(Fotos: Bärbel Scheele)
Die Initiative Runder Tisch für Flüchtlinge in Lahnstein und die evangelische Kirchengemeinde Niederlahnstein hatten zu einer Lesung eingeladen. „Wenn ich groß bin, halte ich mir auch einen Flüchtling“. Dieser Ausspruch kam im Laufe der Zeit von dem Protagonisten Faiaz. Das Buch ist eine Sammlung von Erlebnissen und Ereignissen, die in dieser deutschen Familie über und mit dem jungen Afghanen passiert sind. Die Autorin Monika Liegl erzählt sehr eindrucksvoll, aber auch mit einer Prise Humor, wie diese verschiedenen Menschen sich gefunden haben. Wahrscheinlich konnten einige Besucher dem voll zustimmen, weil es Erfahrungen sind, die jeder, der mit Flüchtlingsarbeit zu tun hat, damit auch konfrontiert ist.
Im Jahre 2015 kommen viele Geflüchtete auch nach Lahnstein und werden nach Aufnahme meistens ehrenamtlich betreut. Also, in diesem Fall macht sich die deutsche Frau an der Seite eines jungen Afghanen auf den Weg, hilft bei Terminen, Gesprächen, Arztbesuchen, Deutschunterricht. So wie die Wünsche und Träume eines Flüchtlings sind, so haben auch die ehrenamtlichen Helfer Vorstellungen, wie das funktionieren sollte. Das klappt aber nicht immer so, auch hierzu werden einige Anekdoten erzählt. Durch verschiedene Umstände kommt es dann dazu, dass die ehrenamtlich tätige Familie, Faiaz in ihrem Haus aufnimmt und natürlich verschiedene Lebensbereiche und Schwierigkeitsgrade eine Herausforderung darstellt. Hier treten Konflikte der unterschiedlichen Kulturen auf. Es gibt ein Sprichwort, welches Faiaz zitierte: „Man kann nicht zwei Melonen in einer Hand tragen, eine fällt herunter und zerplatzt.“ So sind die Träume von einem Studium von Faiaz durch viel Bürokratie, ungeklärten Aufenthaltsstatus auch sehr schnell geplatzt.
Es wird von Faiaz sehr eindrücklich geschildet, dass das, was von deutschen Behörden gefordert wird, gar nicht zu erlangen ist. Eine Beschaffung von fehlenden Identitätspapieren ist nur in der afghanischen Botschaft möglich, da kommt aber jemand, der geflohen ist, nicht mehr hin.
Faiaz wurde im Laufe der Zeit einige Male darauf angesprochen, ein Bild seiner Eltern zu zeigen. Er zeigte das Bild der neuen deutschen Familie. Seine leibliche Mutter ist Lehrerin, darf durch die Taliban jetzt nicht mehr unterrichten. Kontakt zu seinen leiblichen Eltern ist nur über Internet möglich. Sie melden sich, wenn sie sporadisch Internet haben.
Wenn Faiaz in Deutschland bleiben will, muss er arbeiten, eine Ausbildung beginnen, Deutschkurse und Prüfungen bestehen. Hilfe ergab sich durch die evangelische Kirchenverwaltung und er konnte durch einen befristeten Arbeitsvertrag Arbeit nachweisen.
Kontakte freundschaftlicher Art sind für Geflüchtete wie Faiaz ein Problem. Integriert man sich, wie in diesem Fall, gib es Konflikte mit anderen Geflüchteten z. B. in der Flüchtlingsunterkunft, die Faiaz zu Anfang noch besucht. Er sei zu weit gegangen - weil er in einer christlichen Verwaltung eine Arbeit angenommen hatte. Die Eltern wissen, auch aus Schutz für das Leben, nichts von dieser Tätigkeit für eine christliche Glaubensgemeinschaft. Einheimische Freunde sind ebenfalls eher selten.
Er wollte sich die Haare blond färben und das Gesicht weiß schminken, wie Michael Jackson, weil er das Gefühl hat, dass die Menschen vor seinem Aussehen Angst haben. Stichwort Silvesternacht Köln, Bilder, die sich so auf friedliche Menschen übertragen.
Inzwischen arbeitet Faiaz in einer Stadtverwaltung, verdient sein Geld und hat eine afghanische Frau kennengelernt, die nach Faiaz Worten „sehr viel Glück gehabt habt, auch mit ihrem Mann“. Es folgte eine afghanische Hochzeit, da Meldepapiere, die in Deutschland erforderlich sind, nicht erbracht werden können. Eine Wohnungssuche, die sich auch in diesem Fall als schwierig erwies, wurde dann durch die Intervention der deutschen „Patenmutter“ dann doch erfolgreich abgeschlossen.
Nachfragen aus dem Publikum wurden ebenfalls gern beantwortet. Auf den Fluchtgrund angesprochen, antwortete Faiaz sehr eindrücklich und stellte die Situation seinerzeit dar. Es gab die Bedrohung des eigenen Lebens; er sollte den Taliban Zugang zu Regierungsrechnern verschaffen, um Menschen auszuspionieren. Dem Vater wurde das Todesurteil der Taliban für seinen Sohn gezeigt. Die Flucht musste über Nacht geschehen. Die Nachbarländer boten sich nicht als Alternative an, da die dort Herrschenden zu nah und zu eng mit den Taliban verbündet sind. Man muss damit rechnen, wieder zurückgeschickt zu oder gleich erschossen zu werden.
Es empfiehlt sich, dieses Buch zu lesen.
Die Veranstalter sind sehr froh, diese Thematik mit vielen Besuchern geteilt zu haben. Vielen Dank!