v. l.: Verleger Arne Houben, Autor Heiner Feldhoff, Vorleserin Claudia Schwamberger, Kantor Jens Schawaller
Pauline Leicher (1904-1941)
Oberdreis. Im Bürgerhaus in Lautzert las der Schriftsteller Heiner Feldhoff aus seinem neuen Buch „Pauline Leicher oder Die Vernichtung des Leben“. Dabei teilte er sich den Lesevortrag mit Claudia Schwamberger. Der Abend war dem Gedenken an Pauline Leicher aus Lautzert gewidmet. Mit 37 Jahren wurde sie als geistig Behinderte ein Opfer der NS-Euthanasie und 1941 in Hadamar ermordet.
Der Verbandsbürgermeister Volker Mendel verwies in seinem Grußwort auf die Förderung im Rahmen der Raiffeisen-Bürgerprojekte. Seit kurzem sei auf dem Lautzerter Friedhof am Gefallenendenkmal eine Tafel angebracht, die an Pauline Leicher erinnere. In seiner Vorrede sagte Heiner Feldhoff, endlich würden „wir der Pauline die ortsnotwendige Ehre erweisen und sie aus dem totalen Vergessen hervorholen.“
Das zahlreich erschienene Dorfpublikum mit Gästen aus nah und fern - sogar der Verleger war von Zell an der Mosel angereist - erlebte eine beeindruckende Lesung, deren Intensität von gleichzeitig präsentierten Fotografien noch gesteigert wurde. Dazu trug auch das virtuos dargebotene Geigenspiel des Dekanat-Kantors Jens Schawaller aus Montabaur bei.
Feldhoff schilderte seine eigenen anfänglichen Schwierigkeiten, dem unbegreiflich Bösen nachzuforschen. Dann aber habe ihn das Schicksal der Pauline und ihrer mehrfach leidgeprüften Familie in seinen Bann gezogen. Wichtig war ihm zu verdeutlichen, dass die Euthanasie keine Erfindung der Nazis war, sondern lange vorher von vermeintlich sozial und christlich eingestellten Juristen, Medizinern und Theologen zum Thema gemacht worden war.
1937 in Neuwied zwangssterilisiert, wurde Pauline Leicher drei Jahre später in die „Heil- und Pflegeanstalt“ Andernach eingewiesen. Schließlich am 6. Mai 1941 der Abtransport in „Grauen Bussen“ von Andernach zur Tötungsanstalt Hadamar. Ihre Ermordung in der Gaskammer am gleichen Tag.
Heute, beim Hinabsteigen in den historischen Keller, wo zwischen Januar und August 1941 der Vergasungsmord an zehntausend Menschen mit Behinderung stattfand, sei das Schreckliche von damals für ihn beinahe unerträglich gegenwärtig gewesen, so Feldhoff. Bei den Zuhörenden in Lautzert hinterließ die Lesung spürbare Betroffenheit. Ein Besucher meinte anschließend, es sei ihm an manchen Stellen kalt den Rücken heruntergelaufen.
Der Ortsbürgermeister Ralf Engel hatte am Ende allen Grund, dem Autor und den anderen Mitwirkenden für eine ganz besondere Gedächtnisveranstaltung zu danken.