Schwerbeschädigtes Haus in der Ostallee nach dem 11. November 1944 (Foto: Sammlung Stadtarchiv Lahnstein)
Anlässlich des 80. Jahrestags der Luftangriffe auf Lahnstein erinnert das Stadtarchiv mit einer großen Ausstellung an Lahnstein im Zweiten Weltkrieg. In diesem Zuge wird hier ein Zeitzeugenbericht von Josef Junker (1937-2004) veröffentlicht. Junker schrieb kurz vor seinem Tod seine Erinnerungen an den Bombenangriff auf Oberlahnstein nieder und gestaltete die Gedenkveranstaltungen zum 50. und 60. Jahrestag federführend mit:
„Als Zeitzeuge des Fliegerangriffs auf Oberlahnstein am 11.11.1944 möchte ich als bleibende Erinnerung schildern, wie ich diesen Tag erlebt habe. Ich war damals im zarten Alter von sieben Jahren (geboren 1937) und wohnte mit meinen Eltern in der Adolfstraße 100 (heutige Hausnummer 126). Mein Vater Johann war an diesem Morgen um 5.00 Uhr in der Früh zur Arbeit auf die damalige Feldmühle gegangen. Die Schicht sollte um 13.00 Uhr enden. Der Himmel war wolkenlos, blau - ein heller Tag begann. Der Schulunterricht fiel wie immer in dieser Zeit aus. Im Erdgeschoss wohnten mein Opa Josef und Oma Anna Junker, im 1. Stock die Familie Gies. Meine Eltern, mein kleiner Bruder Norbert und ich wohnten im 2. Stock. Als es um ca. 11.05 Uhr Voralarm gab, gleich darauf Vollalarm, ahnten wir schon, dass nach Koblenz (06.11.1944) dieses Mal Oberlahnstein mit seinem großen Güterbahnhof das Ziel der Fliegerangriffe sein wird. Alle Hausbewohner gingen in den Keller und suchten dort Schutz. Mein Bruder Norbert (geb. 1942) wurde von der Familie Gies in eine Badebütte gelegt, die als Bettchen vorbereitet war und ebenfalls in den Keller gebracht. Opa Josef nahm mich an der Hand und wir stellten uns in die Tür zum Hof. Er zeigte mir, wie die angreifenden Flugzeuge einen Bombenteppich auf Oberlahnstein abwarfen. Plötzlich trudelte eine Bombe Richtung Wasserturm. Opa nahm mich und wir liefen die Treppe zum Keller hinunter zu den anderen Bewohnern. Sekunden später wackelte das ganze Haus und eine Staubwolke zog in den Keller. Wir hielten uns feuchte Tücher vor Mund und Nase. Als die Angriffe vorüber waren und wir nach oben gingen, sahen wir, was passiert war. Das Haus direkt neben uns, in dem Onkel Martin wohnte, ein Bruder von meinem Opa, war schwer beschädigt.
Die Bombe war in die Jauchegrube gefallen und dort explodiert. Beim Nachbargebäude zu Onkel Martin, Familie Schleifen, war der gesamte hintere Teil des Hauses eingestürzt. Die Adolfstraße war in Richtung evangelische Kirche hin total verwüstet, eingestürzte Häuser und Bombentrichter überall. Meine Mutter hatte gehört, dass auch die Feldmühle getroffen worden sei. Daher bat sie mich, nach meinem Vater Ausschau zu halten. Ich lief über eingestürzte Häuser, an brennenden Anwesen und Bombentrichtern vorbei die Adolfstraße entlang. Die Tankstelle Püttmann brannte lichterloh. Helfer schleppten Eimer mit Wasser herbei um zu löschen. Auch mir gaben sie einen Eimer um mitzuhelfen. Ich rannte jedoch weiter auf Brühl zu, da ich wissen wollte, ob mein Vater noch lebte. Als ich dort ankam, sah ich die Belegschaft aus dem Schutzbunker kommen. Vater war auch dabei. Die Feldmühle selbst hatte keine großen Schäden abbekommen. Ich lief nach Hause und konnte meiner Mutter berichten, dass Vater wohlauf war. Gegen 14.00 Uhr kam auch mein Vater nach Hause und ihm wurde gleich zugetragen, dass seine Schwägerin, dat Dienche in der Südallee 10 verschüttet sei. Vater nahm mich an der Hand und wir eilten zu Hilfe. Nachdem Tante Dienche aus dem Keller gerettet war, kam der nächste Hilferuf. Tante Loni, die hochschwanger war, sei in der Ostallee 50 verschüttet und brauche Hilfe. Als Vater und ich dort ankamen, war bereits Opa aus Niederlahnstein im Einsatz und buddelte mit anderen Helfern Tante Loni aus den Trümmern. Sie kam sofort in das Oberlahnsteiner Krankenhaus und gebar ihre Tochter, meine Cousine Ursula. Weihnachten 1944 erlebte ich mit meinen Eltern und Bruder Norbert in Niederlahnstein bei den Großeltern in der Emser Straße. Als an diesem Tag Niederlahnstein bombardiert wurde, sind wir in den Schutzkeller der naheliegenden Oberförsterei geflüchtet und verbrachten dort Weihnachten. Anfang 1945 wurden wir, wie viele Oberlahnstein Bürger, evakuiert. Wir wurden in Eschbach einquartiert. Zu Beginn des Jahres 1946 wurden wir wieder nach Oberlahnstein in das elterliche Haus zurückgebracht.“
Anlässlich des 80. Jahrestags findet in der Hospitalkapelle die Ausstellung des Stadtarchivs „Bomben auf Lahnstein. Auswirkungen des Luftkriegs vor 80 Jahren“ statt. Sie ist bis 24. November täglich ab 13.30 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei. Sonntags führt Michael Eisenbarth „Auf den Spuren des Zweiten Weltkriegs“ durch Oberlahnstein.
Zeit und Treffpunkt der Führung:
17. und 24. November 2024, um 14.00 Uhr vor der Hospitalkapelle.
Die Teilnahmegebühr beträgt 5 Euro für Erwachsene, Kinder sind frei.