Karl Eduard Reusch (Foto: Sammlung Stadtarchiv Lahnstein)
31 Jahre war er Stadtchef, solange wie kein anderer vor oder nach ihm: Karl Eduard Reusch. Vom 05. April 1873 bis zu seinem Tode im Mai 1904 war er Bürgermeister in Oberlahnstein. Geboren wurde er am 05. Februar 1839 in Gemünden bei Simmern/Hunsrück. Bevor er im März 1873 in das höchste städtische Amt von Oberlahnstein gewählt wurde, war er Bürgermeister von Waldbreitbach.
In seine jahrzehntelange Lahnsteiner Amtszeit fällt der neuzeitliche Aufschwung der Stadt, der durch den Bau der Eisenbahn mitbedingt war. Anfangs war Oberlahnstein Umsteigeort von der Rhein- auf die Lahnstrecke. Regelmäßig passierten die kaiserliche Familie und bedeutende Persönlichkeiten den Bahnhof und wurden hier von der Stadtspitze herzlich willkommen geheißen. Als 1879 durch den Bau der Horchheimer Brücke Niederlahnstein anstelle von Oberlahnstein Umsteigestelle für Durchreisende wurde, fürchtete Oberlahnstein an Bedeutung zu verlieren. Dies machte Reusch durch den Bau des Güterbahnhofs wett. Oberlahnstein wurde zur Eisenbahnerstadt schlechthin, was sich in der Einwohnerzahl zeigte, die sich während seiner Amtszeit von 4.400 (im Jahr 1870) auf 8.470 Einwohner (1905) nahezu verdoppelte. Die Eisenbahn wurde Hauptarbeitgeber, der Weinbau ging hingegen rapide zurück.
In Reuschs Amtszeit fallen die Ansiedlung bedeutender Industriebetriebe, die Übernahme der privaten höheren Bürgerschule in städtische Regie (1873, das heutige Marion-Dönhoff-Gymnasium), der Ausbau des Hafens, der Neubau und die Erweiterung des Krankenhauses, die Errichtung des Wasserwerkes (1889) und der Kanalisation (ab 1898) sowie der Bau des neuen Rathauses in der Kirchstraße (1887/88), worin sich im ersten Obergeschoss fortan seine Dienstwohnung befand. Karl Eduard Reusch bekleidete auch die 1874 neugeschaffene Stelle des Standesbeamten.
Auch die Verlegung des Amtsgerichts von Ober- nach Niederlahnstein 1876 fällt in seine Amtszeit. Vorausgegangen war ein Zerwürfnis zwischen ihm und dem Amtsrichter D‘Avis wegen schlechter Wohnungsverhältnisse. Das Amtsgericht war in der Salkellerei in der Hochstraße, das Gefängnis zunächst im früheren Bullenstall, dann im Erdgeschoss des Alten Rathauses untergebracht. Niederlahnsteins Verlockungen führten schließlich zur Abwanderung in die Johannesstraße.
Ein wichtiger Beschluss während Reuschs Amtszeit war der Beitritt zum Nassauischen Städtetag. Als eine der ersten Städte im Regierungsbezirk Wiesbaden trat Oberlahnstein 1891 der neuen preußischen Städteordnung bei, Gemeinderat und Bürgerausschuss wurden aufgelöst. An ihre Stelle trat eine gewählte Stadtverordnetenversammlung mit 24 Mitgliedern und ein von ihr gewählter Magistrat, der neben dem Bürgermeister aus zwei Beigeordneten und vier Magistratsschöffen bestand.
Am 10. Mai 1904 starb Karl Eduard Reusch nach langer schwerer Krankheit im Alter von 65 Jahren. Im Nachruf schreibt das Lahnsteiner Tageblatt: „Seine ausgedehnten Kenntnisse auf allen Gebieten der Verwaltung und seine hervorragende Begabung haben ihn mit weitschauendem Blick trotz der größten Schwierigkeiten und Anfeindungen aller Art das zur Hebung der Stadt Notwendige und Zweckmäßige erreichen lassen.“
Neben seinem Amt als Bürgermeister wurden ihm noch mehrere andere hohe Ehrenposten übertragen. So war er Kreisdeputierter, Kreisausschuss- und Kreistagsmitglied, Mitglied der Landwirtschaftskammer und des Aufsichtsrates der Kleinbahngesellschaft. Geehrt wurde er „von Allerhöchster Stelle“ durch Verleihung des Roten Adlerordens IV. Klasse und des Königlichen Kronenordens III. Klasse.
„Die Stadt hat dem edlen Entschlafenen für all das Gute, was er geschaffen, unauslöslichen Dank auszustatten.“ Der Trauerzug unter Teilnahme aller Schüler und Lehrer von Volksschule und Gymnasium, aller Vereine und Korporationen, der städtischen Körperschaften und Beamten sowie den Trauermärschen der Pionierkapelle bewegte sich vom Alten Rathaus zum Friedhof Sebastianusstraße. Im Leichenzug und am Haus sang der katholische Kirchenchor. Am Grab sangen beide Männergesangsvereine. 200 Kränze säumten das Grab.
Im Stadtarchiv Lahnstein erinnert eine zeitgenössische Collage aus Zeichnung und Fotografie an Reuschs silbernes Dienstjubiläum 1898: Zwischen Burg Lahneck und Schloss Stolzenfels sind um Bürgermeister Reusch alle Mitarbeiter der Stadtverwaltung, des Stadtrates, der Försterei und der damals städtischen Polizei im Bild verewigt. Seit 1971 ist in Oberlahnstein die Reusch-Straße nach ihm benannt.