Urkunde zur Besiegelung der Städtepartnerschaft Oberlahnstein-Vence, Mai 1969
1968 in Vence mit Schülerinnen und Schülern 1968 bei einem Besuch bei einem Vencer Maler, darunter den Oberprimaner Adalbert Dornbusch (hinter dem Tisch kniend) (Fotos: Sammlung Stadtarchiv Lahnstein)
Vor 60 Jahren wurde der deutsch-französische Freundschaftsvertrag - bekannt als Elysée-Vertrag - am 22. Januar 1963 von Bundeskanzler Konrad Adenauer und dem französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle in Paris unterzeichnet. Nach langer „Erbfeindschaft“ und verlustreichen Kriegen hat dieses Abkommen über die deutsch-französische Zusammenarbeit die beiden Nachbarn in Europa seitdem immer mehr zusammengeführt. Kurz darauf wurde das Deutsch-französische Jugendwerk zur Förderung der Kenntnis der Sprache des Nachbarn und eines intensiven Austauschs gegründet. In der Folgezeit entstanden zahlreiche Städtepartnerschaften sowie Partnerschaften zwischen Schulen und Vereinen.
Auch in Oberlahnstein begann das negative Denken gegen den lange propagierten Erbfeind zu verblassen und die Stimmen, die für eine Normalisierung der deutsch-französischen Beziehungen plädierten, wurden lauter. Die Überlegungen zu einer Aussöhnung mit Frankreich führten zur Suche nach einer französischen Partnerstadt zunächst in Burgund. In der Stadtratssitzung vom 18. Februar 1964 sprachen sich die Ratsmitglieder einstimmig dafür aus, geeignete Schritte zur Gründung einer Partnerschaft mit einer etwa gleichgroßen französischen Stadt zu unternehmen. Auf Einladung der Stadt Oberlahnstein besuchten rund 130 Schüler aus der Gegend von Lille das Rhein-Lahn-Eck, doch blieb dieser Austausch ohne den vom Stadtrat gewünschten Erfolg.
Als im Sommer 1967 eine Jugendgruppe aus der südfranzösischen Stadt Vence nach Oberlahnstein kam, hatte der Vencer Bürgermeister dem Lahnsteiner Studienrat Kurt Wittich als Arrangeur bereits im Vorfeld Interesse an der Partnerschaft mit einer deutschen Stadt gezeigt. Es folgte ein reger Briefwechsel zwischen dem Oberlahnsteiner Bürgermeister Fritz Berlin und seinem französischen Amtskollegen. Die städtischen Gremien auf beiden Seiten bekundeten fast völlig übereinstimmende Ansichten. Vor Abschluss der offiziellen Partnerschaft sollte den Bürgern genügend Zeit gelassen werden, einander durch intensiven Gedankenaustausch und gegenseitige Besuche näher zu kommen. Im April 1968 weilten erstmals Oberlahnsteiner Schüler unter Leitung von Studienrat Wittich in Vence. Das Foto von dieser Erkundungstour zeigt die teilnehmenden Schülerinnen und Schüler, darunter den Oberprimaner Adalbert Dornbusch - heute Bürgermeister der Stadt Lahnstein, bei dem Besuch bei einem Vencer Maler.
Im August 1968 besuchte wiederum eine Gruppe aus Vence das Rhein-Lahn-Eck. Der Präsident des Vencer Komitees, Michel Flament, bescheinigte den Oberlahnsteinern eine großartige Gastfreundschaft. Daraufhin startete er in Vence eine Informationskampagne, die das Interesse an Kontakten und Besuchsprogrammen nach Oberlahnstein beträchtlich förderte. Schließlich wurden die französischen Partnerschaftsgäste im Mai 1969 in Oberlahnstein begrüßt und der feierliche Akt der Städtepartnerschaft vollzogen. Die Urkunde beginnt mit den Worten „Zwischen den Städten Vence - der alten Römerstadt an der Côte d‘Azur und Oberlahnstein - der alten kurmainzischen Stadt am Zusammenfluss von Rhein und Lahn - soll in aller Zukunft bestehen FREUNDSCHAFT IN FREIHEIT.“ Mit dem gemeinsamen Verbrüderungseid verkündeten sie den offiziellen Beginn einer Partnerschaft zwischen Vence und Oberlahnstein. Bedenkt man, dass der Zweite Weltkrieg und die anschließende Zeit der französischen Besatzung bis 1956 erst wenige Jahre zurücklagen, so war diese Verbrüderung ein großer Schritt nach vorne - ein Beitrag zur Völkerverständigung und zur Schaffung eines vereinten Europas.
Im November 1969 wurde dem Partnerschaftsausschuss durch Gründung eines Vereins eine selbständige Rechtsposition und präzise Aufgabe erschaffen. Gründungspräsident wurde Johannes Knauf, der sich bereits seit 1964 stark für eine deutsch-französische Partnerschaft engagiert hatte. Seither dient der Partnerschaftsverein den Lahnsteiner Schulen, Verbänden und Vereinen als Ansprechpartner für deren durchaus eigenständige Kontakte nach Vence. Erfolgreich finden regelmäßig Schüleraustausche und Sprachkurse, sogar Gemäldeausstellungen statt. Zuletzt kam es mehrfach zu Studienfahrten von Oberstufen-Schülern des Marion-Dönhoff-Gymnasiums in die Partnerstadt mit Exkursionen in die Provence. Bürger aus Lahnstein und Vence treffen sich in der Regel jährlich in wechselndem Turnus in Vence und Lahnstein zu Freundschaftstreffen.
Über 2000 deutsch-französische Städtepartnerschaften haben sich in sechs Jahrzehnten gegründet, um den Elysée-Vertrag mit Leben zu erfüllen und dem Werk von Charles de Gaulle und Konrad Adenauer zu einem dauerhaften Erfolg zu verhelfen und zwei Völker im Herzen Europas von der Versöhnung und Freundschaft zur Kooperation zum Wohle Europas zu führen.
Vence und Lahnstein fiel dabei eine interessante Rolle zu. Da beide Städte seit 1978 mit der Stadt Ouahigouya in Burkina Faso eine Dreierpartnerschaft führen, wurden sie 2008 vom deutsch-französischen Ministerrat in ein Modellprojekt der kommunalen Entwicklungszusammenarbeit einbezogen. So wurde aus der deutsch-französischen Städtepartnerschaft eine Dreierpartnerschaft im Sinne einer Nord-Süd-Kooperationspartnerschaft.
Basis für die deutsch-französische Zusammenarbeit und Integration bildet heute der Vertrag von Aachen, der am 22. Januar 2019, dem 56. Jahrestag des Elysee-Vertrages, als bilaterales Abkommen zwischen Deutschland und Frankreich, von der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron unterzeichnet wurde. Er vertieft die Zusammenarbeit in Wirtschaft, Gesellschaft, Politik und Technologie.