Titel Logo
Unsere Verbandsgemeinde Selters Ww
Ausgabe 40/2022
Aus Vereinen und Verbänden
Zurück zur vorigen Seite
Zurück zur ersten Seite der aktuellen Ausgabe

Kur- und Verkehrsverein Herschbach - Heimatkunde

Manfred Krah

Werner Schenkelberg

1943

Im Kindergarten im Jahre 1946

3. Der Krieg ist vorbei

Meine Eltern hatten, wie alle anderen verlobten Herschbacher auch, bei ihrer Hochzeit das Buch: “Hitler, mein Kampf“, von der Gemeinde geschenkt bekommen. Das war überall so. Als der Krieg zu Ende ging, haben sie dieses nun gefährliche Geschenk in unserem Kriechkeller, dessen Boden aus Lehm war, vergraben. Wahrscheinlich liegt der “Schinken“ mit Hitlerbild und einem Dolch vermodert noch heute im Keller. Ich selbst habe vor einigen Jahren “Mein Kampf“ gelesen. “Hier hatten wir im Krieg nicht so viel Hunger wie in der Stadt“, hörte ich als Jugendlicher immer wieder die Älteren sagen. Es wurde schwarz geschlachtet, es wurde schwarz Butter hergestellt und andere verbotene Dinge getan, um die Familie am Leben zu erhalten. Allerdings musste man darauf achten, dass neidige Nachbarn oder einheimischen Nazis, die abends durch das Dorf schlichen, nicht das verbotene Tun auffiel. Meine Mutter erzählte mir, sie hätten die Zentrifuge zum Butterherstellen immer unter einem Treppenverschlag versteckt und das Gerät beim Bedienen mit Handtüchern umwickelt, damit der Nachbar das „schändliche“ Tun nicht hörte. Eine Anzeige hätte sehr gefährlich werden können.

Wegen der Gefahr feindlicher Flieger durfte auch kein Licht, noch nicht mal ein kleiner Schein, durch das Fenster leuchten. Auch das wurde angetragen. Daher wurden die Fenster verhangen und die Abende oft bei Kerzenlicht verbracht. Da unser Keller vielleicht ein Meter hoch war, war er wegen der Kälte und der Feuchte ( die Mauern im „alten“ Herschbach waren und sind es immer noch auf zu Stein gewordenen Holzstämmen gebaut) gut zum Einlagern geeignet, war aber schwierig zu begehen. Daher wurden diese Keller auch Kriechkeller genannt. Ich erinnere mich noch gut daran, dass mein Vater nach dem Kriege bei der Kartoffelernte im Herbst die Säcke voll Kartoffel durch eine Bodenöffnung in unserer Küche in den Kriechkeller schüttete. Wir Kinder mussten sie dann im Keller in einer Ecke verstauen. Die Bodenöffnung wurde nach dem Einlagern wieder mit einem Holzdeckel verschlossen. Übrigens in dem gleichen Zimmer, vorne zur Hauptstraße hin, bin ich geboren worden. Das Getreide dagegen wurde sackweise über zwei Treppen auf der Schulter tragend auf dem Speicher zum Trocknen ausgebreitet

Auch der Boden der Durchfahrt zum Hauseingang und zum Stall meines Geburtshauses war aus Lehm. Hier haben wir Kinder ein paar kleine Löcher ausgekratzt und oft “Kleggern“ gespielt. Gegen eine bunte Glasklegger konnte man zehn Gipsklegger tauschen. Ideal war die Durchfahrt auch zum Ballspielen. Wenn es regnete, waren wir im Trockenen. Da die Decke der Einfahrt nicht wärmegedämmt war, war der Fußboden unseres Schlafzimmerers darüber im Winter eiskalt. Aber wahrscheinlich wurden die wenigsten Schlafzimmer in der Gemeinde im Winter angewärmt. Eine Wärmflasche half, die Hemmungen vor dem Zubettgehen zu mindern. Damals war es auch noch Gang und Gebe, abends wie morgens zu beten. Ich kenne heute noch meine Gebete: Abends wenn ich schlafen geh, Bevor ich mich zur Ruh begeb, Meine Eltern auch befehl ich Dir, Wie fröhlich bin ich aufgewacht und weiter Kindergebete. Das “Vater unser“ konnten wir schon mit drei Jahren und auch das “Gegrüßet seist du Maria“ konnten wir fließend aufsagen. Ich hole besser nicht zum Vergleich mit heute aus.

“Mit neun Monaten konntest du schon gehen“, hat mir meine Mama erzählt. Meine Frau hat 25 Jahre später mal gesagt: “Deine Fußballerbeine hast du sicherlich von deinem Frühstart“.

Neben uns wohnte der Löthanni. Der war, wie der Name es ahnen lässt, selbstständiger Klempner. In seiner Werkstatt habe ich mir wohl die ersten Fertigkeiten für meinen späteren Lehrberuf angeeignet. In dem Laden an der Hauptstraße konnte man auch Küchengeschirr, Tassen und Tellern erwerben. Als ein Opa in diesem Haus verstorben war, durfte ich ihn nochmals im Sarg sehen. „Der ist nicht tot. Der hat mir mit einem Auge zugezwinkert,“ muss ich wohl angemerkt haben. Trotz des Trauerfalles sollen die Erwachsenen belustigt gewesen sein. Das, was die 8 x 10 Jahre alten Herschbacher vom Krieg wissen, wissen sie aus Erzählungen von ihren Eltern, aus Filmen oder durch Lesen. Auch wie es war, als einige Väter 1945 oder 1946 nach Hause kamen, wird den wenigsten noch in Erinnerung sein. Der Vater war sicherlich in den ersten Tagen ein fremder Mann. Für Kind wie auch Vater (wahrscheinlich auch für die Frau) wird es nicht ganz einfach gewesen sein, die neue Situation zu bewältigen. Mein Vater kehrte sehr früh Anfang Juni 45 zurück. Daran erinnern kann ich mich nicht mehr. Wie mir meine Mama nach dem Tode meines Papas erzählte, ist er Ende des Krieges mit einem Schiff der Donau hoch geflüchtet. Auf diesem Schiff waren nicht nur Soldaten, sondern auch zivile Personen. Auf dem Deck sei auch eine junge Mutter mit ihrem Baby gewesen. Das Kind lag in einem Kinderwagen. Als das Schiff von Flugzeugen beschossen wurde, fing es an zu schlingern. Der Mutter entglitt der Kinderwagen und rollte in die Donau. Was kann es schlimmeres geben. (Winfried Himmerich) Einige Leute haben mich nach dem Teil 1 angerufen und mich gebeten, so weiter zu machen.