mehr ausüben können, z.B. besagten Bäcker oder auch den Dachdecker, der vom Gerüst gestürzt ist. In diesen Fällen ist eine komplette Umschulung die Regel, damit die Erwerbsbiografie mit einem Neustart fortgesetzt werden kann.
Menschen in Arbeit bringen: Das ist das Kerngeschäft der Vermittlungsfachkräfte im Reha-Team. Ihre Kunden und Kundinnen kommen aus einem Job, einer Ausbildung oder melden sich nach einer Beratung. Um eine neue Stelle zu finden, ist der Kontakt zu den regionalen Unternehmen wichtig. Als direkte Ansprechstelle berät das Reha-Team auch Betriebe über Fördermöglichkeiten und schaut nach Perspektiven für die betreuten Arbeitsuchenden. Gerade in Zeiten des branchenübergreifenden Fachkräftebedarfs können beide Seiten profitieren. „Menschen mit Handicap sind ein wertvolles Potenzial für den Arbeitsmarkt“, sagt Elmar Wagner, Chef der Agentur für Arbeit Montabaur. „Denn sie sind hoch motiviert, besonders engagiert und außergewöhnlich betriebstreu. Mit der passenden Förderung und Ausstattung des Arbeitsplatzes erbringen sie zumeist dieselbe Leistung wie ihre nicht-beeinträchtigten Kolleginnen und Kollegen. Deshalb sind die 9,3 Millionen Euro Fördergeld, die wir allein in diesem Jahr einsetzen, eine gute und wichtige Investition.“
Diese Mittel fließen überwiegend in Ausbildungen und Umschulungen zur beruflichen Rehabilitation. Bei schwerbehinderten Menschen kann aber auch die beschäftigungsbegleitende Unterstützung ein hohes Volumen erreichen. So berichtet Anja Voigt von einem Förderschüler, der Schritt für Schritt ins Erwerbsleben gegangen ist - von einer Arbeitserprobung über die Berufsvorbereitung zur Ausbildung plus einer Zusatzqualifikation. Dies alles hat etwa 200.000 Euro gekostet. Um seine Stelle ausfüllen zu können, braucht der junge Mann wie viele andere beeinträchtigte Menschen zudem technische Hilfen. Das kann der elektrisch verstellbare Schreibtisch sein, aber auch das umgerüstete Auto.
Lohnen sich solch hohe Investitionen? Anja Voigt beantwortet diese Frage mit einem klaren Ja: „Zum einen ist es teurer, Langzeitarbeitslosigkeit zu finanzieren als Erwerbstätigkeit zu fördern. Zum anderen werden Fachkräfte dringend gebraucht, und die meisten Behinderten bringen dieses Qualifikationsniveau mit. Nicht zuletzt geht es um Inklusion und Ethik. Jeder Mensch hat das Recht auf Arbeit und ein Job stärkt das Selbstwertgefühl enorm. Das zu erleben ist unser täglicher Antrieb.“
Das Reha-Team bietet am Donnerstag, 8. Dezember, von 15 bis 18 Uhr eine offene Sprechstunde in der Agentur für Arbeit Montabaur, Tonnerrestraße 1. Wer Fragen zu Schwerbehinderung und Rehabilitation hat, ist willkommen - ohne Anmeldung.
(Schwer)Behinderte und Rehabilitanden:
Infos auf einen Blick
Behindert ist ein Mensch im Sinne des Gesetzes, wenn seine körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit nicht nur vorübergehend wesentlich gemindert ist - und wenn er dadurch Hilfen z.B. für die Teilhabe am
Arbeitsleben benötigt.
Schwerbehindert ist ein Mensch nach dem Sozialgesetzbuch, wenn vom Versorgungsamt ein Grad der Behinderung 50 oder mehr festgestellt wird. Wichtig: Der Behinderungsgrad alleine sagt nichts über die berufliche Leistungsfähigkeit eines Menschen aus.
Gleichgestellt mit schwerbehinderten Menschen werden Personen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 30 aber unter 50 von der zuständigen Agentur für Arbeit, wenn die Aufnahme oder der Erhalt des Arbeitsplatzes behinderungsbedingt gefährdet ist.
Rehabilitanden sind laut Sozialgesetzbuch die Menschen, deren Aussichten, am Arbeitsleben (weiter) teilzunehmen, wegen Art und Schwere ihrer Behinderung nicht nur vorübergehend wesentlich gemindert sind. Denn dann können Hilfen zur Teilhabe am Arbeitsleben notwendig sein.
Beschäftigungspflicht
Arbeitgeber mit mindestens 20 Arbeitsplätzen im Jahresdurchschnitt sind gesetzlich verpflichtet, mindestens 5 Prozent Ihrer Arbeitsplätze durch Menschen mit Schwerbehinderung oder ihnen gleichgestellten Menschen zu besetzen. In der Regel wird die Beschäftigung eines Menschen mit einer Schwerbehinderung auf einen Pflichtplatz angerechnet. Eine Mehrfachanrechnung ist auf Antrag möglich, wenn die Eingliederung auf dem Arbeitsmarkt behinderungsbedingt besonders schwierig ist oder wenn behinderte Jugendliche ausgebildet werden.