Mario Isack hat das Geschehen in Renneod detailliert recherchiert
In einem Film ließ Michael Gerz damalige Zeitzeugen zu Wort kommen.
Die Ziele wurden zum Teufel gejagt
(von Wolfgang Gerz)
„Die Ziele wurden zum Teufel gejagt“ meldete der Pilot des Bombers, als er seine todbringende Fracht über dem Ort Rennerod abgeladen hatte. Mit dem Ziel war die Straßenkreuzung an der heutigen Westerwald Bank-Filiale gemeint (Hauptstr./Einmündung Koblenzer Str.). Was die Bomben ausgelöst hatten, war aber mehr als nur eine zerstörte Straßenkreuzung. 39 Zivilisten und 11 Soldaten ließen ihr Leben, es gab 50 Schwer- und ungezählte Leichtverletzte. Viele Gebäude im Kreuzungsbereich und um die Kirche lagen in Trümmern. Bis heute hat sich dieses Ereignis tief in das Gedächtnis der Stadt eingebrannt.
So war es nicht verwunderlich, dass sich zur Gedenkveranstaltung im Pfarrheim mehr als 150 Personen eingefunden hatten. In Vorführungen und Vorträgen wurde auf das schreckliche Ereignis vom 16. März 1945 eingegangen, als um genau 15:07 Uhr die Katastrophe ihren Lauf nahm. Durch das abendliche Programm führte Franz-Josef Pitton, der mit einem Team über ein Jahr mit den Vorbereitungen für diesen Abend beschäftigt war. Bürgermeister Raimund Scharwat freute sich in seiner Begrüßung über das große Interesse und mahnte, dass sich Gleiches nie mehr wiederholen dürfe. Der Slogan „Nie wieder ist jetzt“ gelte auch für Rennerod. Die Zweitstimmen bei der jüngsten Bundestagswahl seien für ihn daher schon besorgniserregend.
Mario Isack (Hellenhahn) ist es zu verdanken, dass der Bombenangriff auf Rennerod so detailliert und wahrheitsgemäß aufgearbeitet ist. Seit Jahren hat er sich damit intensiv beschäftigt. Aber erst das Internet und die gleichzeitige Öffnung amerikanischer und englischer Militärarchive ermöglichten seine Forschungen. Schon vor dem 16. März hatte es zwei Fliegervorfälle in Rennerod gegeben. Der Bahnhof wurde angegriffen und bei einem Luftkampf wurde eine deutsche Maschine über Rennerod abgeschossen. Der 19jährige Pilot kam ums Leben und ist in Rennerod beigesetzt worden.
Dabei mutet es fast wie eine Ironie des Schicksals an, dass die Tragödie von Rennerod dem Wetter geschuldet war. Die US-Bomber der 9. US-Luftflotte hatten eigentlich den Auftrag eine kriegswichtige Brücke bei Niedermarsberg (Sauerland) zu zerstören. Dort verhinderten aber dichte Wolken den Abwurf; ebenso beim Ausweichziel in Siegen. So suchte ein Teil der Bomber dann Rennerod auf. Hier herrschte - zum Leidwesen des Ortes - gute Sicht. Die Menschen erkannten in dem Geschwader von 32 Flugzeugen keine große Gefahr. Schon zu oft waren Verbände über den Westerwald gezogen um größere Städte anzugreifen. Diesmal aber galt der Angriff ihnen. Aus 3.700 Meter Höhe luden sie ihre tödliche Fracht ab.
Im zweiten Programmteil des Abends ließ Filmemacher Michael Gerz (Westernohe) mehrere Zeitzeugen von damals zu Wort kommen. Besonders erschütternd die Aussagen von Agathe Hering, die damals im Bürgermeisteramt beschäftigt war. In Sorge um ihre Mutter lief sie direkt nach dem Bombenabwurf nach Hause und kam dabei schon an mehreren Leichen vorbei, die auf den Straßen lagen. Anblicke, die man sicher nie vergisst. Abschließend berichteten Sophia Dapprich, Helmut Lang und Norbert Gros aus Überlieferungen ihrer Vorfahren zu diesem Schicksalstag.
Einen Tag nach dieser Veranstaltung fand in der Pfarrkirche in Rennerod noch ein Gedenkgottesdienst statt. Dabei wurde die Pfarrchronik zitiert, in der damalige Pfarrer Bellm die Ereignisse vom 16. März festgehalten hatte. Für jedes Opfer wurde eine Kerze entzündet. Bei aller Trauer und Entsetzen über dieses Unglück sollte nicht vergessen werden, wer ursächlich dafür verantwortlich war. Es waren die Deutschen mit ihren NS-Verbrecher selbst. Auch deshalb gilt: Nie wieder ist jetzt. Zu den damaligen Ereignissen von Rennerod hat Mario Isack ein Heft mit dem Titel „Als der Krieg nach Rennerod kam“ herausgegeben, das zum Preis von 8 Euro bei SCHRIFT:gut Westernohe bestellt werden kann (Tel. 02664/9939923 oder E-Mail: gerz.carsten@gmail.com).