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Unsere Verbandsgemeinde Selters Ww
Ausgabe 45/2024
Amtliche Bekanntmachungen
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Amtliche Bekanntmachungen - Verbandsgemeinde Selters - Der Umweltbeauftragte informiert: Gebietsfremde Arten - Neophyten

Drüsiges Springkraut (Impatiens glandulifera).

Während im letzten Beitrag die gebietsfremden Tierarten thematisiert wurden, will ich heute von den nicht-heimischen Pflanzen (Neophyten) berichten. Neben den durch die Veränderung des Klimas bedingten mehr oder weniger natürlichen Arealverschiebungen von Pflanzenarten ist es die treibende Hand der Menschen, die zu einer sogenannten anthropogenen Ausbreitung führt. Dass dabei auch Arten aus anderen Kontinenten den Weg zu uns finden, liegt zu einem erheblichen Teil an dem globalen Handel. Durch den Verkehr sowie den Personen- und Warenaustausch erreichte uns die Hälfte der eingeschleppten Neophyten. Die zweite Hälfte setzt sich zusammen aus importierten Zierpflanzen mit einem Anteil von 30 % sowie land- und forstwirtschaftliche Nutzpflanzen mit einem Anteil von 20 %.

Wo liegen die Probleme der neuen Arten?

Nicht jede neue Pflanzenart passt in unsere Klimazone. Der voranschreitende Klimawandel begünstigt die Ausbreitung neuer Arten. Gelingt eine Etablierung, so können einige der Neophyten einheimische Arten, Lebensgemeinschaften oder Biotope gefährden. Sie werden dann den invasiven Pflanzen zugeordnet. Invasive Neophyten können große ökologische, gesundheitliche und/oder ökonomische Schäden verursachen. Ein Beispiel ist der aus Japan, China und Korea stammende Japanknöterich (Reynoutria japonica), der zu Beginn des 19. Jahrhunderts als Zier- und Futterpflanze bei uns eingeführt wurde. Mittlerweile gesellte sich der Riesenknöterich (Reynoutria sachalinensis) hinzu und daraus bildet sich der Hybrid Reynoutria x bohemica. Die bis zu vier Meter groß werdende Art besiedelt neben Straßenrändern und Schuttflächen insbesondere die Talauen der Fließgewässer. Der Auenbereich der den nördlichen Westerwald abgrenzenden Sieg wird in der Vegetationszeit beherrscht von einem Wald aus Knöterich-Arten, der den natürlichen Bewuchs des Gewässerrandes komplett verdrängt. Eine Bekämpfung des extrem regenerationsfähigen Knöterichs, der sich zudem vegetativ vermehren kann, gestaltet sich sehr kostenaufwendig. Ein wirkungsvolles Zurückdrängen durch Abmähen erfordert mindestens acht Mahden/Jahr.

Für viele invasive Arten gilt: sie besetzen eine unbesetzte Lücke oder ihre Fressfeinde fehlen bislang in unserem Lebensraum. Leider wird wie in dem Fall Knöterich zu lange gezögert, bis man die Pflanze zur invasiven Art erklärt. Mit vertretbarem Aufwand können solche Pflanzen oft nur in den Anfangsphasen einer biologischen Invasion bekämpft werden – aber zu diesem Zeitpunkt war das Ausmaß der Schäden noch nicht erkennbar.

Ein weiterer Neophyt, das Drüsige Springkraut (Impatiens glandulifera) breitet sich ebenfalls in den Fluss- und Bachauen, aber auch auf Freiflächen im Wald aus. Die bis zu zwei Meter hohe Pflanze, auch Bauernorchidee genannt, stammt aus dem Himalaja und wurde als Zierpflanze und zur Verbesserung der Bienenweide angebaut. Eine einzige Pflanze kann jährlich bis zu 4.000 Samen produzieren. Dichte Bestände des Drüsigen Springkrautes verdrängen den natürlichen Bewuchs. Die am Fell von Wildtieren anhaftenden Samen verbreiten sich großflächig in kürzester Zeit.

Wie ist die Prävention zum Schutz vor der Ausbreitung gesetzlich verankert?

Es existieren verschiedene nationale und internationale Regelungen, deren Umsetzung einer mäßigen Kontrolle unterliegt, wie von vielen anderen Rechtsnormen bekannt:

  • In der Berner Konvention wird die europäische Strategie zum Umgang von invasiven Arten beschrieben.
  • Das Washingtoner Artenschutzabkommen (CITES) in Verbindung mit dem Europäischen Artenschutzabkommen regelt Einfuhrbeschränkungen für Arten.
  • Die EU-Verordnung zu invasiven Arten legt in einer sogenannten Unionsliste die invasiven gebietsfremden Arten und die notwendigen Maßnahmen zur Prävention fest. Das Bundesnaturschutzgesetz, die Bundesartenschutzverordnung und auch das Pflanzenschutzgesetz setzen die EU-Regelungen in nationales Recht um. Ein Beispiel: Gemäß Bundesnaturschutzgesetz dürfen ab dem 02.03.2020 in der freien Natur Saatgut, Pflanzen und Gehölze nur innerhalb ihrer Vorkommens-Gebiete ausgebracht werden. Die Kenntnis der gebietseigenen Herkünfte sollte bei den verschiedenen Akteuren vorliegen. Diese Regelung ist zum Beispiel bei der Aussaat von insektenfreundlichen Blumenwiesen zu beachten.

Welche Neophyten sind gesundheitsgefährdend?

Aktuell sind es die Arten Riesen-Bärenklau (Heracleum mantegazzianum), die Beifuß-Ambrosie (Ambrosia artenisiifolia) und das Jakobskreuzkraut (Jacobaea vulgaris). Ich werde diese Arten speziell in einer der nächsten Umweltinfos beleuchten.

Wie kann der einzelne Bürger an der Ausbreitung von Neophyten entgegenwirken?

Eigentlich ist die Frage ganz einfach zu beantworten. Durch den alleinigen Anbau von heimischen Pflanzenarten entsteht kein Problem mit den invasiven Neophyten. Möchte man die eine oder andere gebietsfremde Art in seinem Garten nicht missen, so sollten ein paar Vorsorgemaßnahmen beachtet werden, um eine Verbreitung der Pflanzen außerhalb des Grundstückes zu unterbinden. Wichtig ist, dass die Fruchtstände, Samen und Pflanzenteile korrekt (nicht in der freien Landschaft, nicht auf Astplätzen) entsorgt werden. Empfehlenswert ist eine Kompostierung.

Bei nichtheimischen Zierpflanzen existiert latent die Gefahr einer unbeabsichtigten Ausbreitung in unserer Naturlandschaft. Andererseits sind viele der neuen Arten kein Zugewinn für unsere Ökologie. Vor dem Ankauf von Zierpflanzen für den Garten sollte deren Nutzen für unsere Insektenwelt abgecheckt werden. Seit diesem Frühjahr ist in der Schweiz der Verkauf, die Einfuhr oder Weitergabe unter anderem vom Kirschlorbeer (Prunus laurocerasus) verboten. Die immergrüne Art gehört bei uns zu den beliebtesten Heckenpflanzen. In einem großen Waldgebiet bei Bonn hat sich der Kirschlorbeer bereits etabliert und beeinflusst die standortheimische Vegetation sowie die Bodenchemie. Ob die Art invasiv ist, dazu fehlen in Deutschland systematisch erhobene Daten bezüglich der Verbreitung und der Etablierung.

Joachim Kuchinke, ehrenamtlicher Umweltbeauftragter der Verbandsgemeinde Selters