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Rhein-Lahn-Kurier - Heimat- u Bürgerzeitung für die Stadt Lahnstein
Ausgabe 43/2023
Lahnstein hat Geschichte
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Vor 125 Jahren wurde Wilhelm Christian Crecelius in Lahnstein geboren – Professor für Innere Medizin und Entwickler einer Methode zur Blutzuckerbestimmung

Nach dem Mediziner Crecelius und dem Labormitarbeiter Seifert wurde eine laborchemische Methode zur Bestimmung des Blutzuckers benannt, ein 1927 entwickeltes Verfahren, das bis vor wenigen Jahren noch relativ weit verbreitet war. Crecelius stammte aus Niederlahnstein, wo er als Sohn des Kaufmanns Christian Crecelius und seiner Frau Katharina geb. Noll am 29. Oktober 1898 geboren wurde. Die Eltern gaben ihm die Vornamen Wilhelm Christian. Noch während seiner Gymnasialzeit meldete er sich freiwillig zur Luftwaffe und legte 1917 das Notabitur an. Nach der Entlassung aus dem Wehrdienst zu Kriegsende studierte er Medizin in Würzburg und Erlangen, wo er 1923 promovierte.

1924 begann seine berufliche Laufbahn im Stadtkrankenhaus Dresden-Johannstadt. Er arbeitete mit dem Zeiss-Ikon-Werk in Dresden zusammen, um mit den dort gefertigten Kolorimetern (Farbmesser) verbesserte Bestimmungsmethoden für das Hämoglobin und die Glucose im Blut zu entwickeln. 1927 konnte er mit dem Zeiss-Ikon-Mitarbeiter Seifert eine viel beachtete kolorimetrische Blutzuckerbestimmung vorstellen. Das Verfahren basierte auf der mikroskopischen Messung des Farbenumschlages, der durch die Reduktion von Pikrinsäure entsteht. Diese wird in einer alkalischen Lösung durch den Blutzucker zu Pikraminsäure reduziert, die eine rote Farbe hat. Deren Menge wird kolorimetrisch gemessen. Die abgelesenen Werte geben den Blutzucker direkt in mg% an.

Das von Crecelius und Seifert entwickelte Gerät war bedeutend kleiner in Bezug auf benötigte Blutmenge, Umfang, Größe und Dauer der Messung als bis dahin bekannte Messgeräte. Bereits 1930 hatte sich ein preisgünstiges Gerät, das auf dem Crecelius-Seifert Verfahren basierte, in vielen europäischen Kliniklaboratorien etabliert.

Dr. med. Wilhelm Crecelius wurde zum Oberarzt ernannt und erhielt 1931 seine Facharztanerkennung als Internist. 1932 machte er sich selbstständig und betrieb bis 1945 eine internistische Praxis mit Spezialisierung für Magen-, Darm- und Stoffwechselkrankheiten. Auch seine Frau Lucia geb. Dederichs, die er 1929 geheiratet hatte, betrieb eine eigene Praxis als Internistin.

Während des Zweiten Weltkriegs wurde Crecelius als medizinischer Gutachter für die Luftwaffe dienstverpflichtet. Am Ende des Krieges war er Oberstabsarzt der Reserve. Die Bombenangriffe auf Dresden zerstörten Wohnhaus und Praxen. Mit seiner Frau und den gemeinsamen Töchtern zog er nach Zwickau, wo er nach Kriegsende Chefarzt der Medizinischen Klinik des dortigen Krankenhauses wurde.

Im Dezember 1945 ging er an das teilweise zerstörte Stadtkrankenhaus Dresden-Johannstadt zurück, wurde Chefarzt der Medizinischen Klinik und Ärztlicher Direktor des Krankenhauses. Er sorgte für die weitgehende Beseitigung der Kriegsschäden und setzte sich für die Inbetriebnahme der Medizinischen Fachschule ein. Zudem begründete er die neuen Fachrichtungen zur Ausbildung von Diätassistenten sowie von Medizinisch-Technischen Assistenten. Darüber hinaus gelang es ihm und seinen Mitarbeitern, die Medizinische Klinik wieder zu einem Zentrum für Forschungen über Stoffwechselkrankheiten und Diabetes mellitus zu profilieren. 1952 habilitierte er an der Technischen Hochschule Dresden im Fach Ernährungsphysiologie. Noch im gleichen Jahr erhielt er eine Dozentur und unterrichtete zukünftige Lebensmittelchemiker. 1949 bis 1953 hielt er außerdem Vorlesungen über Innere Medizin für angehende Zahnärzte in Leipzig.

Als er von den Plänen der DDR-Regierung erfuhr, drei neue medizinische Akademien zur Behebung des Ärztemangels zu gründen, setzte er sich erfolgreich für Dresden-Johannstadt als Akademiestandort ein. Er erhielt die Ernennung zum Professor mit Lehrauftrag für Innere Medizin und wurde zugleich stellvertretender Direktor der 1954 gegründeten Medizinischen Akademie (heutiges Universitätsklinikum Carl Gustav Carus).

In den letzten Wirkungsjahren an der Akademie überarbeitete Crecelius seine 1954 erschienene „Ernährungslehre“ grundlegend. Am 1. Oktober 1964 wurde er emeritiert. Danach arbeitete er noch mehrere Jahre in seiner Praxis.

Crecelius` Verdienste wurden mit mehreren Auszeichnungen gewürdigt. So erhielt er 1952 den Titel „Verdienter Arzt des Volkes“ und zweimal den Vaterländischen Verdienstorden der DDR, 1959 in Silber und 1978 zum 80. Geburtstag in Gold. Die Medizinische Akademie ernannte ihn bei der Verabschiedung in den Ruhestand 1965 zum Ehrensenator. Er war Mitglied der Sektion Innere Medizin der Deutschen Akademie der Wissenschaften. Am 27. September 1979 starb er in Dresden.