Der ökologische Zustand der Wied wird seit längerer Zeit öffentlich diskutiert und bewertet. Aus diesem Anlass trat die VG Asbach an die Bachpatenschaft „Altenwied“ heran und erfragte deren Bereitschaft, zu diesem Thema im Umweltausschuss, auf Basis ihrer Kenntnisse und Aktivitäten, zu berichten. Zwei Vertreter der Bachpatenschaft, der Vorsitzende Michael Roth und die Biologin Dr. Maria Dommermuth, referierten in der Ausschusssitzung am 19.3.2024 zu dieser Thematik.
Im Sitzungssaal des Rathauses: Michael Roth, Michael Christ, Dr. Maria Dommermuth, Michael Mahlert, Michael Vogel
Die Bachpatenschaft Altenwied besteht seit 2018 und gründete sich aus Mitgliedern der Fischereigenossenschaft Neustadt (Wied) heraus. Der betreute Wiedabschnitt reicht von der Mehrbachmündung bei Ehrenstein bis zur Brochenbachmündung bei Arnsau.
Die Idee hinter den Bachpatenschaften ist, dass da wo Lebensräume existieren, die Natur selbst dafür sorgt, diese auch zu besiedeln. Dafür muss man, so die Meinung der Bachpaten, der Natur nur die Möglichkeit und die Zeit geben sich frei zu entfalten. Die Bachpaten vermitteln als Kenner der lokalen Verhältnisse zwischen den Belangen der Natur und dem zuständigen Unterhaltspflichtigen, dies ist bei uns der Kreis Neuwied. Weiterhin ist die Information der Öffentlichkeit und vor allem die Heranführung der Kinder an den Lebensraum Bach ein besonderes Anliegen der Bachpaten.
Im Umweltressort der Kreisverwaltung Neuwied, unter Führung des ersten Kreisbeigeordneten Michael Mahlert, stieß man im Mai 2018 auf offene Ohren, sodass der Bachpatenvertrag zwischen dem Kreis Neuwied und den Bachpaten Altenwied unterzeichnet wurde.
Der ökologische Zustand der Wied
Frau Dr. Dommermuth kennt die Wied aus eigener Untersuchungstätigkeit, zum einen für deren Promotion Anfang der neunziger Jahre, zum anderen als langjährige gewässerökologische Gutachterin für das Landesamt für Umwelt von Rheinland-Pfalz. Aus dieser Tätigkeit heraus kennt sie auch die Entwicklung des gewässerökologischen Monitorings seit über 30 Jahren. Ihr Anliegen war es deshalb sowohl die Vorgehensweise und Hintergründe des Monitorings zu erläutern als auch die offiziellen aktuellen Ergebnisse des amtlichen Monitorings darzustellen. Früher lag der Fokus der Gewässergüteuntersuchungen in der Beurteilung der Verschmutzung des Wassers mit organischen abbaubaren Abwässern. Mit Einführung der Wasserrahmenrichtlinie im Jahr 2000 wurde europaweit angestrebt, alle Gewässer in einen "guten ökologischen Zustand“ bemessen am natürlichen Potential zu überführen. Damit wurde es erforderlich, neue, umfassendere Bewertungsmethoden zu entwickeln. In der Oberflächengewässer-Verordnung sind diese Methoden u.a. für die Fließgewässer festgeschrieben. Demnach werden vier Komponentengruppen für die Bewertung herangezogen: biologische, hydromorphologische, chemische und allgemeine chemisch-physikalische Komponenten. Maßgebend für das Bewertungsergebnis sind dabei nur die biologischen Komponenten umfassend die Fischfauna, die wirbellosen Kleinlebewesen (Makrozoobenthos), höhere und niedere Wasserpflanzen. Für ausgewählte chemische Substanzen gibt es Richtwerte, die zwingend eingehalten sein müssen. Die anderen Komponenten werden nur unterstützend herangezogen, vor allem für die Ursachenanalysen. Insgesamt gibt es fünf Bewertungsklassen: sehr gut, gut, mäßig, unbefriedigend und schlecht. Die Wied wird in drei sogenannte Wasserkörper unterteilt: die Obere Wied von der Quelle bis etwa Altenkirchen, die mittlere Wied von Altenkirchen bis zur Holzbachmündung und die Untere Wied von der Holzbachmündung bis zur Mündung in den Rhein. Die Bewertungsergebnisse zu allen rheinland-pfälzischen Wasserkörpern sind seit Sommer 2023 im Internet ausführlich in Steckbriefen dargestellt. (wasserportal.rlp-umwelt.de/auskunftssysteme/wasserkoerper-steckbriefe-wrrl)
Der für die Verbandsgemeinde Asbach relevante Wiedabschnitt liegt demnach im Wasserkörper "Untere Wied". In allen drei bisherigen Monitoringphasen wurde nur der mäßige ökologische Zustand erreicht und damit das Ziel der Wasserrahmenrichtlinie verfehlt. Während sich die Bewertung des Makrozoobenthos bis 2021 auf gut verbessert hatte, bleiben die Ergebnisse zu den Fischen und Wasserpflanzen nur mäßig. Die Ursachen sind vielfältiger Natur: schlechte Strukturen, verfehlte chemische Vorgaben, Fressfeinde (z.B. Kormoran) und Faktoren des Klimawandels.
Die Untersuchungen für die aktuelle Berichtsphase laufen derzeit, u.a. auch für den Bereich Westerwald, wo diese für das Makrozoobenthos durch Frau Dr. Dommermuth erhoben werden. Es bleibt abzuwarten, wie die Entwicklung weiter gegangen ist.
