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Rhein-Lahn-Kurier - Heimat- u Bürgerzeitung für die Stadt Lahnstein
Ausgabe 32/2023
Lahnstein hat Geschichte
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Folge 764: Vor 10 Jahren: Schließung der Kaiser-Wilhelm-Schule

Heute beherbergt die ehemalige Kaiser-Wilhelm-Schule die Stadtbücherei, das Stadtarchiv und die Kindertagesstätte „EinSteinchen“. (Foto: Eva Dreiser / Stadtverwaltung Lahnstein)

Noch von Gärten umgeben: das 1906 errichtete Gebäude um 1908 (Sammlung Stadtarchiv Lahnstein)

Das letzte Lehrerkollegium mit Rektor Erwin Unger im Jahr 2012/13. (Foto: Bernd Geil / Stadtverwaltung Lahnstein)

Dort wo sich heute Stadtarchiv, Stadtbücherei, Kita „EinSteinchen“ und Volkshochschule die Räumlichkeiten teilen, befand sich bis 2013 die Kaiser-Wilhelm-Schule. Vor zehn Jahren schloss sich nach 107 Jahren ihre ereignisreiche Schulgeschichte.

Aufgrund des rasanten Anstiegs der Einwohnerzahl von Oberlahnstein vor der Jahrhundertwende platzte die Volksschule an der Hochstraße mit ihren Erweiterungsbauten aus allen Nähten, sodass sich die Stadtspitze für einen Schulhausneubau an der Kreuzung von Schul- und Wilhelmstraße aussprach. Das Gebäude wurde durch den Bauunternehmer Hermann-Josef Geil errichtet und am 16. Juni 1906 feierlich als Kaiser-Wilhelm-Schule (KWS) eingeweiht. Die neue Schule enthielt neun Lehrsäle, ein Rektorats-, ein Lehrmittel- und ein Konferenzzimmer sowie die Anlage für eine Kochschule. Sie war noch keine selbstständige Schule, sondern Bestandteil der Volksschule, deren Altbauten an der Hochstraße/Schulstraße den Namen Freiherr-vom-Stein-Schule erhielten. Nun konnte in insgesamt 23 Klassen von ebenso vielen Lehrkräften unterrichtet werden, davon acht Klassen mit 490 Schülern und Schülerinnen in der KWS.

Im 1. Weltkrieg diente das Gebäude als Kaserne für das Landsturmbataillon Oberlahnstein, nach Friedensschluss der französischen Besatzung. Ende 1919 wurde die verwüstete Schule wieder freigegeben und instandgesetzt. Seit 1926 wurde die KWS zur Mädchenvolksschule ausgebaut, die Stein-Schule zur Knabenvolksschule.

Von 1939 bis 1945 war die KWS nach dem verstorbenen Vorsitzenden des NS-Lehrerbundes in Hans-Schemm-Schule umbenannt. Bald wurden die beiden Volksschulgebäude monatelang für Flüchtlinge und Rückwanderer, bald für Hitlers Leibstandarte und für die Wehrmacht geöffnet. Der Unterricht wurde schichtweise in einer der beiden Volksschulen, bisweilen auch in schulfremden Räumen provisorisch erteilt. In den Wintern 1940, 1941 und 1942 musste die Schule kurzzeitig wegen eines Heizungsdefekts schließen. Im Herbst 1944 wurden beide Schulen abermals für die Wehrmacht beschlagnahmt. Am 11. November 1944 fiel die KWS dem schweren Luftangriff auf Oberlahnstein zum Opfer. Ein riesiges Loch von mehreren Stockwerken klaffte durch die Mauer zum Kaiserplatz. Der Unterricht fiel bis Kriegsende ganz aus.

Nach Kriegsende begann der Unterricht zunächst in den Räumen der Stein-Schule. Die KWS musste erst wiederhergestellt werden – am 13. Mai 1950 fand die Einweihung statt. Mit dem Neubau der Goetheschule (1954) als reine Knabenvolksschule wurde die KWS erneut eine reine Mädchenschule. Die Raumnot zwang zu einem Erweiterungsbau, der am 9. Januar 1960 eingeweiht werden konnte. Schon beim Bau der Schule vorgesehen, wurde er allerdings nun anders verwirklicht: Glockenturm mit Uhr und Treppengiebel wurden entfernt, da sie angeblich nicht mehr in den Stil der Zeit passten. Nach den Plänen des Architekten Heinz Schell wurde das Dach als freitragende Filigran-Stahlkonstruktion geschaffen. Neben 15 Klassenräumen enthielt das Gebäude Rektoratszimmer, Lehrerzimmer, Schülerbücherei-Raum, drei Lehrmittelzimmer, Hausmeisterraum, Arztzimmer und im Keller Duschanlagen sowie zwei Bastelräume. 1964 wurde auch eine Lehrküche eingerichtet, 1967 eine gemeinsame Turnhalle für Goethe- und Kaiser-Wilhelm-Schule gebaut. Nach dem Auszug der Volkshochschule aus dem ehemaligen Hitlerjugend-Heim Schulstraße wurden diese Räume 1971 für die KWS als Fachräume für die naturwissenschaftlichen Fächer eingerichtet.

1966 wurde landesweit das neunte Schuljahr eingeführt. Im Schuljahr 1967/68 stieg die Schülerzahl auf 623, eine Zahl, die später nie mehr erreicht wurde. Mit Inkrafttreten des Schulgesetzes von 1968 wurde die KWS zur Hauptschule. Von nun an besuchten Mädchen und Jungen der Klassen fünf bis neun gemeinsam eine Schule, drei Klassen pro Jahrgang. Aufgrund der geburtenschwachen Jahrgänge und der Auffassung vieler Eltern, ihre Kinder müssten wenigstens die Realschule besuchen, um einen guten Beruf erlernen zu können, gingen die Schülerzahlen immer weiter zurück. Waren es im Schuljahr 1979/80 genau 436 Schüler, 1992/93 noch 225, im Schuljahr 2005/06 noch 145 und zuletzt (2012/13) 108 Schüler.

Dabei hatte sich die Kaiser-Wilhelm-Schule mit ihrem Bildungsangebot stetig weiterentwickelt und den jeweiligen Erfordernissen und Forderungen angepasst. So wurde bereits 1999 eine Offene Ganztagsschule eingerichtet. Ab 2007 besuchten auch die Hauptschüler aus Niederlahnstein, ab 2008 auch Schüler aus Braubach die KWS, die gleichzeitig in eine Schwerpunktschule umgewandelt wurde, in der auch Kinder mit Förderbedarf ihren schulischen Weg bestreiten können.

Stetig aber sank landesweit die Zahl der Kinder, die auf Hauptschulen angemeldet wurden. Diese Entwicklung führte schließlich zum Beschluss der Landesregierung, die Hauptschulen in Rheinland-Pfalz aufzulösen und mit den Realschulen zu vereinen. Deshalb mussten die verbliebenen Hauptschüler der KWS zum Schuljahr 2013/14 an die Realschule ins Schulzentrum Oberheckerweg wechseln und dort ihre schulische Laufbahn vollenden.

Die Kaiser-Wilhelm-Schule schloss am 5. Juli 2013 für immer ihre Tore.