Rund 60 Bürgerinnen und Bürger nahmen an der würdevollen Gedenkveranstaltung zur Verlegung der Stolpersteine zur Erinnerung an die von den Nationalsozialisten verfolgten Mitgliedern der Familie Stern in der Brunnenstraße teil.
Stadtbürgermeister Günter Goß und die Beigeordneten Claudia Wolf, Markus Fischer und Marius Risch legten, ebenso wie viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer, Blumen zum Gedenken an Familie Stern nieder. Fotos: Stadt Braubach/Birgit Biller
Jahrzehntelang lebte die jüdische Familie Stern in Braubach. Jakob Stern, geboren 1860, gelernter Metzgermeister und später Althändler war in Braubach zuhause, zunächst in der Nonnengasse, später in der Brunnenstraße 27. 1893 heiratete er Regina Kahn, die aus dem Hunsrück stammte. Sieben Kinder wurden dem Paar geschenkt. 1894 Tochter Frieda, 1895 Sohn Max, 1897 Sohn Arthur, 1899 Tochter Ida, 1900 Tochter Jenny, 1902 Tochter Rosa und 1909 Tochter Berta Babetta. Arthur fiel bereits im Ersten Weltkrieg 1917. Tochter Ida starb 1926 in Braubach. Von Tochter Rosa ist nichts Weiteres bekannt. Seine Frau starb 1935.
Als die Nationalsozialisten Deutschland mit ihrer Schreckensherrschaft überzogen, flüchtete Sohn Max nach New York, wo er 1979 starb. Jakob selbst floh 1939 vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten in die Niederlande. Von dort wurde er 1943 ins Lager Westerbork verschleppt und wenig später im Vernichtungslager Sobibor ermordet. Auch zwei seiner Töchter, Jenny, verheiratete Lebenberg, und Berta Babetta wurden nach ihrer Flucht nach Belgien und Frankreich 1942 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Die ältere Schwester Frieda, verheiratete Dessauer, überlebte die Verschleppung in das Konzentrationslager Theresienstadt, wurde befreit und starb 1970 in Frankfurt am Main. Sie kam auch nach dem Krieg regelmäßig nach Braubach und besuchte ihr altes Zuhause.
Um dieser Menschen und ihrer Schicksale zu gedenken, wurden nun vier Stolpersteine vor dem ehemaligen Wohnhaus der Familie in der Brunnenstraße 27 verlegt - Pflastersteine mit goldenen Messingplatten, auf denen die Eckdaten der Lebens- und Leidensgeschichte der Menschen eingrafiert sind. Rund 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer nahmen an der würdevollen Zeremonie teil.
"Es gehört zu unserer Verantwortung, das Unrecht zu benennen, das hier geschah", sagte Stadtbürgermeister Günter Goß. "Die Namen, die wir heute hören, gehören zu unserer Stadtgeschichte. Mit jedem Stein, der verlegt wird, holen wir ein Stück dieser Geschichte zurück an die Oberfläche." Gemeinsam mit den Beigeordneten Claudia Wolf, Markus Fischer und Marius Risch verlas er die Namen und Lebensdaten der vier Opfer, während die Steine in den Gehweg eingesetzt wurden.
Die Feier erhielt einen würdigen Rahmen durch die musikalischen Beiträge der israelischen Sängerin Odelia Lazar und ihres Partners Michael Wienecke, die jiddische und hebräische Lieder vortrugen. Geistliche der evangelischen und katholischen Kirche erinnerten in Gebet und Worten an die Verantwortung der Kirchen und riefen zu Wachsamkeit gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus auf. Christoph Simonis von der jüdischen Gemeinde Koblenz sprach das Kaddisch, das traditionelle jüdische Totengebet, und warnte eindringlich vor aktuellen Anfeindungen gegen Juden und andere Minderheiten.
"Es sind kleine und doch so bedeutende Steine, denn die Opfer bekommen durch sie ein Gesicht", sagte die katholische Pastoralreferentin Judith Weyand-Becher. Ihr evangelischer Kollege, Prädikant Klaus Schneider, ergänzte: "Wenn sich die Menschen an das Gebot 'Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst' halten würden, hätte es diese schreckliche Zeit niemals gegeben."
Die historische Grundlage für die Verlegung hatte Klaus-Dieter Schoch gelegt. Auf Initiative des früheren Stadtbürgermeisters Joachim Müller begann er 2012 mit der Fortführung der Braubacher Stadtchronik und erforschte auch die bis dahin weitgehend verdrängte Zeit des Nationalsozialismus. Dabei stieß er auf die Geschichte der Familie Stern. "Es ist beschämend, dass wir mehr als 80 Jahre auf diesen Moment warten mussten", sagte Schoch, der bei der Gedenkfeier spontan das Wort ergriff, und dankte allen, die diese würdevolle Gedenkveranstaltung ermöglicht haben.
Die Stadt Braubach dankt allen Mitwirkenden für ihre Beiträge zu dieser bewegenden Gedenkfeier. Ein besonderer Dank galt dem Bauhof, dessen Mitarbeiter Arton Shabani die Verlegung der Steine übernahm.
Mit den neuen Steinen reiht sich Braubach erneut in das europaweite Erinnerungsprojekt des Künstlers Gunter Demnig ein, das die Namen der Opfer des Nationalsozialismus sichtbar macht und zurück in den Alltag der Städte holt. So bleibt auch in Braubach das Schicksal der Familie Stern unvergessen.
Spendenaufruf:
Bisher konnten die Verlegung und die Gedenkfeier noch nicht vollständig aus Spenden finanziert werden. Wer dieses wichtige Gedenken unterstützen möchte, ist herzlich eingeladen zu spenden an:
Verbandsgemeindekasse IBAN: DE08 5105 0015 0688 0000 76 bei der Nassauischen Sparkasse BIC: NASSDE55 Kennwort: Stolpersteine Stadt Braubach