Zustand der Gewässerstrukturen der Wied
Strukturarmer Abschnitt mit Steinpackungen
Ein wesentlicher Faktor, den es zu verbessern gilt, ist die Struktur unserer Gewässer. Herr Roth erläuterte die Bedeutung einer vielfältigen Struktur für deren Lebenswelt. Fahren wir heute, an der Wied entlang, sehen wir zunächst einen idyllischen kleinen Fluss, oft gesäumt von einer ufernahen Baumreihe, der in der Sonne glitzert. Natur pur? Beim näheren Hinschauen erkennt man allerdings, dass dort, wo nicht gerade die Straßenstützmauern der L255 und L269 den Fluss begrenzen, auch nur eine schmale Zone mit Ufergehölz existiert. Die Wied wurde, wie viele andere Fließgewässer auch, begradigt, „eingesteint“, in ein festes starres Bett mit weitgehend einheitlicher Breite und Tiefe gezwungen, mit negativen Folgen, besonders für die Fischfauna. Der Fluss ist oft tief ins Gelände eingegraben und fließt zwischen hohen Wänden aus abgelagertem Uferlöss in einer laminaren Strömung dahin. Beschattung durch Bäume gibt es zu wenig. Die Nutzflächen reichen bis unmittelbar an das Ufer und sind teilweise durch Steinpackungen gesichert, die aus früheren Befestigungs- und Begradigungsmaßnahmen stammen. Das Flussbett erscheint leergeräumt. Die Wied leidet über weite Strecken unter einer ausgesprochenen Strukturarmut. Was sich bei der Bewertung der Gewässerstrukturgüte jedenfalls in einer nur mäßig bis unbefriedigenden, lokal sogar schlechten, Note widerspiegelt.
Wie kann man die Strukturen wieder verbessern? Natürliche Strukturen in Fließgewässern sind entscheidend für die Gesundheit und Funktionsfähigkeit dieser Ökosysteme. Einige typische natürliche Strukturen, die in Fließgewässern vorkommen sind: die Ufervegetation und Uferstrukturen, Kiesbänke und Strömungsrinnen, Felsformationen und natürliche Hindernisse, Totholz, Wasserpflanzen und Schilfgürtel. Wobei dem Totholz eine besondere Bedeutung zukommt. Im Wasser liegend, ist es eine wichtige Struktur, die Schutz und Nahrung für viele Wasserlebewesen und Vögel bietet. Es schafft Lebensräume für Fische, Insekten und Mikroorganismen und fördert die biologische Vielfalt und fördert als Strömungslenker die natürliche Umformung des Flussbettes.
Dabei muss darauf geachtet werden, dass Totholz bei Hochwasser nicht zur Gefahr wird, indem es entweder gesichert oder vor kritischen Engstellen abgefangen wird.
Mit Stahlseilen gesichertes Totholz bietet Unterstand und Lebensraum
Alle Punkte zusammengefasst fließen ein in den Begriff Gewässerentwicklungsraum. Ein breiter Korridor, in dem sich der Fluss oder Bach frei und natürlich entwickeln kann. Neben den ökologischen Vorteilen, wie Lebensraum für Fauna und Flora, bietet dies auch Hochwasserschutz. Das Aufbrechen der kanalartigen Struktur, durch z.B. Totholz oder Strömungslenker, schafft Raum für gezielte und kontrollierte Überschwemmungen. Mit dem dabei gleichzeitig auftretenden Verlangsamungseffekt des Abflusses wird die Auswirkung von Hochwasser abgemildert. Ein vielversprechender Ansatz ist dabei die Initiierung der Eigendynamik, um eine größere Breiten-, Tiefen-, Strömungsvielfalt und vielfältigere Sedimentzusammensetzung zu erreichen. Schon durch kleine, gezielte, lokale Maßnahmen können eigendynamische Prozesse in Gang gesetzt werden. Dies ist bereits heute an den verschiedenen Stellen zu beobachten, an denen die Bachpaten Altenwied, in Abstimmung mit dem Kreis Neuwied und der SGD-Nord, Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässerstruktur vorgenommen haben.
Eingebaute Strömungslenker als Initiatoren für Eigendynamik
Die Einrichtung und Erhaltung eines Gewässerentwicklungskorridors benötigt Raum. Daher erfordert es eine ganzheitliche Planung und Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Interessengruppen, einschließlich Regierungsbehörden, Naturschutzorganisationen, Gemeinden, Grundstückseigentümern und Anwohnern. Durch den Schutz und die nachhaltige Nutzung des Gewässerentwicklungsraums können gesunde und widerstandsfähige Fließgewässer-Ökosysteme erhalten werden.
Totholz schafft Strukturen
Fazit: Unser Wiedbach hat Potential. Ja, die ökologische Zustandsklasse ist mäßig aber nicht schlecht und die Fischfauna müsste besser sein. Das Wasser hat zu viele Nährstoffe, was zu starkem Algenwachstum führt. Ist aber immer noch so gut, dass sich sogar die seltene und sehr anspruchsvolle Kleine Flussmuschel hält. Es gibt eine gute Anzahl und Population an Arten von Kleinlebewesen im Flussbett, die den Anfang der Nahrungskette bis hin zu den Fischen und Vögeln bilden. Wenn man dem Fluss an den Stellen, an denen es noch möglich ist, etwas Freiraum verschaffen könnte, dann wäre viel geschafft auf dem Weg hin zu einem naturnahen Fließgewässer und damit auch zu einem ansprechenden Erholungsraum für Menschen und Tiere.
Vor Ort an der Wied Michael Mahlert, Michael Christ, Christoph Petri, Dr. Maria Dommermuth, Michael Roth
Autoren: Dr. Maria Dommermuth, Michael Roth, Bachpaten Altenwied e.V., Bilder Weißenfels und Roth